Jeder kennt ihn und jeder meidet ihn – den bekannten Herzschmerz. Es ist viel mehr als nur Liebeskummer. Ganz besonders schmerzhaft ist es jedoch, wenn eine Beziehung nicht aufgrund von offensichtlichen Verschiedenheiten zugrunde geht. Gerade wenn beide einander noch lieben, aber verschiedene Wege gehen wollen, ist der Schmerz besonders groß.
Die Antwort darauf, warum es so ist, liegt auf der Hand: Gibt es einen konkreten Grund, einen Streit, einen Betrug, dann ist die Sache klar. Wir können uns entweder dafür entscheiden, zu verzeihen, auszudiskutieren und weiterzumachen – oder eben nicht. Dann ist in der Regel unser Vertrauen in die Person enttäuscht worden oder wir realisieren, dass wir mit einer Täuschung gelebt haben. Vielleicht ist es sogar so tiefgreifend, dass wir noch jahrelang daran zu knabbern haben werden.
Was aber, wenn wir den Partner lieben, er uns ebenso, und dennoch merken, dass es nicht passt? Wir sind alle so vielseitig und unterschiedlich, dass es manchmal unmöglich scheint, den für uns perfekten Partner in puncto Weltanschauung, Ziele und Träume zu finden. Wenn wir jemanden haben, der diesem unseren Ideal entspricht, ist es ganz besonders schwierig loszulassen. Denn innerlich fragen wir uns immer: Warum? Warum funktioniert es nicht? Warum können wir nicht einfach zusammen sein?
Von Luft und Liebe – eher nicht
An einer Sache hat sich in all den Jahrhunderten kaum etwas geändert: Zu einer Beziehung gehört mehr als nur die Liebe allein. Würde die Liebe allein darüber entscheiden, ob Menschen zusammenbleiben oder nicht, wäre es einfacher. Denn entweder liebt man, oder eben nicht, damit wäre alles gesagt. Aber es ist nicht so. Unsere Liebe kann mächtig und sinngebend sein, aber sie kann nicht alles stemmen und kompensieren. Und das muss sie auch gar nicht. Für viele Dinge sind auch wir selbst verantwortlich. Hinzu kommt leider auch noch, dass wir unserer Liebe zu viel zumuten können, sei es durch unseren übermäßigen Egoismus, unsere Rücksichtslosigkeit oder auch einfach fehlende Wertschätzung.
Leider wird es gerade in unserer Welt der unendlichen Möglichkeiten immer schwieriger, sich festzulegen und zu binden. Warum sollte man eine Tafel Schokolade nehmen, wenn es noch so viele andere Sorten gibt, die man probieren könnte? Wir stehen also manchmal vor einer nicht ganz einfachen Entscheidung: Vollmilch oder Zartbitter? Die Welt bereisen oder doch sesshaft werden? Bürojob oder maximale Freiheit? Oder schaffen wir es vielleicht doch irgendwie, von beiden Tafeln Schokolade zu kosten und den Mund nicht zu voll zu haben? In der Regel schaffen wir es nicht, denn die Entscheidung für eines schließt meistens das andere aus. Und Entscheidungen sind am Ende das, was unser Leben lenkt und die Richtung ausmacht, in die wir steuern.
Unsere Perfektionisten-Brille
Auch wenn wir einen Menschen innig lieben, so haben wir auch bestimmte Ansprüche und Wünsche an eine Beziehung. Wir alle haben dieses eine Idealbild, wie es sein sollte. Wenn wir immer wieder die Realität damit abgleichen, kann unser Idealbild ganz schön ins Wanken geraten und auf Dauer auch nicht standhalten. Wenn unsere Erwartungen an die Realität zu hoch sind, wenn wir etwas Unmögliches von der Liebe erwarten, dann ist es irgendwann zu viel. Natürlich verändert sich auch die schönste Liebe irgendwann, sie wächst und inspiriert uns, sie gibt uns Kraft und Halt. Manchmal aber zerbricht sie an der Realität. Wenn wir es nicht erkennen, werden wir uns womöglich immer wieder fragen, warum. Ohne darin wirklich unseren Anteil zu sehen. Liebe besteht auch aus Entscheidungen. Und wenn unsere Entscheidungen für die Liebe ausfallen, aber damit gegen uns selbst gehen, müssen wir es hinterfragen.
Unsere Prioritäten: Der Realitätscheck
Wenn es um Prioritäten geht, glauben wir oft, dass sie bei uns eindeutig wären. Unsere Prioritäten sind, wenn man uns danach fragt: Partner, Familie, Freunde und vielleicht Hobbies. Aber im Realitätscheck sieht es vielleicht eher so aus: Arbeit, Hobby und vielleicht Freunde. Wir glauben vielleicht, dass unser Partner sowieso da ist, dass wir ohnehin alles zusammen machen und dadurch schleicht sich trotz aller Liebe eine Selbstverständlichkeit ein, die uns und der Beziehung schaden kann. Vielleicht ist das auch ein Hinweis darauf, dass wir weiterziehen sollten. Dass wir loslassen sollten, damit wir uns selbst wiederfinden. Nicht selten finden wir durch eine solche Trennung uns selbst und auch den Partner wieder, um die Beziehung auf eine neue Ebene zu bringen.
Der Schmerz ist dein Freund
Nein, du hast dich nicht verhört. Wenn wir emotionalen Schmerz spüren, dann sind wir plötzlich gezwungen, etwas zu verändern. Uns zu verändern. Unsere Sichtweise und Überzeugungen. Schmerz ist immer auch eine Aufforderung des Lebens und der Liebe dazu, daran zu wachsen und weiser zu werden. Dank dem Schmerz lernen wir Mitgefühl, Liebe, Fürsorge und Empathie. Wir lernen, uns selbst zu verstehen und uns selbst zu helfen. Es lässt sich also zusammenfassen, dass unser Schmerz ein guter Lehrmeister ist, der uns letztendlich zu einem besseren Menschen macht. Deswegen können wir es getrost als das sehen, was es ist: Es ist eine Aufgabe, eine Etappe und ein weiteres Level in unserem Leben. Auch wenn der Schmerz manchmal unerträglich ist, werden wir durch ihn zu denen, die wir sind. Und wir werden ihn auch irgendwann nicht mehr fühlen, wenn wir unsere Lektion gelernt haben.
Genau deswegen ist es eine wirklich bedeutsame Erfahrung, einen Menschen loszulassen, den man liebt, damit beide sich finden und vielleicht auch wiederfinden können. Aber das Wiederfinden ist keine Voraussetzung, eher eine Option, die vielleicht niemals stattfindet. Es hilft uns zuweilen, Trost zu finden und den ersten Schmerz darüber zu ertragen. Es gibt uns Hoffnung und Zuversicht, das Gefühl, dass etwas nicht umsonst passiert. Und so ist es auch. Jede Erfahrung die wir machen und jeder Schmerz den wir erleben, ist eine Lektion, die wir meistern müssen, um weiterzukommen. Loslassen bedeutet nicht, weniger zu lieben. Es bedeutet manchmal sogar, mehr zu lieben, als wir ertragen und auch mittragen können. Loslassen ist das, was uns wieder Flügel verleiht, damit wir höher steigen können.
Christian
Schöner Artikel. Musste dieser Erfahrung leider auch schon ein paar mal machen…