Ein Kernproblem in der Europäischen Union ist die alternde Gesellschaft. In nicht wenigen EU-Mitgliedsstaaten reichen die aktuellen Geburtsraten nicht für eine steigende, geschweige denn konstante Population aus. Die Folge: Bevölkerungen schwinden langsam dahin. Die Hintergründe für diesen Trend sind vielfältig. Wie steht Europa aber im Vergleich zum asiatischen Raum dar? Wie wird unsere Generation in West und Ost mit dem Problem der Altersvorsorge umgehen?
Südkorea und Japan sind bis jetzt die führenden Technologienationen auf dem asiatischen Kontinent und die Menschen genießen einen hohen Bildungsstand. Gleichzeitig sehen sich beide Länder mit einer extrem alternden Gesellschaft konfrontiert. Südkorea kämpft bereits mit den Folgen der Altersarmut, die immer mehr Menschen in den Suizid treibt. Zudem ist jeder dritte (!) Japaner heute über 60 Jahre alt. Bis 2060, so die Prognose, soll ein Drittel der japanischen Gesamtbevölkerung verstorben sein – das sind immerhin 40 Millionen Menschen weniger. Da Japan in der Demografie das weltweit prägnanteste Extrem bildet, will ich hier näher auf die Altersvorsorge und die Reaktion des Staates eingehen.
Dem durchschnittlichen japanischen Rentner (über 69 Jahre) steht – Haus und Kleinwagen nicht einmal eingerechnet – ein Privatvermögen von rund 76.000 Euro zur Verfügung. Das ist nicht wenig und eine glückliche Fügung aus der Zeit des großen Wirtschaftsbooms der 1970er. Im Prinzip könnte jeder Rentner davon auch gut leben, würde nicht die japanische Regierung ältere Menschen in die private Altersvorsorge in Form von sogenannten Pensionsfonds drängen. Die Idee dahinter: Durch den Zulauf an Investoren (also Rentner) soll der Wert dieser Fonds – zum Wohle aller – gesteigert werden. Im Idealfall gibt es also eine gute Rendite. Doch nicht jeder möchte seine Altersvorsorge den Risiken des Kapitalmarktes aussetzen, etwa aufgrund schlechter Erfahrungen in der letzten Finanzkrise. Trotzdem werden Rentner zu dieser Investition regelrecht genötigt, was einen realpolitischen Hintergrund hat.
Im staatlichen japanischen Rentensystem stehen dem arbeitenden Japaner mit Eintritt in das Rentenalter umgerechnet 600 Euro im Monat zu. Zusätzlich wird ihm abhängig vom Einkommen eine zweite staatliche Rente ausgezahlt, sodass er insgesamt rund 70 Prozent seines Einkommens bezieht. Mittelfristig kann aber der vergleichsweise viel zu kleine Bevölkerungsteil junger Erwerbstätiger dieses Rentensystem gar nicht mehr bezahlen, da die jetzigen Rentner bereits mehr Geld aus dem Topf beziehen, als eingezahlt wird. Die von der Regierung aufgezwungenen Pensionsfonds sollen also vor allem die junge Generation vor dem finanziellen Kollaps bewahren.
Familiärer Zusammenhalt
In Süd- und Südostasien hingegen, wo das Bildungsangebot oft nur dürftig ausgeprägt ist, liegt die Geburtenrate in beinahe jedem Land noch bei über zwei Prozent, also bei einer stabilen Zahl. Dagegen sind die staatlichen Rentensysteme ungefähr so zuverlässig wie der Wetterbericht.
Dennoch können Menschen hier in relativer materieller Sicherheit altern. Ermöglicht wird dies durch einen starken, traditionell geprägten Familienzusammenhalt. In traditionsbewussten Khmer- und Thaifamilien zum Beispiel hat jedes Familienmitglied, egal ob weiblich oder männlich, eine klar definierte Aufgabe bei der Altersvorsorge der Eltern und Großeltern. Dies spiegelt sich in einer Vielzahl von weit verbreiteten Bräuchen wieder.
Ein Beispiel: Indem mindestens einmal pro Jahr der gesamte Monatslohn an die Eltern überreicht wird, unabhängig davon, ob der finanzielle Bedarf überhaupt besteht, beweist das „Kind“ damit seinen Respekt. Mit dieser finanziellen Hilfe können sich dann Vater und Mutter vielleicht mal einen Ausflug oder einen neuen Fernseher leisten. Bei den noch sehr traditionell lebenden ethnischen Minderheiten im Dreiländereck von Thailand, Burma und Laos ist Form der Altersvorsorge in uralten, ungeschriebenen Gesetzen enthalten, in denen die Kinder oft in Geburtenreihenfolge für das Wohlergehen eines bestimmten Elternteils verantwortlich sind.
Europa und Asien rücken immer näher. Viele Fragen sind dabei in Politik und Wirtschaft, aber auch hinsichtlich kultureller Identitäten nach wie vor offen. Inwiefern wir uns mit der Lösung geostrategischer Konflikte und der Sicherheitspolitik auf dem asiatischen Kontinent befassen sollten, wird im nächsten Artikel der Reihe „Orient küsst Okzident“ erläutert.
Falls ihr den ersten Teil bzw. zweiten Teil der Reihe “Orient küsst Okzident” noch nicht kennt, klickt einfach auf die blau hinterlegten Links!
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