Menschen aus aller Welt zieht es nach New York, das wegen seines Umrisses auch liebevoll „Big Apple“ genannt wird. Man kommt entweder, um nur kurz in diese pulsierende Welt einzutauchen und sich von ihr berauschen zu lassen, oder um sich auf Dauer ein neues Leben aufzubauen. Ganz ähnlich wie die Millionen Einwanderer Ende des 19. Jahrhunderts, die in eine neue, eine bessere Welt aufbrechen wollten. Sie begaben sich auf ihren persönlichen „Pursuit of Happiness“ – dem Streben nach Glück, auf der Suche nach dem „American Dream“. Sofern sie auf dem Schiff die Freiheitsstatue sahen und anschließend auf Ellis Island auf ihre Einreisegenehmigung warteten, konnten Glück und Leid nah beieinander liegen: Viele konnten ihre alte Heimat hinter sich lassen, doch ebenfalls viele sollten nie einen Fuß auf das Festland von New York setzen und wurden zurückgeschickt. Die Wege und Hürden der Einwanderer werden heute auf Ellis Island in einem Museum dokumentiert.
„Here is New York“
New York blickt auf eine lange Geschichte zurück. Anfang des 17. Jahrhunderts kaufte der Niederländer Peter Minuit den Einheimischen die Insel Manna Hatta für rund 60 Gulden ab. Die neue Siedlung trug erst den Namen Nieuw Amsterdam. Trotz aller Veränderungen ist und bleibt New York ein Schmelztiegel der verschiedensten Nationalitäten, Kulturen und Mentalitäten. Daher herrscht hier ein erstaunliches Klima der Freiheit und Toleranz. Die berühmten Stadtteile Chinatown, Harlem, Little Italy oder Brooklyn sind davon ganz besonders geprägt.
Viele haben in der Vergangenheit probiert, die Atmosphäre der Stadt schriftlich einzufangen. Es gibt viele Berichte über vergangene Träume, vergangene Klagen, vergangenen Jubel. Doch seit dem 11. September 2001 klingen Sätze aus E.B Whites Essay „Here is New York“, geschrieben 1949, wie Worte einer düsteren Vorahnung. Er schreibt mit beängstigender Klarheit: „Die Stadt ist das erste Mal in seiner langen Geschichte zerstörbar.“ Und weiter: „Ein einzelner Flug von Flugzeugen, nicht größer als ein Schwarm Vögel, kann schnell diese Inselfantasie beenden, die Türme verbrennen, die Brücken zerstören, die Untergrundwege in tödliche Kammern verwandeln, die Millionen einäschern. Die Andeutung von Sterblichkeit ist jetzt Teil von New York: In dem Geräusch der Flugzeuge über uns, in den schwarzen Schlagzeilen der letzten Ausgabe.“ Heute steht auf dem Fundament des ehemaligen World Trade Centers ein Denkmal für all die Opfer, die an jenem Tag auf solch grausame Weise aus dem Leben gerissen wurden. Das neue One World Trade Center wurde 2014 eröffnet und ragt mit 541,3 Metern als neues Wahrzeichen der Stadt an der Südspitze Manhattans empor.
„If you can make it there, you can make it anywhere“
New York ist ohne Zweifel eine Stadt der Superlative – aber auch der Gegensätze. New York ist Leidenschaft. Was Besucher wie mich mitreißt, ist das Tempo. Diese Stadt steht niemals still und ist vor allem eines nicht: ruhig. Jeder möchte etwas werden, etwas tun und hat eine Idee, von der er begeistert ist. Reisenden gibt New York das Gefühl, dass man hier im Mittelpunkt, im Zentrum der Welt angekommen ist: „It happens there“, um es mit einem der Werbesprüche der Stadt zu sagen.
Doch New York ist auch finster. Auf der 5th Avenue oder der Park Avenue, wo Chanel und Prada miteinander konkurrieren, brauchen die Menschen sich nicht darum zu sorgen, ob sie ein Dach über dem Kopf haben oder was sie morgen essen werden. An anderen Orten New Yorks sieht das anders aus. Es gibt genug Menschen, die keine Sozialhilfe bekommen und nicht wissen, was morgen kommt. Abseits von all dem Glitzer und Glamour auf dem Broadway oder dem Times Square gibt es auch dreckige Orte, wie die Metro in New York, eines der größten U-Bahnnetze weltweit. Alte, rumpelnde Wagen. Blasse Menschen, die nebeneinander sitzen. Sie hören Musik, lesen oder schlafen. Keiner blickt den anderen an. Keiner lächelt. Dann kann die Stadt dir das Gefühl geben, dass du klein bist und unbedeutend in so einem großen System. Dass die Stadt ihre Geschwindigkeit behält. Und wer nicht mitrennt, den lässt sie zurück.
Eine Stadt, die nicht funktionieren dürfte
New York ist auch eine Stadt der Fremden, so scheint es. Unzählige Touristen durchziehen sie Tag für Tag, wobei die New Yorker stets freundlich und hilfsbereit sind und auf alle Fragen geduldig antworten. Dabei erfährt man auch, dass sich ein Blick von oben auf die Stadt lohnt. Nicht aber vom Empire State Building, wo man geduldig stundenlang anstehen muss, sondern vom Rockefeller Center, weil man von dort aus auch das Empire State Building sehen kann. Fortbewegungsmittel für die Erkundung der Stadt gibt es viele. Man kann den Bus nehmen, ein- und wieder aussteigen, sich ein Fahrrad mieten, gemütlich durch den Central Park laufen oder nicht zuletzt mit einem der Yellow Cabs durch die Stadt fahren.
New York ist eine Stadt, die so eigentlich nicht funktionieren dürfte. Dreckig sind die Bahnhöfe, rostig die Brücken und mehr als holprig die Straßen. Niemand drängelt an den Bushaltestellen, dafür werden Kreuzungen zugeparkt und alle fahren immer weiter, bis nichts mehr weiter geht. New York ist eine Stadt, die morgen anders leben wird als heute. Und es ist die Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten: „It happens there.“ Es passiert dort, wo auch sonst?
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