Der Kurienerzbischof Georg Gänswein wurde 1984 zum Priester geweiht und 1996 von Joseph Kardinal Ratzinger in die Kongregation für die Glaubenslehre berufen. Gänswein war Privatsekretär von Papst Benedikt XVI. Nach dessen Amtsverzicht blieb Gänswein Präfekt des Päpstlichen Hauses und kümmert sich heute um die Amtsgeschäfte von Papst Franziskus. f1rstlife hatte die Gelegenheit, ihm drei Fragen zu stellen.

Sie haben den Missbrauch als 9/11 der Katholischen Kirche bezeichnet. Was kann die Kirche tun, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen?
Vertrauen setzt immer voraus, dass ich glaubwürdig bin. Wo ein Verlust an Glaubwürdigkeit da ist, da muss ich alles tun, um diesen Verlust wett zu machen. Nicht mit Strategien, irgendwelchen künstlichen Aktionen, sondern einfach mit Klarheit, mit Mut, mit Ehrlichkeit oder – um es mit einem Modewort zu sagen – mit Transparenz. Und wir haben mehr zu geben, als wir manchmal glauben. Es geht nicht darum, dass der Priester sich selbst darstellt als großartige Persönlichkeit, sondern der Priester soll das Erlösungswerk Jesu Christi fortsetzen. Darum geht es auch heute in der schweren Situation, in der wir leben. Aber schwierige Situationen sind Herausforderungen, denen man sich stellen muss und die man mit der Hilfe Christi auch überwinden kann. Das ist meine feste Überzeugung, auch und gerade im Hinblick auf die Priesterausbildung.
Wie kann die Kirche jungen Leuten bei der Sinnsuche helfen?
Meines Erachtens ist es so, dass die Kirche jungen Menschen am meisten hilft, wenn sie ganz klar sagt, wie sie das Priestertum sieht und wie es ist, welche Lebensweise sie für die angemessenste hält, die ein Priester eingehen soll und dass das ganz normal, natürlich, entschieden überzeugend gesagt wird. Dann aber auch die Einladung erfolgt, sich auf diesen Weg zu machen. Davon bin ich überzeugt, dass es hilft, aus dieser schwierigen Situation herauszukommen und nicht nur aus dieser Krise herauszukommen, sondern eine neue Perspektive zu eröffnen für junge Menschen, die eben auf der Suche nach dem Sinn ihres Lebens sind – aber auch über ihr Leben hinaus.
Wie haben Sie herausgefunden, dass Sie zum Priester berufen sind?
Für mich war es entscheidend, dass ich vor der Oberprima gespürt haben: Ich muss irgendwohin, um zu suchen, um Fragen nicht nur zu stellen, sondern auch Antworten zu bekommen nach dem Sinn des Lebens. Da habe ich zuerst an die Theologie gedacht und die Philosophie, die mir geholfen haben. Im Priesterseminar habe ich Personen erlebt, vor allem einen geistlichen Leiter, der mir durch all meine inneren Schwierigkeiten hinausgeholfen hat und Schritt für Schritt bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass das wirklich mein Weg und meine Berufung und mein Lebensziel ist. Das ist in wenigen Sätzen umrissen, aber der Prozess hat einige Jahre gedauert.
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