2021 wird der Bundestag neu gewählt. Die vielfältige demographische Lage spiegelt der Bundestag derzeit nicht wider. Joe Chialo möchte das ändern, durch ein Video machte er auf sich aufmerksam. Ein Gespräch.
Sein Ziel ist es, ein Direktmandat für einen Wahlkreis in Berlin mit der CDU zu gewinnen. Wir stellen den Rheinländer in Berlin hier für euch vor und sprechen mit ihm über Musik, Diversität in der Politik, politisches Engagement und Umweltschutz in der Kulturbranche.
1. Herr Chialo, Sie begeistern sich für Musik. Aber wie sind Sie von der Musik in die Politik gekommen?
Wir haben tatsächlich versucht, einen anderen, einen emotionaleren Zugang zu politischen Themen zu finden. Allerdings nicht auf Kosten der Inhalte. Und das ist vielleicht wirklich etwas, was man von der Musik lernen kann. Dass man nicht nur den Kopf, sondern auch die Herzen der Menschen erreichen muss. Und dass man selbst hammerharte Themen so verpacken kann, dass sie gefühlt und verstanden werden.
Dass ich in die Politik gegangen bin, hat aber weniger mit der Musik als mit meinem Wunsch zu tun, den Wandel unserer Gesellschaft in einer sich immer schneller verändernden Welt mitzugestalten. Ich bin der festen Überzeugung, als Unternehmer, Familienvater und katholischer Christ mit meinen Werten und meinem Know-how einen wertvollen Beitrag leisten zu können, der von Mut, Optimismus und Innovationsfreude geprägt ist.
2. Der jetzige Bundestag spiegelt derzeit nicht die Vielfalt der deutschen Gesellschaft wider. Im Fußball, in der Musikindustrie und unter YouTubern ist die Diversität Deutschlands schon angekommen. Warum dauert es in der Politik so lange?
Politik im Allgemeinen und Demokratie im Speziellen arbeiten langsam. Oft auch zu langsam. Und dass ausgerechnet die Kultur- und Kreativwirtschaft als „Early Adopter“ voranschreitet, dürfte kaum überraschen. Aber die CDU lädt alle Menschen ein, die sich unseren Werten verpflichtet fühlen, sich in der Partei politisch zu engagieren. Und es gibt ja auch immer mehr Positivbeispiele: Meine Familie hat zum Beispiel tansanische Wurzeln, unser Generalsekretär Paul Ziemiak ist in Stettin geboren. In der CDU verändert sich gerade etwas, auch hier, in Berlin, dank Kai Wegner, der die Partei geöffnet hat.
3. Die traditionellen Parteien, wie die CDU und die SPD, haben in den letzten Jahren immer mehr Wähler verloren. Auch die Mitgliederzahlen sind rückläufig. Wie kann diesem Trend entgegengewirkt werden?
Ich erteile anderen ungern Ratschläge. Daher kann ich da nur für mich sprechen: Mein Ziel ist es, die Menschen mit meiner Art der Sprache und der Kommunikation möglichst direkt zu erreichen. Sie für meine und unsere Themen zu begeistern. Und vor allem in bester christlicher Tradition Hoffnung und Zuversicht zu verbreiten. Das gilt für Bereiche, die unter der aktuellen Corona-Krise besonders leiden, genauso wie für umfassendere Themen wie Familie, Bildung und Verkehr, den Wandel unserer Arbeitswelt und unsere Technologie- und Klimapolitik.
4. Nur jeder fünfte Abgeordnete, der 2017 in den Bundestag für die CDU/CSU eingezogen ist, war ein Neuling. Eine langjährige interne „Parteikarriere“ geht einer Nominierung in den meisten Fällen zudem voraus. Welchen Vorteil bringen Sie der CDU durch ihre Überraschungskandidatur? Was raten Sie anderen, die sich politisch engagieren wollen?
Für diejenigen, die mich schon länger kennen, kam die Kandidatur wenig überraschend. Sie war die logische Konsequenz aus meiner schon vor einiger Zeit getroffenen Entscheidung, mich politisch mehr einmischen zu wollen. Neben meinen Themen wie Kultur- und Kreativwirtschaft, Familien- und Innovationspolitik möchte ich auch mein Know-how bei der zielgruppengerechten Ansprache der Menschen einbringen. Ich weiß, wie man Themen zu Geschichten macht.
Und wie man mit diesen Geschichten Menschen emotionalisiert. Meine Empfehlung für alle, die sich ebenfalls politisch engagieren wollen, ist: Einfach machen! Es gibt so viele unterschiedliche Arten auf so vielen unterschiedlichen Ebenen – vom Dorfrat bis hin zum Europaparlament. Und auch außerhalb der Parteien kann man politisch aktiv sein. Ich persönlich freue mich über jeden, der oder die dazu beiträgt, unsere Demokratie noch lebendiger zu machen.
5. Der Bundestags-Abgeordnete Karamba Diaby senegaleischer Abstimmung sieht sich immer wieder Angriffen ausgesetzt. Im Januar 2019 wurde sein Wahlkreisbüro sogar beschossen. Haben Sie Angst vor Hass und wie gehen Sie mit Anfeindungen um?
Ich trete an, um Brücken zu bauen, und bin bereit, auch mit denjenigen ein Gespräch zu führen, die ganz anderer Meinung sind als ich. Gleichwohl bin ich auch nicht naiv in Bezug auf die Reaktionen, die meine Kandidatur in manchen Kreisen auslösen könnte. Allerdings habe ich großes Vertrauen in unsere Polizei, unsere Justiz und nicht zuletzt – wenn es doch verrutscht – in Gott.
6. Das meist angeschaute Video in Deutschland 2019 war das Video von dem YouTuber Rezo vor den Europawahlen. Jeder dritte Erstwähler stimmte daraufhin für die Grünen. Seit 2019 wird der Klimawandel jedoch von allen Altersgruppen in Deutschland als „wichtigstes Problem“ angesehen. Wie können Umweltschutz und Nachhaltigkeit besonders in der Kulturbranche umgesetzt werden?
Das muss ich erstmal etwas auseinandersortieren. Rezo war ein gutes Beispiel dafür, wie man die Online-Community heutzutage erreicht. Und vieles von dem, was er gesagt hat, war ja auch völlig richtig. Manches aber auch aus dem Zusammenhang gerissen oder etwas zu unterkomplex. Denn in unserer Welt hängt alles mit allem zusammen. Sich ein einziges Thema herauszugreifen, ist natürlich legitim, aber nicht lösungsorientiert.
Der Klimawandel etwa ist eine unserer aktuell größten politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen. Der Komplex hat aber nicht nur eine umweltbezogene, sondern auch eine soziale, technologische und wirtschaftliche Komponente. Wer erfolgreich Klimapolitik betreiben will, kann nicht gegen, sondern nur mit den Menschen erfolgreich sein. Deshalb brauchen wir auch nicht nur eine, sondern ganz viele Antworten auf die Frage, wie wir zum Beispiel unseren CO2-Ausstoß senken werden.
Umweltschutzaktivisten haben sich schon immer aus jungen Generationen rekrutiert. Und damit ist es ganz klar ein Pop-Thema. Das sieht man etwa beim Greentech-Festival, beim Green-Camping auf Musikfestivals bis hin zur Kompensation der CO2-Emmissionen in Unternehmen. Da wurde bereits eine Menge unternommen. Genauso klar ist aber auch: Das Einsparungspotenzial der Kultur- und Kreativwirtschaft ist im Vergleich zu anderen Branchen doch eher bescheiden. Wo wir hingegen einen großen Beitrag leisten können, das ist bei der Vorbildfunktion und bei der Aktivierung der Menschen. Und das findet ja auch immer vermehrter statt.
7. Sie kandieren im multi-kulturellen Berlin. Denken Sie, dass Ihre Kandidatur Signalwirkung auch für den Rest Deutschlands haben könnte?
Ich ermutige ausdrücklich jeden, sich politisch zu engagieren. Ganz unabhängig davon, wie er aussieht, woher er kommt, woran er glaubt oder wen er liebt. Nur ob ich als geborener Rheinländer im preußischen Exil wirklich als Role Model fürs multikulturelle Berlin tauge, mögen andere beurteilen.
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