Leben und Tod, Werden und Vergehen – das neue Panorama „Carolas Garten“ von Yadegar Asisi, das zur Zeit im Leipziger Panometer ausgestellt wird, stellt mehr Gegensätze dar, als es der Betrachter vermuten könnte. Es ist aber mehr als nur ein einfaches Blumenbild. Asisi weist auf die Endlichkeit des Lebens und die Sehnsucht des Menschen nach Ruhe und Frieden hin.

In 32 Meter Höhe liegt dem Besucher ein buntes Blumenmeer zu Füßen. „Carolas Garten“ hat der Künstler Yadegar Asisi sein neues Meisterwerk genannt. Sicherlich hätte er es auch auf den Namen „Paradies“ oder „Garten Eden“ taufen können, so unglaublich ist der Ausblick auf das Panoramabild. Der Titel ist jedoch kein Zufall. Er geht auf eine langjährige Mitarbeiterin des Künstlers zurück, die Asis Angaben zufolge eine unglaublich engagierte, geduldige und gutmütige Frau war. Asisi sei verwundert gewesen, wie sie trotz ihres stressreichen Arbeitsalltags so ausgeglichen sein konnte.
Ein Garten als kleine, große Unendlichkeit
Ihr Geheimnis entdeckte Yadegar Asisi erst nach dem Tod seiner ehemaligen MitarbeitEerin vor vier Jahren: Mit ihrer Schwägerin zusammen pflegte sie einen kleinen Garten in Leipzig, der ihren Ruhepool darstellte. Eine kleine Unendlichkeit liegt an diesem Ort: „Ein Leben reicht nicht aus, um die Vielfalt dieses kleinen Gartens begreifen zu können“, stellt der Künstler fasziniert fest. Dennoch hat er die große Herausforderung auf sich genommen und in den letzten drei Jahren versucht, sich diesem Universum zu nähern.
Einen Einblick in diese große, kleine Unendlichkeit gewährt die begleitende Ausstellung zu dem Panorama „Carolas Garten“. Hier werden erste Skizzen, Fotografien und Zeichnungen Asisis von dem berüchtigten Garten gezeigt. Der Besucher sieht in seinen Kunstwerken nicht nur die Veränderungen des Ortes während der unterschiedlichen Jahreszeiten und der verschiedenen Wetterverhältnisse, sondern auch einzelne Details, die man oft nicht wahrnimmt. So stellt er beispielsweise ein beeindruckendes Stillleben eines banalen Komposthaufens dar. Auch die tierischen Bewohner eines Gartens treten in der Ausstellung in den Vordergrund: Raupen, Ameisen, Wespen und Fische spielen eine der Hauptrollen in Asis Kunstshow.
Die vier Jahreszeiten im Minutentakt
Eine Schneedecke legt sich über den Garten. Es wird Winter. Der Himmel ist in einen dunklen Blauton gehüllt. Die Tiergeräusche verstummen zwar nicht komplett, doch sie werden deutlich leiser und treten immer mehr in den Hintergrund. Ein Ausschnitt aus dem bekannten Kirchenlied „Geh´ aus mein Herz“ wird verlesen. Langsam schmilzt die vermeintliche Schneeschicht auf den Rasenflächen und Beeten. Die Sonne kommt auf einer Seite des Panoramas zum Vorschein, während der Himmel zur rechten Seite dunkle Gewitterwolken aufweist.
Der Frühling kehrt in all seiner Pracht ein. Die Tiere kriechen aus ihren Winterverstecken und die ersten Blumen blühen. Ein lautes Summen und Brummen ist das, vermischt mit einer ruhigen Klavier-Sonate. Eine orangene Lichtfärbung des Panoramabildes läutet den Herbst ein. Nichts scheint wie zuvor, als der Winter erneut einkehrt. Neben den Klaviertönen ist das Quaken von Fröschen und ein dominantes Plätschergeräusch des Teiches zu hören, was sich ganz plötzlich in ein lautes Donner- und Regengeräusch verwandelt.
Zwischen Wirklichkeit und Illusion
Die Jahreszeiten werden im Leipziger Panometer durch die Musik, Geräusche und diverse Lichteffekte künstlich hergestellt. Bei genauerem Hinsehen erkennt der Betrachter aber gleichzeitig, dass alle Jahreszeiten in dem einen Panorama dargestellt werden: Ein Kirschblütenbaum, bunt gefärbte Herbstbäume oder rankende Sonnenblumen sind nur einige Hinweise darauf.
Als Betrachter des Panoramabildes fühlt man sich wie eine kleine Ameise, die in einem der Beete sitzt und das Geschehen im Garten von unten betrachtet. Asisi stellt viele realistische Alltagssituationen in seinem Bild dar, so beispielsweise ein spielendes Kind, Bienen, die sich am Blumennektar erfreuen, oder ein Mann, der die Pflanzen im Gewächshaus gießt. Lediglich die Proportionen in Asis Panoramen entsprechen nicht der Wirklichkeit. So nimmt zum Beispiel eine im realen Leben sehr kleine Biene eine Größe von etwa 25 Metern auf dem Panoramabild ein. Das entspricht nahezu der realen Größe eines Blauwals.
Sehnsucht nach Frieden und Glück
Doch Asisis Panorama ist weit mehr als nur ein schönes Blumenbild. Der Künstler stellt die Gegensätze zwischen Leben und Tod, Werden und Vergehen dar. Gärten bezeugen aus seiner Sicht die Sehnsüchte des Menschen nach einem friedlichen und glücklichen Leben. Da die Menschen selber ihr Leben als unvollkommen ansehen, träumen sie von einem vollkommenen Paradies. Daher könne ein Garten als Sinnbild der menschlichen Seele gesehen werden.
Schon in der Bibel und in vielen anderen Mythen und Legenden wurden die Menschen zur Strafe aus dem Garten Eden vertrieben. Eines ist wohl heute genauso geblieben wie damals: Das menschliche Verlangen nach einem Ruhe-Ort. Symbolisch stellt das der Garten dar. „Es ist ein milliardenfacher Zufall, dass ich auf der Welt bin. Ein Lottogewinn ist nichts dagegen“, stellt Asisi fest. Es animiert, den Wert des Lebens zu schätzen. Dankbar zu sein, für jeden Augenblick, den uns das Leben schenkt. Und wo sollte man diese Haltung schließlich besser umsetzen können, als in einem Garten?
Panoramenbilder, verteilt in ganz Deutschland
Ein tolles und wichtiges Thema, das Asisi mit seinem neuen Panoramabild aufgreift. Wie in jedem seiner Bilder gibt es auch in diesem wieder sehr viel zu entdecken. Die zahlreichen Lichteffekte unterstützen zusammen mit der Musik und den Tiergeräuschen die Diversität des Gartens während der verschiedenen Jahreszeiten. Allerdings hätte die Intension, die der Künstler mit seinem Bild beabsichtigt, in seiner Ausstellung noch tragender zum Ausdruck kommen können. Deutlich dargestellt wird sie nämlich erst am Ende des Rundgangs innerhalb eines Kurzfilms, in dem Asisi von seiner Arbeit und den Hintergründen seines Werkes erzählt.
Neben Leipzig existieren auch in anderen deutschen Städten wie Berlin, Dresden, Hannover, Pforzheim und Wittenberg sowie im französischen Rouen weitere Panometer. Jedes Jahr wieder wird ein neues Panoramabild des Künstlers ausgestellt bzw. wandern die älteren Bilder samt Ausstellungen weiter in die nächste Stadt. Asisi-Fans haben daher die Möglichkeit, sich ihre Lieblingspanoramen zu einem späteren Zeitpunkt auch noch in einer anderen Stadt anzuschauen bzw. die Vielfalt der einzelnen Bilder innerhalb mehrerer Jahre in der eigenen Umgebung zu betrachten.
Tolles Projekt! Das Bild sieht schon sehr hübsch aus!