Das Kino als Ort der Politik, als Ort, der mal mehr, mal weniger offengelegten Ideologie zu begreifen, macht sich Timo Feilen zur Aufgabe. Wer im Kino reine Unterhaltung und einen Ort zum Abschalten sucht, der irrt, wie der nun in die deutschen Kinos gekommene Film Operation: 12 Strong von Nicolai Fuglsig eindrucksvoll zeigt. Das Kino als eigenständige Kunstform zu behandeln, ist das übergeordnete Anliegen dieser und der folgenden Kritiken.
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Fast 17 Jahre liegen nun schon zwischen den Anschlägen auf das World Trade Center und dem heutigen Tag. Der terroristische Anschlag, ausgeführt von Kämpfern der Organisation Al-Qaida, kostete rund 3.000 Menschen das Leben. Für den damaligen Präsidenten George W. Bush war das Grund genug, einen Vergeltungskrieg gegen den Führer der Organisation, Osama bin Laden, zu führen.
So handelt auch der Film Operation: 12 Strong von Nicolai Fuglsig von einer Gruppe junger amerikanischer Soldaten, die als erste in Afghanistan landen wollen. Die von einigen Kritikern lobend herausgehobene „Neutralität“, die „Sachlichkeit“, mit der man sich dem Thema des Krieges näherte, ist hier nicht aufzufinden. Im Gegenteil, denn die hier dargestellten Kampfhandlungen sind Teil einer umfassenderen Ideologie des Krieges und ebenso Teil stiller Kriegsfantasien.
Die auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte ist schnell erzählt. Eine zwölf Mann starke Einheit rund um Captain Mitch Nelson, gespielt von Chris Hemsworth, will in Afghanistan einziehen, um als erstes Team hinter feindlichen Linien abgeworfen zu werden mit dem Ziel, die von den Taliban besetzte Stadt Masar-e Scharif zu befreien. Nebenbei ist es natürlich auch ein persönlicher Anreiz, möglichst viele Taliban- und Al-Qaida-Kämpfer zu töten.
Ganz ähnlich zu Black Hawk Down (2001) wird hier dargestellt, dass die Amerikaner dem Feind zahlenmäßig in einem fast unglaublichen Verhältnis unterlegen sind. Zwölf Männer müssen es mit dem Rest der Welt aufnehmen. Doch gibt es hier einen Unterschied zum Film von Ridley Scott: Die Soldaten sind hier auf die Hilfe der Afghanen angewiesen. So schließt man sich dem Warlord General Dostum an, um es mit dem Feind im fremden Terrain aufnehmen zu können. Nach einigen erfolgreichen Kampfhandlungen kommt es zur eigentlichen Problematik: Eine von Gegnern besetzte Schlucht ist der einzige Weg, um nach Masar-e Scharif zu gelangen. Nur wenn hier alle Kämpfer getötet werden, ist das Ziel erreicht.
Die Politik des Western
Schon an dieser Stelle sei erwähnt, dass es sich hier mitnichten um einen dezidiert politisch interessierten Blick auf den Krieg und seine Beweggründe handelt, denn bei aller dem Film attestierten Nüchternheit geht es hier vor allem um die Emotionen der Soldaten, so auch um die Rache. Sie ist seit jeher ein beliebtes Thema in Filmen verschiedener Genres. Doch es ist der Western, der die Rache, das Gesetz des „Auge für Auge, Zahn für Zahn“ perfektioniert hat, davon zeugen nicht zuletzt Filme wie The Revenant (2015). Und auch in diesem Film hält das Band der Rache die jungen Männer zusammen, die ihre eigenen Familien im behaglichen Eigenheim beschützen müssen.
In Afghanistan stoßen die Soldaten auf eine Situation, die in ähnlicher Form im Vietnamkrieg aufkam, denn die geographische Lage diktiert die Form der Kampfhandlungen. Hier ist es das Pferd, das es ermöglicht, steinigen Boden, enge Schluchten und steile Berge zu erklimmen. Das Pferd, sonst Symbol für die Weiten des Wilden Westens, ist hier der atmende Ersatz für den Panzer. Man zeigt: Die Armee ist doch in der Lage, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Mit Materialschlachten lässt sich kein Krieg mehr gewinnen, es braucht Anpassung.
Warum aber wählt man den Western als eine explizite cineastische Referenz? Im Western ist die Rache immer an das Individuum gebunden. „Auge für Auge, Zahn für Zahn“ ist nur dann denkbar, wenn man ein klares Bild von seinem Gegenüber hat, es braucht ein klar umrissenes Feindbild. Es genügt daher nicht, sich das Böse als abstrakte Größe vorzustellen; das Böse braucht ein Gesicht, im besten Falle ein finsteres. So kommt auch Operation: 12 Strong nicht ohne dieses Gesicht aus.
Letztlich wird hier auch ein persönlicher Konflikt zwischen General Dostum und dem Kopf der lokalen Talibanführung ausgetragen. Anstatt von politisch komplexen Konflikten zu erzählen, zeigt der Film den an Gesichter gebundenen Kampf, der Held kämpft gegen den Bösewicht. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass wir keine Ahnung davon haben, wer die Talibankämpfer sind. Sie bleiben eine anonyme Masse, die für die Kugeln der Amerikaner bestimmt sind, schließlich wissen wir durch den Anführer der Taliban, wie das Böse aussieht.
Chris Hemsworth wiederum steht hier für das Gute: Noch in den brutalsten Gefechten kann er durch seine ungebrochene Männlichkeit und seinen Schlafzimmerblick, der uns als cooler „Killerblick“ verkauft wird, überzeugen. Wir lernen also: Auch im Krieg können wir noch eine gute Figur abgeben und strahlend weiße Zähne haben.
Es braucht den Western, um eine klare Dialektik wahren zu können, nur so kämpfen nicht nur zwei Ideologien gegeneinander, sondern die personalisierte Fantasie vom Guten und vom Bösen. In Zeiten der Drohnen- und Hackerkriege scheint es, als sehne man sich nach Mann-gegen-Mann-Gefechten, nach klaren Unterscheidungen, nach Gesichtern, die man bekämpfen kann. Nach dem Tod Osama bin Ladens im Jahre 2011 fehlte lange Zeit ein solches Gesicht. Hatte man nicht in ihm all das gefunden, was Amerika bekämpfen musste.
Helden gesucht
Man sollte sich nicht wundern, warum der Film gerade zu dieser Zeit erscheint. Die kriegerischen Konflikte in Syrien und im Irak sind weit davon entfernt, zu einer Auflösung zu kommen. Auch gibt es vermutlich niemanden, der die Sachlage völlig durchschauen kann; Politiker und selbst ernannte Experten geraten in Erklärungsnot, fragt man sie nach Ursachen und Hintergründen. Ähnlich, wie der Western Sehnsüchte bedienen soll, tut es auch Operation: 12 Strong. Anstatt eine sachliche Auseinandersetzung mit den Krisen unserer Zeit anzustoßen, flüchtet man sich in eine Zeit, in der man den Krieg noch mit einem guten Gewissen führen konnte, indem das Töten noch nicht anonym gestaltet war und hinter Bildschirmen gesteuert wurde.
Anstelle dessen sehen wir hier die letzten Revolverhelden, die sich dem Duell ausliefern. Der Western ist auch vor allen Dingen deshalb so beliebt, weil er das Leben auf eine recht simple Formel herunterbrechen kann: Es gibt Helden, das Gesetz, Frauen und Familie und schließlich den Gegner, der besiegt werden soll, damit man zur privaten Harmonie zurückkehren kann. Diese populäre Einfachheit selbst aber ist politisch, so auch der Film. Der Zuschauer darf sich, so scheint es, im Kriegsgetümmel entspannen, darf sich mal eine Auszeit vom schwierigen Alltag gönnen. Der Krieg ist hier ein willkommener Urlaub für den müden Verstand, der Schwierigkeiten damit hat, die Welt zu ordnen.
Der Film basiert auf dem Buch Horse Soldiers: The Extraordinary Story of a Band of US Soldiers Who Rode to Victory in Afghanistan, geschrieben von Doug Stanton. Dieses Buch gehört zur Pflichtlektüre der amerikanischen Militärausbildung, vielleicht wird der Film ebenfalls diese Funktion übernehmen. Es ist bedenklich, dass eine solche Darstellung des Krieges gepredigt wird, die den Soldaten als romantischen Kämpfer für das Gute inszenieren. Dazu passt die wiederholte Aufforderung General Dostums, um erfolgreich Krieg führen zu können, reiche es nicht, Soldat oder Kämpfer zu sein, der Soldat kämpfe lediglich mit seinem Verstand.
Anders der Krieger, er kämpft vorrangig mit seinem Herzen, er ist also völlig in den Krieg involviert, er ist zum Krieg geworden. In seinem Buch Kriegsplitter (2015) stellt der Politikwissenschaftler Herfried Münkler die These auf, wir würden in einem postheroischen Zeitalter leben: Man müsse lernen, sich von der Verehrung der Helden, ja von der Existenz der Helden verabschieden. Der Film aber beweint den Heroen, er wird noch einmal groß geschrieben. Und letztlich glaubt der Film an diese Helden.
Als der Krieg noch einfach war
Auch der Held des Western kämpft mit dem Herzen, doch vergisst man dabei allzu leicht, dass das Herz, also die Frage nach der Emotion, in Zeiten der hochkomplexen Konfliktsituationen nicht der richtige Ratgeber ist. Vielleicht muss man den Film als ein letztes Aufbäumen des archaischen Soldaten sehen, der noch Krieger und nicht Verwalter des Todes ist.
Doch ist der Western so gefragt wie selten und auch Operation: 12 Strong sehnt sich nach der Einfachheit des Krieges und nach der Besonderheit des Soldaten. Wenn in Kritiken davon gesprochen wird, der Krieg sei nicht schwarz-weiß gestaltet, weil Amerika auf die Hilfe anderer angewiesen sei, dann wird die propagierte Sehnsucht nach einem starken Amerika übersehen, das zeigt, wo es lang geht. So gibt es gleich zwei Szenen, in denen ein afghanischer Junge Süßigkeiten von einem amerikanischen Soldaten bekommt. Stillschweigend aber lächelnd und dankbar wird das Geschenk angenommen. Man hätte auch in der letzten Einstellung zeigen können, wie die Krieger dem Sonnenuntergang entgegen reiten. I’m a poor lonesome cowboy …
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