Weinend standen die Spielerinnen der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft am 9. Juli 2011 auf dem Rasen der Wolfsburger Arena. Da halfen auch die tröstenden Worte von Theo Zwanziger und der aufmunternde Beifall der Zuschauer nichts. Kurz zuvor, in der 108. Spielminute im Viertelfinale der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft, schoss Karina Maruyama das Siegtor für ihre Japanerinnen – und versetzte damit ein ganzes Land in Enttäuschung. Der Gastgeber und Favorit aus Deutschland musste sich gegen den späteren Turniersieger Japan geschlagen geben.
Ein Sommermärchen 2.0 sollte es werden, die Randsportart Frauenfußball mehr ins sportliche Interesse der Gesellschaft rücken. Unter dem Motto „20elf von seiner schönsten Seite!“ wollte Deutschland genau wie bei den Männern im Jahr 2006 beweisen, dass es ein weltoffenes Land, ein guter Gastgeber und zuverlässiger Organisator für Großveranstaltungen sein kann. Tatsächlich waren die Stadien gut gefüllt, das Turnier hatte spannende Spiele zu bieten und die Fernsehsender erzielten Einschaltquoten, mit denen vorher wohl kaum jemand gerechnet hätte.
Alltagsfrust
Heute, keine drei Jahre später, ist von dieser Euphorie kaum noch was zu spüren: Der von vielen Fans erhoffte Hype und Anstieg der Popularität blieb aus. Bereits kurz nach der WM äußerte sich der damalige DFB-Präsident und bekennende Frauenfußball-Fan Theo Zwanziger durchaus kritisch: „Wenn jemand ernsthaft glaubt, dass dieses nationale Event Frauen-WM auf die Bundesliga zu übertragen ist und dort einen Hype auslöst, der hat vom Fußball keine Ahnung.“ Eine Aussage, die für viele Interessierte an Frauenfußball wie ein Schlag ins Gesicht war. Aber er sollte Recht behalten. Obwohl es zunächst so aussah, als würde die WM 2011 tatsächlich etwas bewirken: In der auf das Turnier folgenden Saison kamen ligaweit durchschnittlich mehr als 1.100 Zuschauer in die Stadien. Damit lag der Schnitt erstmalig in der Geschichte der Frauen-Bundesliga bei über 1.000 Besuchern.
Schon ein Jahr später erhielt die aufkommende Euphorie der Verantwortlichen allerdings wieder einen herben Dämpfer: Trotz niedriger Eintrittspreise von vier bis 12 Euro sanken die durchschnittlichen Zahlen wieder auf etwas mehr als 800 Fans pro Spiel. Doch nicht nur das Interesse der Zuschauer ging immer mehr zurück, auch potenzielle Sponsoren und Geldgeber stellten ihr Engagement nach und nach ein. Als erste Konsequenz sank die Anzahl der reinen Frauenfußballvereine deutlich. So gründete sich der SC 07 Bad Neuenahr nach einem Insolvenzverfahren im vergangenen Jahr neu und der FCR 2001 Duisburg wurde nach langem hin und her durch den MSV Duisburg übernommen. Aber auch der Hamburger SV sorgte bereits 2012 für einen Aufschrei in der Szene: Ohne ersichtlichen Grund stellte der Traditionsverein sein Engagement im Frauenfußball ein und zog seine durchaus erfolgreich spielende Mannschaft aus dem Bundesligabetrieb zurück.
Schattendasein
Die fehlende mediale Präsenz ist im profitorientierten Leistungssport das wohl größte Manko des Frauenfußballs. Medien sind Themensetzer – der Frauenfußball ist auf der Agenda oft nicht dabei. Im Programm der großen Fernsehsender können Fußball spielende Frauen meist nur bei Europa- oder Weltmeisterschaften beobachtet werden. Die heimische Liga bekommt lediglich einen Sendeplatz, wenn der Meister oder DFB-Pokalsieger feststeht, oder gerade nichts Spannenderes in der Sportwelt passiert ist. Die Bundesliga-Partie zwischen dem FC Bayern München und dem damals noch existierenden FCR 2001 Duisburg verfolgten auf Eurosport vor wenigen Wochen gerade einmal 240.000 Zuschauer – für einen Sendeplatz bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD oder ZDF zu wenig. Dennoch ist der Vertrag mit Eurosport über die Ausstrahlung einer Partie pro Spieltag eine Chance, die es zu nutzen gilt. Das sieht auch Steffi Jones, Direktorin beim Deutschen Fußball-Bund und ehemalige deutsche Nationalspielerin so: „Eurosport würde sich ganz bestimmt nicht für etwas entscheiden, was sie nicht verkaufen können. Für uns ist das eine gigantische Chance – immerhin wird ein Top-Spiel übertragen.“
Diese Chance müsste man nutzen, um in allen Medien-Bereichen mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Denn auch im Internet sind Beiträge an qualitativ hochwertigen Artikeln eher Mangelware. So sagen die Google-Treffer der beiden Spitzenteams schon vieles über den Stellenwert in der deutschen Gesellschaft aus. Der Suchbegriff „FC Bayern München“ bringt dem Nutzer binnen weniger Sekunden mehr als 7,1 Millionen veröffentlichte Artikel, Bilder und Videos – bei den Männern wohl gemerkt. Mit „1. FFC Frankfurt“, dem Bayern München des Frauenfußballs der vergangenen 20 Jahre, ist der Suchende nicht so erfolgreich – hier bringt es Google auf gerade mal 1,2 Millionen Ergebnisse. In die wirklich relevante Presse verirrt sich nur selten ein Wort über die „Randsportart Frauenfußball“. Die Artikel in den Zeitungen unterstreichen – wenn sie denn überhaupt den Frauenfußball thematisieren – dagegen eher den Status als Randthema. Auf den Titelseiten ist das Thema sowieso nicht zu finden, und es ist auch nicht in der Lage, ganze Seiten zu füllen. Es sei denn, es ist gerade mal eine WM im eigenen Land.
Apropos: „Ich hoffe, dass wir in fünf Jahren durchschnittlich bis zu 5.000 Zuschauer pro Partie erreichen“, sagte Steffi Jones im September vergangenen Jahres. Ein hoch gegriffenes Ziel. Wenn sich an der fehlenden medialen Aufmerksamkeit nichts ändert und Sponsoren weiter fern bleiben, wohl kaum zu erreichen. Vielleicht gelingt dies aber durch einen Erfolg bei der im kommenden Jahr stattfindenden Weltmeisterschaft in Kanada – falls diese in Deutschland überhaupt übertragen wird.
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