Frühkindliche Traumata führen häufig zu Persönlichkeitsstörungen. Traumata aufzulösen ist ein langer Prozess. Ich bin diesen Weg gegangen und gehe ihn noch. Hier möchte ich einen Einblick in meine Traumatherapie geben.
Traumatisierungen heilen von selbst, dies ist ein Mechanismus der menschlichen Psyche. Doch wenn diese Traumatisierungen wiederholt erfahren werden und kein Raum für die Heilung vorhanden ist, können Persönlichkeitsstörungen entstehen. Traumata, welche durch nahe Bezugspersonen auf die Betroffenen eingewirkt haben, sind zum Beispiel schwerwiegender.
Ein Kind, das durch seine Eltern Vernachlässigung und Gewalt erfährt, ist zum einen seiner Mutter oder Vater ausgeliefert und kann zum anderen auch keinen Schutz und Trost bei Ihnen finden. Somit kann das schlimme Erlebnis nicht kompensiert werden. In vielen Fällen wird über das Geschehene nicht gesprochen. Es ist kein Raum für die Erholung des Kindes vorhanden. Der Alarmzustand bleibt im Körper. Ein Trauma bildet sich aus. Um mit diesen bedrückenden Gefühlen einen Umgang zu finden, bilden Betroffene Abwehr- und Schutzmechanismen aus, die sich in den verschiedenen Persönlichkeitsstörungen als „merkwürdige“ Charakterzüge niederschlagen.
Nahezu jeder Mensch erlebt Traumata in der Kindheit
Derartige Bindungs- und Entwicklungstraumata, münden meist in Cluster-B Störungen, den sogenannten Beziehungsstörungen. Hierunter zählen die emotional-instabile (Borderline), die narzisstische und die histrionische Persönlichkeitsstörung. Viele Betroffene weisen Probleme in der Beziehungsgestaltung mit anderen Menschen auf. Jeder dieser betroffenen hat sich eigene Abwehr- und Schutzstrategien angeeignet, um mit seinem Ur-Schmerz, resultierend aus dem Trauma, nicht mehr in Verbindung zu kommen.
Doch nahezu jeder Mensch, auch ohne (diagnostizierte) Persönlichkeitsstörung hat Traumata in seinem Leben erfahren müssen. Eine ideale Kindheit und idealen Eltern gibt es nicht. Außerdem muss erläutert werden, dass nicht alle individuellen Bedürfnisse des Kindes immer ausreichend und adäquat von den Eltern erkannt werden. Dies soll keine Diffamierung der Erziehungsgestaltung von Eltern darstellen, sondern einfach verdeutlichen, dass es nicht möglich ist, immer komplett richtig auf die jeweiligen Bedürfnisse eines Kindes einzugehen. Auch oder gerade wenn mehrere Geschwister vorhanden sind, wie zum Beispiel in einer Großfamilie.
Mein Verlassenheits-Trauma
Mein Trauma ist das Verlassenwerden. Ich denke nicht, dass ich erläutern muss, was ein Kind fühlt, wenn niemand zugegen ist und sich adäquat um es kümmert. Für ein Kind ist die Abwesenheit des Elternteils gleichbedeutend mit dem Gefühl des Sterbens. Ein Gehirn eines Neugeborenen oder Kleinkindes ist nicht derart ausgeprägt, dass es differenzieren kann, welche Gründe hinter der Abwesenheit und der emotionalen Kälte der Mutter steckt. Es bemerkt lediglich, dass niemand erreichbar ist und nach einigen Versuchen die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, erstarrt es.
Dissoziation (=Abspaltung) ist die Folge, um dieses belastende Ereignis zu überleben. Doch die Stress-Energie friert ebenso ein und verbleibt im Körper. Verlassenheitsgefühle können aber nicht nur durch erlebte Vernachlässigung entstehen. Auch eine schwierige Geburt, bei welchem ein Baby im Brutkasten versorgt werden muss, um sein Überleben zu sichern, kann ebenso zu Verlassenheitsängsten führen. Ein Bindungstrauma entsteht. Welches sich im späteren Jugend- und Erwachsenenalter durch Verlust- und / oder Bindungsangst darstellen kann.
Das Trauma hat einen Trigger-Knopf – Alarmzustand vorprogrammiert
Leider führt ein unaufgelöstes Trauma dazu, dass man später im Erwachsenenalter immer wieder in einen Alarmzustand zurückfällt, sobald ein Trigger (=Auslöser) vorhanden ist. Flashbacks, in welchen man in die damaligen Gefühle abdriftet, können die Folge sein. Oder man verfällt in „Vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome“. Diese Zustände kenne ich nur zu gut – es ist eines der neun Kriterien der Borderline-Störung.
Eine Traumastörung ist eine Störung des Hier und Jetzt. Betroffene können in diesem Alarmzustand nicht unterscheiden, dass die Gefahr von damals vorbei ist. Demnach ist es ungeheuer wichtig, sich als Betroffene/r immer wieder in die Gegenwart zurückzuholen. Die Skills der DBT-Therapie (Dialektisch behaviorale-Therapie, die speziell für Borderline-Patienten konzipiert wurde) sollen hier Anwendung finden und helfen. Diese Skills (von kalt duschen, über Chili-Schotten, Brausetabletten essen oder an Ammoniak riechen) bestimmt jeder Borderline Betroffene selbst und hat sie bestenfalls immer zur Hand. Doch durch die Verwendung von Skills, lässt sich kein Trauma lösen. Das Gefühl wurde zwar kurzfristig überdeckt, rumort jedoch weiterhin im Inneren.
Der Prozess der Traumaheilung
Wie äußert sich nun der Prozess der Traumaheilung? In meinem letzten Artikel „Borderline: Trauma und Wiederholungszwang“ erläuterte ich, dass die immer wiederkehrende Neubelebung des Konflikts ein Heilungsversuch der Psyche darstellt. Die emotionalen Belastungen deines Traumas werden so lange an deine Tür klopfen, bis du dich ihm zuwendest. Somit ist der Wiederholungszwang schon der erste Step im Prozess der Traumaheilung. Es hat einen Sinn, wenn dein Ur-Trauma das Verlassen werden ist und du immer wieder zu diesem Mann zurückkehrst, der gar nicht wirklich zugegen ist. Dieser Mensch, der dir nicht die Aufmerksamkeit schenken kann, die dir bereits als Kind verwehrt wurde.
Die klassische Schulmedizin arbeitet im Bereich der Beziehungsstörungen mit Verhaltens- und Schematherapie. Eine Verhaltenstherapie zeigt auf, inwieweit dein Verhalten aus deinen Abwehr- und Schutzmechanismen entsteht. Auch die Schematherapie hilft, um dich in deinen verschiedenen verletzten Anteilen zu erkennen und benennen zu können, in welchen „Kindheits-Modus“ du zurückgefallen bist. Erkenntnis ist somit ein weiterer wichtiger Schritt, der bestenfalls zu einer Verhaltensänderung führt, deine Schutzschilder und Vermeidungs- und Abwehrstrategien aufzugeben. Diese werden im Hier und Jetzt nicht mehr benötigt – Die Gefahr ist vorüber!
Traumata müssen gefühlt werden, um die Heilung anzustoßen
Eine Psychotherapie kann dir helfen, deine Verhaltensweisen kognitiv zu erfassen und dich zur Reflektion veranlassen. Auch das Wissen des Ursprungs deiner Verhaltensweisen hilft zum allgemeinen Verständnis und man kann einen anderen, klareren Blick auf sich selbst und seine Vergangenheit gewinnen. Doch eine wirkliche Traumaheilung kann, aus meiner Sicht, hier nicht erfolgen. Denn ein Trauma sitzt im Körper und lässt sich zwar psychotherapeutisch besprechen, aber durch reine Gesprächstherapie nicht auflösen. Das dysfunktionale Verhalten und die damit verbundenen Gefühle lassen sich nicht rein rational auf Verstandesebene lösen. Diese Sicht und Erfahrung haben mich veranlasst Alternativen zu suchen, um mich meinem Trauma wirklich zuzuwenden und dieses „durchfühlen“ zu können. So bin ich auf die Hypnotherapie gestoßen. Wie Hypnose helfen kann, deine emotionalen Schmerzpunkte aufzuspüren und Trauma auflösen kann, erfährst du in meinem nächsten Artikel.
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