Monatelang hat sich unsere Autorin unermüdlich für eine ambitionierte Klimapolitik engagiert – bis irgendwann gar nichts mehr funktionierte. Wie sie damit umgegangen ist, berichtet sie in diesem Artikel.
Erschöpft, frustriert und hoffnungslos – so beschreibe ich meinen Zustand nach dem globalen Klimastreik im September 2021. Zuvor hatte ich mich monatelang unermüdlich in verschiedenen Kontexten für eine ambitioniertere Klimapolitik eingesetzt. Danach ging gar nichts mehr.
Mit meiner mentalen Überlastung erreichte ich einen Punkt, an dem ich nichts mehr vom Klima hören wollte. Mein Körper assoziierte es nur noch mit Stress und gewährte dem Thema keinerlei Zugang mehr. Gleichzeitig suchte ich verzweifelt nach der Selbstwirksamkeit, die ich irgendwo zwischen Kundgebungen und Klimatologie-Vorlesungen verloren hatte. Wie konnte es sein, dass sich nach so viel Einsatz der gesamten Bewegung noch immer nichts verändert hatte? Und wie konnte es sein, dass ich nun so kraftlos war und mich nicht mehr dazu bringen konnte, mich für eine Bewältigung dieser existenziellen Krise einzusetzen? Es ist doch so dringend.
Das Klima kennt nun mal keinen Feierabend
Dieses Phänomen, welches sich als „Aktivismus Burnout“ bezeichnet und bisher nicht als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt ist, resultiert wie das klassische Burnout aus chronischem Stress. Sich Kampagnen überlegen, Aktionen planen und ständig mit der Klimakatastrophe konfrontiert zu sein, bedeutet immerhin eine enorme Last – sowohl psychisch als auch physisch. Das bestätigt auch die Initiative „Psychologists for Future“ im Gespräch mit dem SPIEGEL. Die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Problemen sei, gerade bei einem hohen Handlungsdruck, nur selten pünktlich zum Feierabend abgeschlossen. Betroffene sehen sich fast 24 Stunden, 7 Tage damit konfrontiert. So habe auch ich es erlebt.
Schon nach kürzester Zeit hatte ich mich vollkommen in der Welt des Klimaaktivismus verloren. Außerhalb dieser Blase habe ich nichts mehr akzeptiert. Mein Terminkalender war neben Vorlesungen und Lohnarbeit überfüllt mit Videokonferenzen, der Arbeit an Redebeiträgen und sonstigen Projekten zur Bewältigung dieser Katastrophe. Der Begriff „Pause“ entwickelte sich zum verbotenen Wort. Ich vergaß komplett, auf mich zu achten. Dass dieser Zustand in eine vollständige Erschöpfung münden würde, wäre zu erwarten gewesen. Als ich mir dessen bewusst geworden bin, war das Kind jedoch bereits in den Brunnen gefallen.
Es gibt immer bessere Aktivist*innen
Zugegebenermaßen habe ich mich in meinem Verhalten auch von den sozialen Medien beeinflussen lassen. Was auch sonst? Selbstverständlich stellen Instagram, Twitter und Co. ein ausgezeichnetes Mittel zur Vernetzung und Mobilisierung dar. Genauso üben diese Medien aber auch einen immensen Druck auf Aktivist*innen aus. So wie wir es auch aus anderen Bereichen kennen, machen sie es Menschen zu leicht, sich mit anderen zu vergleichen. Es gibt schließlich immer Aktivist*innen, die irgendwie besser, fleißiger und aktiver sind oder zumindest den Anschein machen, so zu sein. Ich wollte zu ihnen dazugehören. Wie viel ich bereits leistete, zählte nicht mehr.
Es liegt aber nicht nur am gesellschaftlichen Druck. Im Allgemeinen lassen sich laut „Psychologists for Future“ zusätzlich zu den äußeren Faktoren, wie Arbeitsbedingungen, noch sechs weitere, innere Faktoren für die Entstehung eines Burnouts benennen: strenger Perfektionismus, Sorgen & Grübeln, Abgrenzungsfähigkeit, Selbstwertgefühl, Vermeidung von Gefühlen und ein mangelnden Ausgleich zu den aktivistischen Tätigkeiten. Um diesen Faktoren angemessen zu begegnen, gibt es diverse Möglichkeiten zur Selbstreflexion, welche die Initiative in einem öffentlichen Dokument auflistet.
Balance zwischen Aktivismus und Achtsamkeit
Bei mir hat es nahezu ein halbes Jahr gebraucht, bis ich mich wieder auf die Problematik einlassen konnte. Diese Pause war legitim. Das weiß ich. Auf lange Sicht hat mich diese Erfahrung wachsam gemacht und mir zu verstehen gegeben, was es bedeutet, nachhaltigen Aktivismus zu betreiben.
Es braucht das Bewusstsein, dass sich die Welt zwar nicht von allein rettet, aber ich allein die Welt auch nicht retten kann. Die Klimakatastrophe ist einfach zu allumfassend, als dass sie von einem einzigen Menschen bewältigt werden könnte. Es ist ein Kraftakt, der das Kollektiv erfordert. Genauso ist es wirkungslos, wenn wir uns völlig verausgaben, bis irgendwann gar nichts mehr funktioniert. Immerhin ist der ständige Produktivismus in gewisser Weise auch ein Bestandteil unserer Systemkritik.
Also, Nachricht an alle meine Mitaktivist*innen: Gönnt euch eine Pause, beschäftigt euch mit etwas Anderem und lasst die Welt gelegentlich einfach mal nur Welt sein.
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