Ein Social Media-Post auf Instagram zeigte vor einiger Zeit eine Illustration auf, welche die literarische Figur von Paddington Bär in Relation zu der aktuellen Lage der Flüchtlingskinder aus der Ukraine gesetzt hat. Diese Form der Kommunikation hat unweigerlich Menschen für dieses Thema berührt. Eine gedankliche Reise zum Thema Kommunikation und Solidarität.
Der Autor und Erschaffer der Figur Paddington Bär, Michael Bond, wurde durch die Ankunft jüdischer Flüchtlingskinder in den dreißiger Jahren in Großbritannien inspiriert. Diese Kinder hatten, genau wie Paddington, alle ein Schild um den Hals und oft einen großen Koffer mit dabei.
Paddington steht also symbolisch für Kinder, die auf der Flucht sind. Solche zeitlosen Romane besitzen also scheinbar die Fähigkeit, immer noch ein gewisses emotionales Bewusstsein zu schaffen für aktuelle Notlagen.
Doch warum wirken gleichzeitig gegenwärtige Appelle für Solidarität, unabhängig vom Medium der Kommunikation, nicht so eindrücklich auf Menschen? Wird das Ganze aus einer soziologischen, systemtheoretischen Perspektive à la Luhmann betrachtet, dann scheint es uns nie wirklich zu gelingen, Krisen so zu kommunizieren, dass wir, als Gesellschaft, einzelne Individuen erreichen. Die Kommunikation ist oftmals leider so ausgerichtet, dass wir nur eine kollektive Masse beziehungsweise ein kollektives Bewusstsein ansprechen.
Differenz zwischen Kommunikation und Bewusstsein
Darin liegt jedoch der Kern des Problems. Auch wenn eine Information für ein Bewusstsein verständlich ist, kann diese Information für das andere Bewusstsein etwas ganz Anderes bedeuten, respektive kann diese eine ganz andere emotionale Bedeutung haben. Denn zwischen Kommunikation und Bewusstsein liegt eine Differenz vor. Das Ergebnis gilt es, durch Selektion und durch Abbau von Komplexität zu erreichen. Um die Probleme unserer heutigen Zeit zu kommunizieren, sei es das Klima oder auch jetzt das Problem von flüchtenden Menschen und hier konkret von flüchtenden Kindern aus der Ukraine, verwenden wir oft neuere massentaugliche Narrative.
Diese sollen Solidarität bei den Menschen erzeugen, verkommen aber leider in der Theorie der Aufmerksamkeitsökonomie oftmals zu Kitsch. Diese neuen Narrative wirken dann fremd auf viele Menschen. Liegt die Lösung dann vielleicht in literarischen zeitlosen Werken, die auf jeden Menschen eine eigene Wirkung haben können, welche jedoch schlussendlich darin mündet, dass wir dennoch die gleiche gemeinsame Solidarität fühlen können?
Literarische Figuren als kommunikativer Schlüssel?
Sollten wir also in unserer Krisenkommunikation die aktuellen Probleme unserer Zeit auf literarische Figuren projizieren? Diese könnten generationsübergreifend im Bewusstsein einzelner Individuen Emotionen auszulösen, welche die gemeinsame Kommunikation untereinander und in der Gesellschaft vereinfachen und auf einen gemeinsamen Konsens bringen würden. Zugleich würden sie Menschen dazu veranlassen, aktiv zu handeln und etwas gegen das Problem zu tun.
Figuren, wie Paddington Bär, wirken auf Menschen herzig, jedoch auf eine nüchterne Art und Weise. Ihre Strahlkraft ist nicht verschlissen, nicht durch billige Massenreproduktionen ins Unkenntliche deformiert, trotz einer gewissen Kommerzialisierung. Literatur, die eben nicht kindisch wirkt, kann daher ein kommunikativer Schlüssel sein, um die genannten Probleme der Zeit zu vermitteln und Menschen zum Handeln anzuregen.
Vermittlung humanistischer Werte statt Massenkonsum
Ein Stück Kindheit im Menschen wecken, durch eine zeitlose literarische Vorlage auf dem Fundament humanistischer Werte und nicht etwa durch neugeschaffene Figuren und Symbole, die auf Basis einer simplen Logik des Massenkonsums geschaffen wurde. Die für die Adressaten nicht nur ein durchschaubarer simplifizierter Abklatsch ohne echten Wertgehalt sind. Oftmals denken Politiker, Regierungen, NGO’s oder moralistisch agierende Großkonzerne, die ihr vermeintlich schlechtes Gewissen reinwaschen möchten, dass sie durch anspruchslose Kommunikationserzeugnisse paternalistisch auf den Menschen Einfluss nehmen könnten.
Es wird davon ausgegangen, dass Botschaften für die Masse, besonders einfach und kulturell anspruchslos gestaltet werden müssen. Darin liegt vor allem auch der Geist, der auf eine kulturelle Klassengesellschaft setzt, wo für jede Klasse ein bestimmtes Niveau an kulturellem Brot vorgesehen ist. Kann es daher nicht sein, dass das Hemmnis für gelungene Kommunikation darin liegt, dass ein Individuum sich vom Inhalt einer Botschaft schlichtweg intellektuell und kulturell beleidigt fühlt? Dies wiederum kann dann weniger zu lösungsorientiertem Verhalten in der Gesellschaft führen, sondern eher zu einer Verweigerung Einzelner, ein Teil der Lösungsfindung zu sein.
Mitleid und Solidarität für Notleidende
Der Philosoph Richard Rorty ist der Meinung, dass die Fähigkeit von Menschen, stärker für andere Menschen zu empfinden durch Literatur, wie u.a. Romane, Zeitungsberichte, oder Dokumentationen, gesteigert werden kann. Denn diese Literatur kann ermöglichen, Ähnlichkeiten zwischen sich selbst und anderen zu identifizieren. Rorty lehnt ab, dass wir Menschen alle a priori eine innere Vernunft in uns tragen. Es reicht also nicht, nur an diese innere Vernunft zu appellieren, um somit Solidarität hervorzurufen, vor allem wenn diese überhaupt nicht existent ist, wie Rorty meint.
Vielmehr ist Rorty der Überzeugung, dass wir durch Literatur oder durch direkten Kontakt mit den betroffenen Menschen lernen, wie wir uns zu toleranten Individuen entwickeln können. Individuen, welche ausgestattet sind mit der Fähigkeit, Mitleid und Solidarität für andere zu empfinden und zeitgleich schöpferische Bürger innerhalb eines demokratischen Staates sein können. Wo wir durch unsere Solidarität proaktiv zum Finden einer Lösung angeregt werden, anstatt nur passiv solidarisch zu agieren, ohne wirkliche Empfindungen für die Notleidenden.
Schreibe einen Kommentar