Christl aus Oberbayern ist eine heimliche Heldin. Nicht nur, weil sie immer für ihre acht Kinder da ist, sondern auch, weil sie sich um ihren Ehemann – seit zehn Jahren ein schwerer Pflegefall – liebevoll kümmert. Christl ist eine von elf Millionen Müttern in Deutschland, die meistens im Hintergrund wirken, ohne die aber nichts funktionieren würde. Zum Muttertag die Geschichte einer Supermutter.
Den Samstag des 10. November 2007 wird Christl wohl nie vergessen. Bei ihrem Mann Josef stellen sich zunächst Magenschmerzen, bald darauf auch hohes Fieber ein. Als es schlimmer wird, verständigt sie in der Nacht zum Sonntag den Notarzt, der Josef ins Krankenhaus einweist. Dort ziehen sich die Untersuchungen und die Wartezeiten hin. Am Sonntagmittag klappt Josef im Krankenhausbett plötzlich zusammen: Herzstillstand. Christl schlägt Alarm und schon bald ist das ganze Zimmer voller Ärzte: Reanimation. Christl hofft und bangt und denkt sich die ganze Zeit: „Es darf nicht sein.“ Die Reanimation glückt. Wie sich später herausstellen sollte, hatte Josef einen Blinddarmdurchbruch und musste infolge dessen wiederbelebt werden. Josef wird ins künstliche Koma versetzt und auf die Intensivstation verlegt. Christl wird von den Ärzten nach Hause geschickt, wo ihre acht Kinder warten.
Alleine mit acht Kindern – die Jüngste ist drei Jahre alt
Dass es um ihren Mann viel schlechter bestellt ist, als Christl glaubt, erfährt sie nicht sofort. Zunächst heißt es, dass Josef noch nicht aus dem künstlichen Koma aufgeweckt werden kann. „Ich war voller Hoffnung, dass es wieder gut wird.“ Weil sein Gehirn aber zu lange von der Sauerstoffzufuhr abgeschnitten war, stellen sich schwere Folgeschäden ein. Josef kann nicht mehr sprechen oder sich verständlich artikulieren. Er muss künstlich ernährt werden und ist entweder ans Bett oder an den Rollstuhl gefesselt. „Erst mit der Zeit wird einem das volle Ausmaß bewusst.“ Christl ist von nun an auf sich alleine gestellt. Christoph der älteste Sohn der Kinder ist zu diesem Zeitpunkt 17, Magaretha die Jüngste gerade mal drei Jahre alt.
„In welches Heim soll Ihr Mann?“
Die nächste Zeit ist geprägt von der Reha. Doch Fortschritte sind kaum erkennbar. „Alle drei Wochen musste ich zum Rapport. Und dann war die Frage, ob man mit der Reha weitermacht oder nicht. Denn wenn sich beim Patienten Stillstand abzeichnet, zahlt die Krankenkasse die Reha nicht mehr.“ Die Ärzte treten schließlich mit der Frage an Christl heran: „In welches Heim soll Ihr Mann?“
Christl ist zu diesem Zeitpunkt schon überzeugt, dass ihr Mann alles versteht und weiß, was um ihn herum passiert. „Als ich ihm einmal schöne Grüße von seinem Chef ausrichten sollte, sind ihm die Tränen runtergelaufen. Und auch die Geschichten von daheim haben ihn total berührt. Mir war klar: Wenn ich ihn ein Pflegeheim gebe, dann gibt er sich ganz auf.“ Doch die Ärzte sind strikt dagegen: „Wir haben kein gutes Gefühl, wenn wir Ihnen den Mann nach Hause geben. Sie haben ja acht Kinder.“ Christl wankt. Was soll sie tun? Da passiert etwas schier Unglaubliches. Bei einem Besuch im Krankenhaus haut Josef auf das Tablett und sagt deutlich vernehmbar: „Hoam mögert i (Heim mag ich).“ Das erste und letzte Mal, dass er sich verständlich artikulieren konnte.
„Der heroischste Akt meines Lebens“
Christl fällt eine Entscheidung, die sie später als den heroischsten Akt ihres Lebens bezeichnet. Sie will es zumindest probieren, Josef zu Hause zu pflegen. „Auch wenn mein Mann nur ein Jahr daheim sein kann, dann hatte er wenigstens dieses eine Jahr.“ Gegen den Rat der Ärzte kommt Josef also zurück nach Hause. Doch die Sache gestaltet sich komplizierter als gedacht. Josefs Immunsystem ist stark geschwächt. Es folgen Fieberschübe. Die Pflegekosten sind mit über 8.000 Euro pro Monat immens und die Krankenkasse übernimmt nur einen Bruchteil. Hinzu kommt der Haushalt und die Erziehung der Kinder. „Am Anfang wären wir beinahe alle durchgedreht. Und dann immer die Frage: Was soll ich nur tun? Es ist doch mein Mann, der Vater meiner Kinder.“
„Du musst an die Öffentlichkeit“
Bald schon wird klar, dass die finanzielle Belastung auf Dauer nicht tragbar ist. Doch da kommt spontane Unterstützung. Die Pfarrei vor Ort hilft unbürokratisch, die nächsten drei Monate zu überbrücken. „Dann sieht man ja, in welche Richtung es geht“, sagt der Pfarrer. Christl versucht derweil, weitere Hilfen zu organisieren. Doch das Landratsamt lehnt ihren Antrag auf Sozialhilfe für Pflegebedürftigkeit ab. Die Krankenkasse beharrt darauf, dass ihr Mann „nur“ Pflegestufe zwei ist. Was tun? Eine Freundin rät ihr, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Das ist aber überhaupt nicht Christls Sache. Doch zu diesem Zeitpunkt ist sie so fertig, dass sie sich einverstanden zeigt. Zuerst kommt die Zeitung, später das lokale Fernsehen. Plötzlich steht ein Mitarbeiter der Krankenkasse vor der Haustür und erklärt, dass eine Überprüfung des Falls ergeben hat, das ihr Mann doch Pflegestufe drei ist.
Eine Welle der Unterstützung
Josefs Zustand hat sich zwischenzeitlich verbessert. „Das war der Anfang der Normalität. Wir haben ihn versucht, so gut es eben geht in den Arbeitsalltag einzugliedern. So oft wie möglich haben wir ihn in den Rollstuhl gesetzt und sind spazieren gegangen oder mit ihm auf die Terrasse.“ Bei Josef kehrt der Lebensmut zurück. Doch die finanziellen Sorgen bleiben. Bis eine Welle der Unterstützung einsetzt. Christl erhält viele Spenden. „Bei fast jeder Benefizveranstaltung im näheren Umkreis wurde für uns gesammelt.“ Sie ist heute noch dankbar dafür. Aber auch für die zeitaufwändige persönliche Hilfe von vielen Verwandten und Bekannten.
Berg- und Talfahrt
Im Laufe der Zeit geht es mal auf und mal ab. „Manchmal ist es sehr schwer und zwischendrin ist man schon verzweifelt. Doch man kommt da auch wieder raus.“ Ihre positive Lebenseinstellung hilft Christl weiter und ihr Glaube an Gott: „Gott gibt einem die Kraft, die man braucht.“ Bei einem gemeinsamen Urlaub in den Bergen (eine Spende) geht es Josef sogar so gut, dass sie ihn mit dem Rollstuhl in die Gondel setzen und oben am Berg gemeinsam die Aussicht genießen können. Es sind Augenblicke mit Seltenheitswert, doch sie helfen weiter und geben neue Kraft. Ein anderes Mal fährt sie eines ihrer Kinder zum Bewerbungsgespräch für einen Ausbildungsplatz in die Bank. Christl ist nicht ganz sorgenfrei, denn viele Alternativen sind gerade nicht zur Auswahl: „Aber im Radio lief gerade: Don’t worry be happy und so war es dann auch. Mein Sohn hat den Ausbildungsplatz bekommen.“
„Ich mag mit niemanden tauschen“
Trotz aller Schwierigkeiten und Anstrengungen möchte Christl mit niemanden tauschen: „Die große Familie ist so eine Fülle und so ein Geschenk. Besonders, wenn an den großen Festen wie Weihnachten oder Ostern alle beisammen sind, herrscht immer eine festliche Stimmung, auch wenn es dann schonmal im Vorfeld Krach gegeben hat.“ Besonders freut sie sich schon auf den kommenden Samstag. Da ist die ganze Familie zur Hochzeit des ältesten Sohnes versammelt. Der Muttertag fällt daher am Sonntag wohl eher mager aus.
Johannes
Ich hab schon mal persönlich mit dieser Mama gesprochen.
Es ist erfrischend schön sie zu erleben. Jedes Wort war mit Herzlichkeit, Mut und Vertrauen auf Gott geprochen!
Mich hat das tief berührt
Gott möge Sie und Ihre Familie segnen und weiterhin auf ihrem persönlichen Heilsweg bestärken!!!