„No Love“ statt „One Love”, Bierverbot und brutale Nachspielzeiten – die WM in Katar glänzt mit Realsatire. Fußball wird dabei zur Nebensache.
Nach der moralischen Gretchenfrage der letzten zwei Jahre („Bist du geimpft?“) folgt nun die nächste: „Schaust du die WM?“ Plötzlich glaubt wohl jeder zweite Bundesbürger, in einem der 5.000 Haushalte zu leben, anhand derer die deutschen TV-Einschaltquoten errechnet werden: „Meine Einschaltquote kriegt ihr nicht!“ Mit Blick auf die katastrophale Menschenrechtslage in Katar ist ein Boykott aber selbstverständlich legitim, wenngleich keine Bürgerpflicht.
Für große Aufregung sorgte zudem das Bierverbot in den Stadien. Ist natürlich auch eine riesige Überraschung, dass ein muslimisches Land kein Fan des Alkohols ist. In Deutschland musste man sich derweil bereits die Niederlage gegen Japan mit Glühwein schön saufen. Mindblow: Kinder, die nach 2018 geboren wurden, glauben, eine WM würde immer im Winter stattfinden.
Lange Nachspielzeiten und Kapitänsbinde mit politischer Botschaft
Eine Neuerung bei dieser WM ist, dass tatsächlich 90 Minuten lang Fußball gespielt werden soll. Das Zeitschinden ist ansonsten ein probates Mittel vieler Fußballer, um eine knappe Führung über die Zeit zu retten. Das Gegenteil ist die Bayern-Verlängerung: Es wird so lange nachgespielt, bis der FCB gewonnen hat. Wie dem auch sei… Die Schiedsrichter sind in Katar dazu angehalten, jede Unterbrechung nachspielen zu lassen. Das ließ sich der Referee der Partie England vs. Iran nicht zweimal sagen und zeigte insgesamt 24 Minuten Nachspielzeit an! Kein Wunder, dass in dem Spiel acht Tore fielen. Genügend Zeit hatten die Teams dafür ja.
Warum diskutierte eigentlich nach dem ersten Spiel der Nationalelf halb Deutschland über die Binde der Innenministerin? Ist das nicht Privatsache? Bei der sogenannten „One Love“-Binde handelt es sich tatsächlich um eine Kapitänsbinde, nicht um ein Hygieneprodukt. Da unser Capitano, Manuel Neuer, sich lieber den Mund zuhielt, anstatt die Binde zu tragen – sie war ihm wahrscheinlich zu eng oder so –, übernahm Nancy Faeser das für ihn. Sie posierte mit der Binde, die unter anderem die Rechte von LGBTQ+ einfordert, gut sichtbar neben dem Emir von Katar und FIFA-Chef Infantino.
Übrigens: Die iranische Nationalmannschaft verweigert das Mitsingen ihrer Nationalhymne, um sich mit den Demonstranten in ihrer Heimat, deren Proteste blutig niedergeschlagen werden, zu solidarisieren. Schade, dass es keiner sieht. Es ist nicht nur Katars WM.
Carsten
Ich schaue gerade deswegen auch keine WM mehr, aber die Glosse macht echt Lust, sich die ganze Farce nochmal genauer anzuschauen (online) ;)))