Diego Maradona stand für vieles: Traumtore auf dem Platz, Eskapaden außerhalb des Rasens. Als Spieler hat er alles gewonnen, doch als Trainer strauchelt er noch. Sein neuester Versuch führte ihn nach Mexiko.

Die argentinische Nummer Zehn setzt zum Doppelpass mit Jorge Valdano an, doch der Ball bleibt hängen. Ein englischer Verteidiger versucht zu klären, doch der Versuch misslingt. Über Umwege gelangt das Leder doch in den Strafraum, und nun ist er zur Stelle: Diego Maradona schraubt sich hoch, köpft den Ball über den englischen Schlussmann Peter Shilton und trifft zum 1:0.
Die „Hand Gottes“ hat kurz etwas nachgeholfen
So scheint es zunächst, doch schnell wird klar: Diego Maradona hat mit der Hand nachgeholfen und so den Grundstein für den Halbfinaleinzug der Argentinier bei der WM 1986 gelegt. Ein Tor, so dreist wie genial. Dreist, da es eigentlich irregulär war. Genial, wie Maradona es nach dem Spiel verkaufte: Nach dem Spiel sprach er von der „Hand Gottes“, die da getroffen habe und machte wohl nur annähernd deutlich, in welchen Sphären er sich selber sah.
Dass der quirlige Spielmacher im selben Spiel nach einem 60-Meter-Solo mit dem 2:0 ein Tor von solch einer prachtvollen Schönheit erzielte, dass es später zum WM-Tor des Jahrhunderts gewählt wurde, ging da schon fast unter. Auch für Maradona selber hatte das 1:0 einen höheren Stellenwert, wie er in seiner Autobiographie verriet: „Es war in etwa so, als würde ich den Engländern die Brieftasche klauen.“ Gary Lineker konnte damals noch verkürzen, doch mit dem 2:1 zog Argentinien ins Halbfinale ein, wo Belgien keine größeren Probleme bereitete und mit 2:0 bezwungen werden konnte – zwei Maradona-Tore inklusive. Im Finale wartete Deutschland, und nach 90 intensiven Minuten, in denen die Deutschen einen 0:2-Rückstand ausgeglichen hatten, um dann fünf Minuten vor Schluss doch noch das 2:3 zu kassieren, hatte sich Argentinien zum zweiten Mal nach 1978 zur besten Fußballmannschaft des Kontinents gekrönt.
Maradona ist und bleibt einer der besten Fußballer der Welt
Es sollte der Höhepunkt in der Karriere des stolzen Diego Armando Maradona Franco sein, die in der Jugendmannschaft der Argentinos Juniors aus Buenos Aires begann. 1960 in Lanús geboren, macht sich Maradona schnell auf zu Größerem und debütiert mit 15 Jahren in der Seniorenmannschaft der Juniors. Sein Talent bleibt auch Nationaltrainer César Luis Menotti nicht verborgen, und so streift der Junge aus Lanús mit 16 Jahren das erste Mal das Nationaltrikot über. Beim WM-Triumph ein Jahr später gehört er nicht zum Kader, doch stoppen kann ihn dies in seinem Weg nicht. Die folgenden Jahre lesen sich wie im Rausch: Torschützenkönig der argentinischen Primera División, U20-Weltmeister inklusive Wahl zum besten Spieler des Turniers, Wahl zu Argentiniens Fußballer des Jahres, Wahl zu Südamerikas Fußballer des Jahres – und das mit 19 Jahren. Der Wechsel zu den prestigeträchtigen Boca Juniors im Februar 1981 ist da nur folgerichtig. 1982 führt er die Juniors zur Meisterschaft, doch auf Maradona wartet mehr. Mit 21 Jahren gilt er als bester Fußballer der Welt, nimmt an seiner ersten Weltmeisterschaft teil und wechselte schließlich zum FC Barcelona.
Die Zeit bei den Spaniern, wo er anfangs unter Udo Lattek trainiert, bringt immerhin einen Pokalsieg sowie einen Erfolg im spanischen Supercup ein, verläuft ansonsten jedoch recht unglücklich. Sind es zunächst die Erkrankung an Hepatitis und ein Beinbruch, die Maradona bremsten, sorgt er schließlich selber für sein Aus: Im Finale des spanischen Pokals initiiert Maradona 1984 eine Schlägerei, im Publikum sitzt der spanische König – nach diversen Streitereien mit dem Vereinspräsidenten Josep Lluís Núñez ist es der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Es geht weiter nach Neapel, und dort findet Maradona sein Glück: Bereits die Vorstellung vor 75.000 frenetisch jubelnden Zuschauern im Stadio San Paulo liefert einen Vorgeschmack auf das, was kommen soll. Maradona, der für Glanz und Gloria steht, im armen und von Leid geplagten Neapel im Süden Italiens, das sich mit den reichen und erfolgreichen Mailändern des AC und Inter sowie Juventus Turin aus dem Norden messen will – das verspricht, spannend zu werden. Und Maradona hält das Versprechen: 1986/1987 wird der SSC Neapel zum ersten Mal in seiner Geschichte italienischer Meister, und Maradona wird zur Vereinslegende. „Oh mamma, oh mamma, ho visto Maradona“ (Mama, ich habe Maradona gesehen!) heißt es in einer Hymne auf ihre Nummer zehn, und es beschreibt nur unzureichend, was er für diese Stadt bedeutet. Jahre später bricht der Verkehr zusammen, als Maradona zu Besuch kommt. Alle wollen ihn sehen.
Maradonas Absturz
1988/1989 gewinnt Neapel den UEFA-Cup, ein Jahr später folgt die erneute Meisterschaft. Bei der WM 1990 kann Maradona an seinen vier Jahre zuvor gezeigten Leistungen nicht anknüpfen und scheitert im Finale schließlich an Deutschland. Maradona war bereits auf dem Gipfel, und alles, was folgt, lässt ihn nach und nach von diesem stürzen. Der Argentinier hat mit Übergewicht zu kämpfen, im März 1991 wird ihm der Konsum von Kokain nachgewiesen. Mit 30 Jahren wird er in Argentinien zu einer 14-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt, der argentinische Verband sperrt ihn für 15 Monate.
Die Zeit beim SSC Neapel endet 1991, Maradona hält sich mit einem privaten Fitnesstrainer fit und wagt ein Jahr später beim FC Sevilla sein Comeback. Dort läuft er 26-mal auf, kann mit 5 Toren jedoch nicht mehr an seine alte Form anknüpfen. Es häufen sich die Schlagzeilen abseits des Platzes: In der Sommerpause schießt Maradona in seiner Heimat mit einem Luftgewehr auf Journalisten, er darf nach einem gerichtlichen Beschluss das Land nicht mehr verlassen. Die Phase in Sevilla endet so nach nur einem Jahr, es folgen einige Jahre bei den Newell´s Old Boys (1993 bis 1994) sowie den Boca Juniors, wo er 1997 schließlich seine Karriere beendet. Bei der WM 1994 waren ihm zuvor verbotene Substanzen nachgewiesen worden, die FIFA schloss ihn vom Turnier aus und beendete somit seine Nationalmannschaftskarriere.
Der Neuanfang
Der Sportler Maradona versucht sich an ersten Stationen als Trainer in Argentinien, doch der Mensch Maradona kommt ihm in die Quere. Im Januar 2000 erleidet er einen Herzinfarkt, die Ursache: Eine Überdosis Kokain. Maradona reist für eine Entziehungskur nach Kuba, freundet sich dort mit Fidel Castro an. 2005 bessert sich sein Zustand, im argentinischen Fernsehen bekommt er eine eigene Show. Und dann ist er sportlich gesehen plötzlich wieder ganz oben: Im Oktober 2008 wird Maradona argentinischer Nationaltrainer. Was ihn zu dieser Aufgabe befähigt, ist zu diesem Zeitpunkt nicht ganz klar, liegen seine zwei Jahre als Trainer doch schon 13 Jahre zurück. Dennoch führt er sein Heimatland zur WM 2010, übersteht dort die Gruppenphase – und scheitert im Viertelfinale krachend. Beim 0:4 gegen Deutschland wird der Unterschied deutlich zwischen einer Mannschaft, die einen klaren Plan, und einem Team, das sich auf seine Einzelkönner verlässt. Maradonas Amtszeit ist kurz danach Geschichte. Den Argentinier, der immer mehr zu einer Karikatur seiner selbst verkommt, zieht es 2011 nach Dubai, wo er al-Wasl trainiert. Das Engagement soll nur ein Jahr halten, ebenso wie jenes beim arabischen Zweitligisten Al-Fujairah SC, das er 2017 antritt.
Doch Maradona lässt sich nicht beirren: 2018 tritt er bei Dinamo Brest (Weißrussland) den Posten als Vorstandsvorsitzender an, bei seiner Vorstellung fährt er mit einem Militärjeep durch die jubelnde Menge. Kurz darauf wird er zudem Trainer in Mexiko, und sein neuer Verein entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Die Wahl des Mannes, der im wiederholt mit Drogenproblemen zu kämpfen hat, fällt auf die zweitklassigen Dorados de Sinaloa und damit jenen Bundesstaat, der für das gleichnamige Drogenkartell um El Chapo Guzmán berühmt geworden ist. Wie es mit seinem Engagement in Weißrussland weitergeht, ist nicht ganz ersichtlich, viele Medien sprechen von einer Fortsetzung als Ehrenpräsident. Der erste Anlauf in Mexiko ist zunächst gescheitert: Im Dezember 2018 verpasst er mit Sinaloa den Aufstieg in die erste Liga. Ob Maradona als Trainer jemals ein ähnlich geschicktes Händchen beweist, wie er es im WM-Viertelfinale 1986 getan hatte, bleibt fraglich.
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