Wer etwas falsch macht, wird oft von der Öffentlichkeit vernichtend verurteilt. Auch Jesus kam in eine ähnliche Situation. Wie er gehandelt hat, berichtet unser Autor Benedikt Bögle.

Es ist ja irgendwie wichtig, sich über andere Menschen ein Urteil zu bilden. Auch wenn wir das manchmal nur ungern hören: Wir stecken Andere in Schubladen. Schon die erste Begegnung, ein erster Satz kann genügen, jemanden zu mögen oder unsympathisch zu finden. Diese Etiketten, die wir anderen anheften, können wir nur schwer revidieren. Manchmal gelingt es, manchmal nicht. Wir bilden Urteile.
Jesus und die Ehebrecherin
Im Evangelium des fünften Fastensonntags (Johannes 8,1-11) wird Jesus aufgefordert, sich ein Urteil zu bilden. Seine Gegner bringen eine Frau zu ihm, die auf frischer Tat beim Ehebruch ertappt worden war. Das Gesetz des Mose sieht für diese Tat die Todesstrafe vor. So: Jesus soll jetzt entscheiden, was zu tun ist. Die Situation ist sehr verzwickt, denn im Kern ist das eine schwere Probe für Jesus.
Egal was er sagt, es kann nur vernichtend enden. Spricht er sich gegen die gebotene Steinigung der Frau aus, wird man ihm ernsthaft die Frage stellen, ob er sich gegen das Gesetz des Mose stellen möchte. Plädiert und forciert er jedoch die Todesstrafe, kommt er nicht nur mit den römischen Machthabern in Konflikt, sondern auch mit seinen eigenen Aussagen. Schließlich hatte er immer Barmherzigkeit gepredigt.
Eine gefährliche Falle
Jesus soll urteilen, kann es aber eigentlich gar nicht. Die Falle ist – das muss man den Feinden Jesu wirklich lassen – genial: Schon sieht man Jesus straucheln und fallen. Er aber tut etwas sehr ungewöhnliches: „Jesus bückte sich und schrieb mit den Fingern auf die Erde.“ Er bringt irgendwie Ruhe in diese aufgeheizte Situation, um – rhetorisch – zum entscheidenden Schlag auszuholen. Er sagt einen einfachen Satz in die Runde, der das Leben der Frau retten sollte: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.“
Wer wird die Frau verurteilen?
Es dauert, aber alle gehen fort. Die Ältesten zuerst – die Jüngsten zuletzt. Jesus hat die Situation überstanden. Er hat es geschafft, keine der beiden verheerenden Möglichkeiten zu wählen, und gleichzeitig noch eine Lehrstunde über das Urteilen abgehalten. Denn: Jesus redet die Situation nicht schön. Er heißt nicht den Ehebruch der Frau gut oder ermuntert sie gar in ihrem Tun. Aber er sagt: „Auch ich verurteile dich nicht.“ Das hat nichts mit moralischer Indifferenz zu tun, die alles gutheißt. Aber Jesus macht einen ganz entscheidenden Unterschied:
Er differenziert zwischen der Sünde und der Sünderin. Die Sünde ist immer schlecht. Sie darf nicht nur, sondern muss sogar verurteilt werden. Der dahinterstehende Sünder aber ist nicht das Objekt der göttlichen Verurteilung, sondern seines Heilsplans. Jesus verurteilt die Frau nicht und gibt damit in der Einfachheit dieser Szene eine große Handlungsanweisung an alle Menschen weiter: Urteilt nicht!
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