Familie – das ist mehr als nur die bekannte Konstellation aus verheirateten „Mutter und Vater“ mit einem oder zwei Kindern – wie wir es früher gerne gespielt haben und aus unseren Kinderbüchern kannten. Familie ist vielfältig, bunt und wird in verschiedensten Kulturen gelebt. Deshalb habe ich mich für euch auf die Suche begeben, nach unterschiedlichen Familien und sie nach ihren individuellen Weihnachtstraditionen gefragt. Diese wunderschöne Vielfalt mit dem vereinenden Wunsch nach „Zusammenkommen mit den Liebsten“ möchte ich dir hier vorstellen. Vielleicht findest du dich irgendwo wieder, vielleicht entdeckst du aber auch eine Tradition, die du gerne übernehmen möchtest.
Natürlich gibt es kein Patentrezept für eine „richtige“ Familie. Ich finde, dieser Begriff kann sehr weit gefasst sein. Manche Menschen sind lieber mit ihrer Wahlfamilie (guten Freunden) zusammen als mit ihrer biologischen, weil sie sich bei letzterer nicht akzeptiert fühlen. Mein Antrieb für diesen kleinen, selbstverständlich nicht allumfassenden, Rundumblick über verschiedene Familien aus meinem (erweiterten) Bekanntenkreis war es, zu zeigen, wie vielfältig Familie sein kann und wie spannend es ist, dass die unterschiedlichsten Traditionen und Beweggründe dahinter uns doch alle am Ende viel mehr vereinen, als man so denken mag. Es würde mich sehr freuen, wenn dieser Artikel zu einem größeren Verständnis und Gemeinschaftsgefühl beitragen könnte.
Ich wünsche dir viel Spaß beim Lesen und eine wunderschöne Weihnachtszeit mit deinen Liebsten.
Frohe Weihnachten😊!
Catarina
Christliche Weihnachtstraditionen aus Armenien
Astighik kam vor sechs Jahren aus Armenien nach Deutschland und lebt hier inzwischen zusammen mit ihrem Ehemann und ihrer 2,5 Jahre alten Tochter. Sie erzählt uns von armenischen Weihnachtstraditionen.
Was ist euch an Weihnachten und der Vorweihnachtszeit am wichtigsten?
Seit wir in Deutschland leben, feiern wir Weihnachten zwei Mal. Einmal nach dem deutschen Kalender mit unseren deutschen Freunden und einmal wie in Armenien. Weihnachten ist für uns ein Familienfest. Dies ist die Zeit, in der wir in die Kirche gehen. Wir beten viel. Wir sind Jesus Christus sehr dankbar dafür, dass er geboren wurde und unsere Seelen rettet. Wir danken Jesus Christus für das, was wir haben, für unser ganzes Leben. Daneben ist das Essen bei uns das Wichtigste.
Wie kommt ihr in weihnachtliche Stimmung?
Ich kaufe viele Geschenke für alle möglichen Menschen. Für meine Tochter, meinen Mann, Freunde und Familie. Wir haben auch einen Adventskalender. Wir fangen nur zwei Wochen nach euch in Deutschland an, weil unser Weihnachtsfest ja später ist. Außerdem dekorieren wir unsere Wohnung.
Welche Weihnachts-/Advents-Traditionen möchtet ihr euren Kindern gerne mitgeben?
Mir ist wichtig, dass meine Tochter glücklich ist und die vielen Geschenke zu schätzen weiß. Unsere Tochter ist für uns der Sinn unseres Lebens.
Wie sehen eure Weihnachtsfeiertage aus?
Weihnachten in Armenien wird in der Nacht vom 5. auf den 6. Januar gefeiert. Das kommt aus einer alten Tradition. Bereits vor dem fünften Jahrhundert wurde Weihnachten und der Dreikönigstag in vielen christlichen Ländern traditionell zur gleichen Zeit gefeiert – in der Nacht vom 5. auf den 6. Januar. Aber danach änderten einige christlichen Kirchen diese Tradition, indem sie die Feier dieser beiden großen Ereignisse aufteilten und zwei getrennte Feiertage einführten. Die armenische Kirche hat den alten Brauch bewahrt.
“Chragaluyts” ist der Name des Weihnachtsabends in Armenien, der am 5. Januar gefeiert wird. Zu dieser Zeit bringen Gläubige Weihnachtsfeuer aus den Kirchen in ihre Häuser. Dieses symbolisiert das Licht des Sterns von Bethlehem, der den Heiligen Drei Königen den Weg zum Christuskind zeigte. Am Morgen des nächsten Tages versammeln sich alle als Familien zum Weihnachtsgottesdienst und zur Heiligen Kommunion. Der feierlichste und überfüllteste Gottesdienst findet in Etchmiadzin (wörtlich „Der Ort der Herabkunft des Einziggezeugten“) statt. Dies ist das älteste Kloster, das unmittelbar nach der Annahme des Christentums durch Armenien unter König Trdat III. in den Jahren 301-303 erbaut wurde. Hier ist das Zentrum der armenisch-apostolischen Kirche mit der Residenz des Patriarchen, theologischen Schulen und so weiter. Nach dem Gottesdienst wird die Große Segnung des Wassers in Erinnerung an die Taufe Jesu Christi im Jordan abgehalten. Das Wasser ist durch die Bibel, das Kreuz und den heiligen Chrisam geheiligt. Dann wird es an die Gemeindemitglieder verteilt. Geweihtes Wasser dient der Heilung von körperlichen und seelischen Leiden.
Weihnachten in Armenien ein Familienfest, das Verwandte und Freunde um einen reich gedeckten festlichen Tisch versammelt. Traditionell wird Fisch serviert, der seit der Antike ein Symbol des Christentums ist. Es ist auch üblich, Plov (Pilaw) zu behandeln: Reis repräsentiert die Menschheit, und Rosinen repräsentieren die Auserwählten, die der Herr ausgewählt hat, um sein Werk fortzusetzen. In der Weihnachtsnacht mit den Worten „Christus ist geboren und uns erschienen! Gute Nachrichten für Sie und für uns!“ Gläser mit trockenem Rotwein werden erhoben. Es gibt den ganzen Tag nur Rotwein. Auf den Tischen findet man oft ein Gericht wie Tolma oder Dolma (es ähnelt Kohlrouladen). Sie kochen auch Arisu, Ailazan, Vospnapur und viele andere Köstlichkeiten. Echtes armenisches Dolma wird aus Weinblättern hergestellt, aber moderne Hausfrauen kochen es auch aus gewöhnlichen Kohlblättern. In jedem Fall unterscheidet sich der Geschmack dieses Gerichts von Kohlrouladen.
Weihnachten mit polnischen Wurzeln
Regina ist eine alleinerziehende Mutter von zwei Teenagern. Sie kommt aus Polen, ihre Kinder sind hier in Deutschland geboren. Seit fast 25 Jahren wohnt und arbeitet sie hier. Ihre Eltern wohnen in Schlesien, ihr Bruder in England. Aber fast jedes Jahr treffen sie sich in Polen zu Weihnachten.
Das Weihnachtsfest heißt bei den Polen „Wigilia“ (lateinisch für: „Wachen“). Für viele katholische Polen ist Weihnachten das wichtigste Fest im Jahr. Darum fahre ich mit meinen Kindern fast jedes Jahr nach Polen und verbringe den Weihnachtstag mit der ganzen Familie von morgens bis abends. Gemeinsam kochen wir das Festessen und vorbereiten alles vor.
In Polen legt man besonderen Wert auf das Festessen. Wir bereiten Karpfen, Hering und polnische Pierogi (gefüllte Teigtaschen mit Sauerkraut und Fleisch), Barszcz (Rote-Beete-Suppe) vor. Zum Nachtisch gibt es eine Süßspeise aus Mohn Makowiec (Mohnrollen). Mein Sohn liebt diese Kuchen. Der ganze Tisch ist über und über mit leckeren Speisen bedeckt. Traditionell werden zwölf Gerichte serviert.
Vor dem Essen gibt es polnische Oblaten. Das sind dünne Gebäcke, die nur aus Wasser, Mehl und Stärke bestehen und sehr knusprig sind. Meine Tochter findet, dass man sie auch mit Esspapier vergleichen kann. Die Oblaten sind mit Darstellungen von Jesus und Maria oder dem Christkind verziert. Jeder aus der Familie bekommt eine Oblate und bricht sich gegenseitig von jeweils einem anderem eine Hälfte ab. Dabei wünscht man sich viel Glück und Segen für das nächste Jahr. Die Tradition der geteilten Oblate ist ein Zeichen der Liebe, der Freundschaft und des Friedens.
Nach dem Essen gehen wir immer um Mitternacht in die Kirche, (Pasterka). Dort trifft man viele Bekannte und Freunde. Die Kirche ist schön dekoriert und wir singen Weihnachtslieder. Meine Kinder und ich lieben Weihnachten in Polen. Es ist dort schön gemütlich. Wir freuen uns immer darauf, Weihnachten mit Oma und Opa zu verbringen.
Weihnachten zwischen zwei Kulturen
Fatmas Eltern sind aus der Türkei nach Deutschland immigriert. Ihre Mutter half meiner im Haushalt, seit ich denken kann. Fatma ist komplett in Deutschland aufgewachsen. Sie fühlt sich als Deutsche und sucht sich, sehr pragmatisch, das Beste aus den beiden Kulturen heraus. Sie lebt mit ihren zwei Kindern und ihrem Mann Ismail in der Nähe von Frankfurt.
Was ist euch an Weihnachten und der Vorweihnachtszeit am wichtigsten?
Sich gegenseitig zu beschenken und dadurch zu zeigen, wie viel einem die Liebsten bedeuten. Für mich ist es wichtig, ein guter Mensch zu sein und die eigenen Kinder hilfsbereit zu erziehen.
Wie kommt ihr in weihnachtliche Stimmung?
Wir lieben es, weihnachtlich zu dekorieren – auch mit Weihnachtsbaum. Außerdem gehen wir gerne, wenn es zeitlich passt, auf den Weihnachtsmarkt.
Welche Weihnachts-/Advents-Traditionen möchtet ihr euren Kindern gerne mitgeben?
In der Türkei wird eigentlich kein Weihnachten gefeiert (muslimisch). Aber da ich in Deutschland aufgewachsen bin und auch hier zur Schule gegangen bin, möchte ich mich für meine Kinder ein bisschen anpassen. Für mich ist Deutschland mittlerweile „mein Land“ geworden. Mir ist wichtig, dass meine Kinder auch etwas in der Schule zu erzählen haben, deshalb feiern wir auch Weihnachten.
Wie sehen eure Weihnachtsfeiertage aus?
Die bestehen aus leckeren Gerichten und einem schön gedeckten Tisch. Gemeinsam essen wir und verbringen einen entspannten Abend. Manchmal sind wir zu Hause, manchmal bei Verwandten. Wichtig ist mir, dass die Familie an so einem besonderen Tag zusammenkommt.
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