Geschlossene Restaurants und Freizeiteinrichtungen, menschenleere Straßen – in der Corona-Krise degradiert die Regierung Bürger zu Einzelgängern und Stubenhockern. Allerdings handelt sie nicht aus Böswilligkeit, sondern zum Schutz der Gemeinschaft. Ein Kommentar.
Wie schon im Frühjahr steigt aktuell die Zahl der mit dem neuartigen Coronavirus Infizierten in Deutschland exponentiell an. Das ganze Land ist im Ausnahmezustand. Seit November gibt es erneut keine Konzerte und Theatervorstellungen mehr, keine größeren Wochenendausflüge oder gar Urlaube. Auch Abende mit Freunden im Restaurant müssen im Moment ausfallen. Selbst Gottesdienste werden zum Schutz der Teilnehmenden abgesagt oder unterliegen strengen Hygienekonzepten.
Zu Hause bleiben, lautet die Devise. Kontakte mit einzelnen Personen außerhalb des eigenen Hausstandes sind weiterhin erlaubt. Doch auf Partys und Großveranstaltungen werden wir zwangsläufig noch länger verzichten müssen. Sei es die Freiheit der Person, die Versammlungsfreiheit oder auch die Religionsfreiheit – sie alle wirken wie aus einer anderen Zeit. Die lange Liste der Einschränkungen beruht auf dem Infektionsschutzgesetz und betrifft die Grundrechte jedes Einzelnen.
Alle leiden unter dem Coronavirus
Anfangs hielten sich Kritiker zurück, doch durch die andauernden Maßnahmen werden empörte Stimmen immer lauter. Das Leben weniger Menschen werde über das Wohl aller gestellt, so die Kritik. Doch das stimmt so nicht. Die Corona-Krise ist vergleichbar mit einer alten Waage: Die Menschenwürde fällt auf beiden Waagschalen ins Gewicht. Menschen leiden unter den Beschränkungen. Menschen leiden aber auch unter der Überlastung des Gesundheitssystems und dem Tod von nahestehenden Personen. Der Staat hat die Pflicht, die Bevölkerung vor dem Virus zu schützen.
Gleichzeitig sind die Grundrechte ein hohes, wenn nicht gar das höchste Gut. Sie dürfen nur unter außergewöhnlichen Umständen angetastet werden. Eine Abwägung ist nötig und die Regierung schlägt sich gut. Wie immer spielen hierbei auch parteipolitische Machtkämpfe eine Rolle: Einige wollen sich profilieren, während andere sich lieber zurückhalten. Insgesamt gibt sich die Politik jedoch große Mühe, geschlossen aufzutreten und vertretbare Lösungen zu finden.
Keine Beschränkungen sind auch keine Lösung
Ein Blick in andere Staaten der Welt zeigt, dass es ohne oder mit zu späten Beschränkungen nicht funktioniert. Im März transportierte ein Militärkonvoi im italienischen Bergamo Leichen in umliegende Städte. Die Kapazitäten der örtlichen Bestatter und Friedhöfe reichten nicht mehr aus. Nun gilt die Stadt erneut als Corona-Hotspot. Auch in den USA reißt die Zahl der Neuinfektionen nicht ab:
Seit einigen Tagen infizieren sich mehr als 100.000 Personen täglich mit dem Coronavirus. Auch in Schweden – das nach wie vor eine sehr lockere und auf Einsicht der Bevölkerung setzende Corona-Politik pflegt – ist die Todesrate höher als in den Nachbarländern. Vor derartigen Schreckensnachrichten vor der eigenen Haustür hat uns die Regierung bisher bewahrt. Wer verzichtet da nicht sogar freiwillig auf den Kaffeeklatsch mit den Freundinnen oder die Demonstration gegen schlechte Arbeitsbedingungen?
Noch ist das Ende der Beschränkungen nicht absehbar – aber es wird kommen
Angesichts dieser Bilder sind die Einschränkungen der Grundrechte zu verkraften. Keine Frage, der gewohnte Alltag gerät in diesen Tagen ins Wanken. Altbekannte Routinen sind plötzlich nicht mehr vorhanden. Doch die Einschränkungen gelten nur für eine bestimmte Zeit. Denn auch das ist gesetzlich geregelt: In Artikel 1 des Grundgesetztes heißt es „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Ergänzend besagt Artikel 79, dass auch die freiheitliche Demokratie unantastbar ist. Diese Regelung ist historisch gewachsen und schützt die Bevölkerung vor einem Machtmissbrauch durch den Staat.
Dauerhaft kann und darf die Regierung das öffentliche Leben also nicht beschränken. In Zeiten von Corona steht der Gemeinsinn jedoch über den Persönlichkeitsrechten Einzelner. Für den Moment bleiben wir also besser zu Hause – in der Gewissheit, dass es die Regierenden gut mit uns meinen.
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