Kuba ist nicht nur das Urlaubsparadies, das wir von Werbeplakaten und Reiseblogs kennen. Seit fast 60 Jahren ist es außerdem stark von seinem sozialistischen Regime geprägt und wirtschaftlich ruiniert. Dennoch ist sein Volk bekannt für seine Geduld und Zufriedenheit. Wie ist dieser Kompromiss möglich? Ein Reisebericht zum Nachdenken.

Wer an Kuba denkt, denkt an traumhafte Karibikstrände mit weißem Sand, Palmen und türkisen Wasser, bunte Häuser im Kolonialstil und stilvolle Oldtimer-Chevrolets in allen erdenklichen Farben. Havana Club und Che Guevara’s Cohiba-Zigarre sind uns allen ein Begriff. Und spätestens seitdem die USA ihre Sanktionen gelockert hat, All-Inclusive Hotels sich ansiedeln und europäische Fluggesellschaften kubanische Flughäfen anfliegen, wird uns dieses Bild von Kuba in zahlreichen Urlaubsportalen, Werbungen und Reiseblogs bestätigt.
Dieses Bild ist keineswegs falsch, wie ich eindrucksvoll auf meiner Reise nach Kuba erleben durfte. Aber es ist unvollständig: Kuba ist nicht nur ein Urlaubsparadies, sondern seit fast 60 Jahren auch fest in der Hand eines sozialistischen Regimes. Es werden zwar regelmäßig Wahlen veranstaltet, aber keine anderen Parteien außer der Kommunistischen Partei Kubas zugelassen. Somit herrschen seit der Revolution in den fünfziger Jahren die Castro-Brüder ununterbrochen über den Inselstaat.
Die Folgen des Sozialismus
Der Sozialismus in Kuba hat seine Vor- und Nachteile. So sind sowohl das Bildungs- als auch das Gesundheitssystem Kubas bemerkenswert gut ausgebaut: Die Alphabetisierungsrate gehört mit 99,8 Prozent zu den höchsten weltweit und die Lebenserwartung der Kubaner liegt mit circa 78 Jahren nur zwei Jahre unter der Lebenserwartung der Deutschen.
Die Nachteile des Sozialismus sind jedoch in der Wirtschaft und Infrastruktur des Landes klar erkennbar. Das durchschnittliche pro-Kopf-Einkommen liegt laut dem Auswärtigen Amt bei 26 US-Dollar im Monat. Seit die USA 1960 das Handelsembargo verhängte, herrscht Knappheit an allem und der Schwarzmarkt blüht. Mittlerweile wurden die Sanktionen bezüglich Medikamenten und Lebensmitteln gelockert, aber noch immer nicht aufgehoben.
Es mangelt auch an Infrastruktur: Das Auswärtige Amt warnt vor Stromengpässen und Beeinträchtigungen von Wasserversorgung und Kommunikationsnetzwerken. Demnach kann die Regierung aus Spargründen ganze Netze zeitweise abstellen. Einen (mehr oder weniger stabilen) Internetzugang gibt es nur an zentralen Plätzen und muss an speziellen Verkaufsstellen erworben werden. Verlässt man die für Touristen sorgfältig hergerichteten Stadtviertel, werden die Mängel offensichtlich: Metertiefe und -breite Schlaglöcher ziehen sich durch die Straßen, viele der ursprünglich prachtvollen Hausfassaden werden von Holzbalken notdürftig vorm Einsturz bewahrt. Auch der Zustand der Autos gefährdet den Verkehr: Mit regelmäßigen Pannen darf sowohl bei Taxis als auch bei Mietwagen gerechnet werden. Zugfahrten sind mit viel Geduld und Vorsicht zu genießen, denn Reparaturen und die Beschaffung von Ersatzteilen brauchen ihre Zeit und vor den Zugtoiletten wird selbst in Reiseführern gewarnt.

Das kubanische Volk – gefangen im sozialistischen Urlaubsparadies
Die Kubaner erleben somit zwei sehr kontrastreiche Welten: Einerseits leben Sie im Urlaubsparadies vieler wohlhabender Europäer und Amerikaner, andererseits sind sie von ihrem Regime in ihrer Mobilität und wirtschaftlichen Tätigkeit stark eingeschränkt. Dennoch sind sie bekannt für ihr Lachen, ihre Zufriedenheit und ihre uneingeschränkte Geduld. Sicherheit ist in Kuba kein großes Problem, das Konfliktpotenzial scheint sehr gering zu sein. Wie ist dieser Kompromiss möglich?
Staatlich wird das Aufeinandertreffen dieser zwei Welten durch zwei verschiedene Währungen sowie abgegrenzte Touristengebiete geregelt. Während die Einheimischen mit ihrer moneda nacional weiterhin extrem preiswert leben, zahlen die Touristen mit dem Peso Cubano Convertible zu Preisen, die den europäischen gleichkommen. Es gibt ganze Inseln und Strände, die nur für Touristen zugänglich sind. Diese Touristenhochburgen, wie zum Beispiel die Stadt Varadero und die Insel Cayo Coco, dürfen Kubaner nur mit Passierschein betreten und sind dort meist als Dienstpersonal anzutreffen. Um dem Touristenandrang gerecht zu werden, rief der Staat außerdem das System der sogenannten casas particulares ins Leben. Dieses System ermöglicht Einheimischen in allen Städten, ihre Gästezimmer an Touristen zu vermieten – natürlich staatlich kontrolliert.
Doch außerhalb dieser staatlichen Regulierungen beweisen die Kubaner viel Kreativität und Überlebenskunst. Viele profitieren stark von den Devisen ihrer Freunde und Verwandten, die es trotz der bis 2012 beinahe unmöglichen Ausreise ins amerikanische Exil geschafft haben. Doch wenn die Hilfe aus dem Ausland nicht ausreicht, muss man sich vor Ort zu helfen wissen. Die Autos und technischen Geräte werden notdürftig immer wieder selbst repariert. Im Straßenverkehr ersetzen Handzeichen die Beleuchtung und Beschilderung. Zwischen den Inhabern der casas particulares und Taxifahrern sind landesweit Netzwerke entstanden, die Touristen unabhängig von den staatlichen Busunternehmen eine angenehme Reise und den Kubanern ein gesichertes Einkommen ermöglichen. Per Telefon, denn Internet gibt es ja kaum. Private Taxifahrer bieten auch an Busbahnhöfen ihre Dienste an – falls die Busse wie so häufig überfüllt sind. Viele Kubaner verkaufen selbstgemachte Säfte und einfache Speisen durch ihr eigenes Küchenfenster hindurch zur Straße, seit 2012 die Selbstständigkeit erlaubt ist. An den Fernstraßen wird Selbstgesammeltes und Gejagtes zum Verkauf angeboten, darunter Knoblauchknollen und Truthähne. Mit Geduld und Kreativität sichern die Kubaner jeden Monat aufs Neue ihre Existenz. Wie viel von diesem Einkommen tatsächlich noch von der Regierung kontrolliert werden kann, ist fragwürdig.
Es ist schwierig, sich als europäischer Tourist eine unbefangene Meinung über dieses System zu bilden. Was mich persönlich am kubanischen System am meisten stören würde, wären die Freiheitseinschränkung und Kontrolle über meine Mobilität und wirtschaftlichen Tätigkeiten. Die Kubaner scheinen sich trotz der vielen Touristen, die ihnen täglich vorführen, dass es auch anders geht, von diesem Ärgernis nicht groß stören zu lassen. Im Gegenteil: Ihre Bildung und Gesundheit sind gesichert, was in vielen anderen Ländern dieser Welt längst keine Selbstverständlichkeit ist. Der Rest wird sich schon regeln lassen – mit viel Geduld und Kreativität. Und was nützt es schon, sich aufzuregen? Ein bisschen mehr von dieser Grundzufriedenheit sowie ein Bewusstsein dafür, dass unsere Möglichkeiten bei Weitem nicht selbstverständlich sind, würde ich mir auch für uns Europäer wünschen… und muss mich stets selbst daran erinnern.
Interessanter Bericht, der auch zum Nachdenken anregt. Ich habe vor einigen Jahren einen Sprachaufenthalt in Havanna gemacht und auch da war es schon sehr touristisch und ich habe mir ähnliche Fragen gestellt, wie dieses Gleichgewicht gehalten wird.