Lateinamerika: Eine Region, für die sich junge Europäer immer stärker interessieren – sei es für einen Urlaubstrip oder einen längeren Auslandsaufenthalt. Wie ticken die Menschen dort und worauf solltest du achten, wenn du in Lateinamerika unterwegs bist? In Teil 3 nimmt f1rstlife die Region genauer unter die Lupe.
Redselig, temperamentvoll, Partygänger: Oft werden Lateinamerika und seine Bewohner mit Spanien oder Portugal verglichen. Warum, ist naheliegend. Die ehemaligen Kolonien haben viel von den Kulturen ihrer europäischen Eroberer geerbt, nicht nur die Sprache. Und doch unterscheiden sich die Menschen dieser Regionen – in der Fachliteratur allesamt Latinos genannt – ein gutes Stück voneinander, wenn man einmal genauer hinguckt. Die wichtigsten Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit den europäischen Geschwistern sollte man besser kennen, wenn man nach Lateinamerika in den Urlaub fährt oder dort einen längeren Aufenthalt plant. Sonst kann es schnell peinlich werden. Natürlich unterscheiden sich auch die einzelnen Länder Lateinamerikas voneinander, aber es gibt trotzdem einige Charaktereigenschaften, die für diese Region einzigartig sind.
Europäer, Asiaten, Afrikaner – viele Kulturen mischen hier mit
Die Bewohner im Süden des amerikanischen Kontinents sind das Ergebnis eines wilden Mixes verschiedener Weltregionen, aus denen eine ganz eigene Kultur entstanden ist. Die Indigenas haben ihre Ursprünge in Asien, von wo aus sie vor rund 15.000 Jahren nach Amerika übersiedelten. Mit der Eroberung durch die Europäer und ihrer Kultur der Sklavenhaltung vermischten sich asiatische, spanische, portugiesische und afrikanische Wurzeln miteinander. Viele Latinos weisen selbst Züge der arabischen Kultur auf, die durch die Spanier übermittelt wurden, die mehrere Jahrhunderte unter der Herrschaft von Arabern lebten. Dieser Kulturenmix hat einen besonderen Typ Mensch geschaffen.
Beeindruckende Multitaskingtalente
Die Lateinamerikaner gelten als ein sehr mitfühlendes, menschliches und gelassenes Volk. Sie geraten nicht ganz so schnell in Rage wie ihre spanischen Pendants, haben einen geringeren Hang zur Dramatik und sind die kleineren Machos. Worin sie ihnen aber in keiner Weise nachstehen, ist ihr Verhältnis zur Pünktlichkeit, ganz im Gegenteil. Mit der Zeit gehen sie gerne großzügig um, je nach Land muss man sich auf Verspätungen zwischen ein bis zwei Stunden einstellen. Deutsche entwickeln hier auf jeden Fall eine ganz neue Verspätungstoleranz. Grund für ihr Verhalten: Menschliche Beziehungen sind ihnen wichtiger als rationale Dinge wie etwa Termine – letztere müssen nicht strikt eingehalten werden. Außerdem haben sie immer eine Menge zu tun, viele Dinge müssen oft gleichzeitig erledigt werden. Was den einen oder anderen Deutschen sehr verwirren mag, ist typisch für ihre Kultur: Die Arbeit, ein Telefonat, die Maniküre und eine Suppe auf dem Herd – all das wird zur gleichen Zeit von Lateinamerikanern gemanagt. Ähnlich wie in Spanien haben Lateinamerikaner aber auch einen Hang dazu, Sachen auf später zu verschieben.
Kochen und Kindererziehung: traditionelles Frauenbild
Auch wenn diese Südländer entspannter, als manch ein Spanier sind, so sollte man nicht den Fehler machen, zu denken, sie würden sich selten aufregen und seien die Ruhe schlechthin. Bei der Autofahrt, die an sich schon eine turbulente Angelegenheit ist, kann es manchmal wüste Beschimpfungen hageln. Ähnlich ungebändigt sind die Latinos in Sachen Liebe: Sie regen sich schnell lautstark auf, können auch mal wild fluchen und im nächsten Moment wieder die liebsten Menschen der Welt sein. Viele Menschen in Lateinamerika haben ein sehr traditionelles Rollenbild, dem zufolge die Frau eher fürs Kochen und die Kindererziehung zuständig ist und abends nicht alleine auf die Straße, geschweige denn auf Partys, gehen sollte. Und: Viele Frauen leben genau das, weil sie es in ihrer Kultur nicht anders kennen. Weit verbreitet ist auch der Glaube, dass es zwischen Mann und Frau keine Freundschaft geben kann. Man sollte als Tourist/-in daher vorsichtig sein, wenn man von einem Vertreter des anderen Geschlechts eingeladen wird, selbst wenn es „rein freundschaftlich“ ist. Ähnlich wie für Spanier und Italiener ist die Familie für Lateinamerikaner das Allerheiligste: Der meiste Teil der Freizeit wird in dieser Gruppe verbracht, ihre Belange stehen an oberster Stelle und Fremde erhalten nicht so schnell Zugang zu familiären Treffen.
Fürsorge und Empathie à la Latina
Die Bewohner Lateinamerikas sind sehr mitfühlende Menschen, die viel Verständnis aufbringen, wenn es jemandem nicht gut geht. Durch die europäische Eroberung haben ihre Vorfahren großes Leid erfahren und die Empathie für eine solche Situation offensichtlich weitergegeben. Wer krank ist oder einen Schicksalsschlag erlebt, kann sich ihrer Fürsorge und liebevollen Zuwendung sicher sein. Mehr noch als ihre europäischen Verwandten sind Lateinamerikaner sehr herzliche Menschen. Sie werden schnell persönlich, nehmen dich wie einen guten Freund auf und drücken ihre Freude über deine Anwesenheit mit überschwänglichen Komplimenten aus. Selbst ihre Sprachen vermitteln Herzlichkeit, so gibt es im Spanischen und Portugiesischen viele Verniedlichungen wie „Mamita“ (Mamalein) oder „cafézinho“ (Kaffeechen). Lateinamerikaner neigen zu viel Körperkontakt und so wie man sich in Deutschland die Hand zur Vorstellung seiner Person gibt, so gibt es bei ihnen eine Umarmung oder ein Küsschen rechts und links auf die Wange. Dieser Schwall an Herzlichkeit und Zuneigung kann einen Deutschen schnell überfordern: Aber man sollte sich einfach freuen und ihnen mit der gleichen Herzlichkeit begegnen, denn sie meinen es ehrlich.
Feier- und Partykultur
Wer einmal den brasilianischen Karneval gesehen hat, der hat bereits eine Ahnung davon, wie die Lateinamerikaner zum Thema Party stehen: Sie lieben es und finden immer einen Grund, um eine Fiesta (=Feier) zu veranstalten. Ihnen liegt der Rhythmus im Blut und es dauert oft keine zehn Minuten, da wird auf einer Feier getanzt. Die Partys dauern oft die ganze Nacht an, denn die Lateinamerikaner haben ein gutes Durchhaltevermögen – selbst die Älteren. Anders als in Deutschland nehmen bei Partys von Einheimischen nämlich oft mehrere Generationen teil: Meist ist die ganze Familie vertreten, vom Fünfjährigen bis zur 80 Jahre alten Oma und sie alle tanzen. Typisch für die hiesige Kultur sind auch kleinere Fiestitas: Ein gemütlicher Abend artet oft spontan zur Privatparty aus, wenn jemand seine Gitarre und etwas zu trinken mitbringt. Wofür wir Deutschen oft zu scheu sind, dafür scheinen die Lateinamerikaner wie geboren: Man begleitet die Gitarre mit lautem Gesang und tanzt ausgelassen, selbst wenn nur eine Handvoll Leute anwesend ist.
Trotz Armut stets ein Lächeln auf den Lippen
Wer Lateinamerika erkundet, den dürften die weiten, oft unberührten Landschaften und die topografische Vielfalt auf kleinstem Raum (Strand, Berge, Urwald nah beieinander) wohl am meisten beeindrucken. Diese Umwelt hat auch den Charakter der ansässigen Latinos geprägt: Die Schönheit der Natur hat einen enormen Optimismus geschaffen. Egal, wie aussichtslos und verzweifelt eine Situation auch scheint, diese Südländer gewinnen ihr immer etwas Positives ab. Besonders rührend kann das sein, wenn Straßenkinder ein Lächeln für Touristen übrighaben, oder arme Menschen sich für eine Zuwendung mit Gleichem bedanken möchten. Denn so präsent wie die weite Natur ist in Lateinamerika auch die große Armut, von der vor allem die Kleinsten betroffen sind. Oft arbeiten schon Kinder im Grundschulalter auf der Straße und versuchen, sich durch den Verkauf von Süßigkeiten oder mit ihren Diensten als Autoputzer über Wasser zu halten.
So kannst du punkten
Wie für alle Latino-Länder gilt auch in Lateinamerika: Begegne den Menschen ebenso herzlich und kontaktfreudig wie sie dir, das ist eine gute Grundlage. Es gibt wenig, was man hier nicht tun sollte, aber wenn es eines ist, dann zu ehrlich und zu direkt zu sein. Die Lateinamerikaner, die immer auf eine gute Atmosphäre und ihren Stolz bedacht sind, würden lieber lügen, statt ihr Gegenüber zu beleidigen oder dumm aussehen zu lassen. Daher erwarten sie von dir das Gleiche. Mit subtilen Botschaften kommst du hier ähnlich wie in Portugal eher weiter. Es ist außerdem hilfreich, etwas Spanisch oder Portugiesisch zu sprechen, denn Lateinamerikas Bewohner – zumindest die älteren – können oft nur gebrochenes Englisch sprechen.
Mädels, aufgepasst:
Es empfiehlt sich, abends nicht alleine durch die Straßen zu gehen, denn in vielen Regionen Lateinamerikas gibt es eine hohe Kriminalitätsrate. Wenn du im Club bist, sei auf manchen hartnäckigen Verehrer vorbereitet. Bei vielen Latinos sind „weiße“ Frauen nämlich sehr beliebt und es gilt, sie um jeden Preis für sich zu gewinnen. Es kann daher gut sein, dass du mehrmals energisch sagen musst, dass du nicht tanzen möchtest und dich eventuell aus einer voreiligen Umarmung befreien musst. Aus diesem Grund ist es nicht verkehrt, in männlicher Begleitung feiern zu gehen oder stets ein Bild des „Freundes“ mitzuhaben, das du notfalls zeigen kann.
Marius
Ein bisschen mehr weitblick hätte ich mir schon gewünscht. Die Autorin bedient die klassichen Vorurteile gegenüber Latin@s und trägt somit nicht dazu bei, dass die Diskrimierungsstrukturen aufgebrochen werden. Des Weiteren romantisiert sie Armut und zeichnet ein exotisches Bild der Mensch, was absolut zu kritisieren ist.
Maria Bravo
Danke für deinen Kommentar, Marius. Konstruktive Kritik ist immer wichtig.
Zu deinem ersten Kritikpunkt mit den Vorurteilen: Ich hätte wohl noch dazu schreiben sollen, dass die Informationen, auf denen der Artikel beruht, hauptsächlich aus wissenschaftlichen Quellen von Kulturantrophologen stammen sowie zu einem kleinen Anteil aus eigenen Erfahrungen und denen von Bekannten, sie überwiegend aber ebendieser wissenschaftlichen, fundierten Quellen entstammen. Dass dadurch einige Vorurteile bedient werden, ist richtig, aber diese scheinen in den Fällen dann offenbar zu stimmen bzw. wurden immerhin von Wissenschaftlern wiederholte Male festgestellt. Ich habe hier auch immer mit eigenen Erfahrungen verglichen und mich nur dann dazu entschieden, die Aspekte, die gewisse Vorurteile stützen, mit aufzunehmen, wenn meine und die Erfahrungen anderer Personen, die Thesen der Kulturwissenschaftler gedeckt haben. Natürlich ist der Artikel zwangsläufig verallgemeinernd , genau wie wenn man über “die Deutschen” oder “die Europäer” schreiben würde. Natürlich treffen die Beschreibungen nicht auf jeden Einzelnen zu, wie auch typisch deutsche Merkmale nicht auf jeden einzelnen Deutschen zutreffen. Aber das, was beschrieben wird, soll die breite Mehrheit abbilden. Darüber hinaus habe ich auch Aspekte eingebunden, die überhaupt nicht Gegenstand von Vorurteilen sind – nicht von positiven, nicht von negativen. Wenn dir der Artikel nicht differenziert genug ist, oder du da andere Erfahrungen gemacht hast, zeigt das ja nur, wie vielfältig Kulturen sein können. 🙂
Was ich nicht ganz verstehe: Was hat das mit Diskriminierung zu tun? Wenn jemand schreibt, die Deutschen seien ein sehr pünktliches Volk und bevorzugten es, ihre Aufgaben auf der Arbeit hintereinander statt mehrere Sachen zur gleichen Zeit zu machen, dann würde zumindest ich mich nicht diskriminiert fühlen. Zum Großteil werden hier doch typische Verhaltensweisen beschrieben. Und wenn man nun schreiben würde, die Deutschen sind nicht solche Partytiere wie es die Lateinamerikaner in der Regel sind, was hat das dann mit Diskriminierung zu tun? Meine Intention war es, deutlich zu machen, warum Lateinamerikaner sich so verhalten wie sie es tun, z. B. durch die Beschreibung mit dem Zeitgefühl – damit “wir Deutschen” das mal verstehen und Verständnis dafür aufbringen können. Davon abgesehen kannst du dir sicher sein, dass mir nichts ferner liegt als zu diskriminieren, ich bin ein sehr offener und toleranter Mensch. Übrigens bin ich selbst Südamerikanerin.
Armut zu romantisieren war keineswegs meine Absicht, im Gegenteil. Davon möchte ich mich klar distanzieren. Ich habe versucht, die Lage und die Gegebenheiten vor Ort möglichst neutral darzustellen. Aber eben auch zu zeigen, welch positive Lebenseinstellung die Leute dort meist haben – trotz all der Armut. Denn das finde ich beeindruckend. Wenn mir das nicht gelungen ist, ist das schade und ärgerlich – dann habe ich es wohl missverständlich formuliert. Worte oder Umschreibungen wie “leider” oder sonstiges habe ich nach langem Überlegen nicht eingebaut, weil ich den Artikel neutral halten wollte, sprich ohne Gefühlsäußerungen.
Zum letzten Punkt: Erst einmal theoretisch betrachtet: Wieso ist es verwerflich, jemanden als exotisch darzustellen? Exotisch heißt laut Definition erst einmal nichts anderes als fremd und/ oder außergewöhnlich. Für Menschen aus Deutschland bzw. für jeden Menschen, der nicht aus Mittel- oder Südamerika kommt, ist die dortige Kultur in ihrer Gesamtheit erst einmal fremd, auch wenn es natürlich Überschneidungen gibt. Genau wie für einen Mittel- oder Südamerikaner die deutsche oder europäische Kultur in ihrer Gesamtheit erst einmal fremd/außergewöhnlich ist. Außergewöhnlich beschreibt ja nichts anderes als etwas, das nicht gewöhnlich, also der Gewohnheit entsprechend, ist. Exotisch sind also streng genommen auch typisch deutsche Menschen für einen Lateinamerikaner.
Nun im Bezug zum Artikel: Natürlich leben die Menschen dort in vielen Aspekten anders als wir es hier tun und umgekehrt. Das kann ich so sagen, da ich mehrere Monate selbst dort gelebt habe. Wieso ist es also verkehrt, das zu beschreiben? Ich habe die Menschen ja nicht als abnormal oder wild, oder sonst etwas dargestellt.
Sisa
Guten Tag, Du sprichst in deinem Artikel an, dass vor ca 15.000 Jahren Asiaten das indigen Volk in Südamerkia gebildet haben.
Mich würde interessieren aus welchen Artikeln und Veröffentlichungen du diese Informationen hast. Du hast es leider nur kurz angesprochen.
Der Artikel ist zwar schon länger her aber vielleicht bekomme ich eine Antwort.