Vertrieben, verhungert, vergast. Über eine Millionen Juden wurden im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet. Wie konnte es dazu kommen? Warum? Diese Fragen kann niemand beantworten. Was wir aber können, ist, uns zu erinnern. Damit so etwas nie wieder passiert.
Alleine stapfe ich durch den eiskalten Schnee, beobachte meine Schritte. Der Wind pfeift mir um die Nase, meine Mütze habe ich tief ins Gesicht gezogen, meine Felljacke umschlingt meinen Körper. Mir ist kalt, ich friere. Dann schaue ich auf, schaue mich um. Sehe die Baracken des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. Und denke daran, wie die Menschen hier gelitten haben. Wie die Menschen hier erniedrigt und ermordet wurden. Schlimmer als Tiere behandelt wurden.
Oswiecim existierte schon vor den Gräueltaten
Mit dem Maximilian-Kolbe-Werk verbringe ich zum 72. Gedenktag der Befreiung des KZs Auschwitz-Birkenau eine Woche in Oswiecim. Den Einwohnern ist es wichtig, dass Oswiecim und Auschwitz getrennt betrachtet werden. Auschwitz ist der Name des Konzentrationslagers, Oswiecim die Stadt, die schon viele Jahre vor den Gräueltaten existiert hat.
Am ersten Tag nach der Ankunft habe ich eine Führung durch das Konzentrationslager mitgemacht. Ich habe Fotos von gestapelten, ausgemergelten Leichen gesehen. Ich habe Gaskammern gesehen, ich habe Stacheldraht gesehen, durch den damals elektrischer Strom geflossen ist. Und dennoch war es schwierig, Emotionen zu entwickeln. Ich war betroffen, ich war schockiert. Aber Traurigkeit machte sich nicht breit. Dafür war es trotz des Sehens zu weit weg. Zu lange her. Und mit Kopfhörern im Ohr und anderen Teilnehmern der Führung doch sehr museeumsmäßig.
Als ich am Tag darauf durch das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau stapfe, alleine, leichte Minusgrade, stellt sich etwas ein. Eine innere Leere erfüllt mich. Plötzlich denke ich intensiv darüber nach, was hier geschehen ist. Plötzlich entwickeln sich Emotionen.
Erinnern, damit so etwas nie wieder passiert
Wie die Menschen hier bei minus 20, 30 Grad gefroren haben, in dünner Kleidung, barfuß oder mit zerlöcherten Schuhen. Wie die Menschen geschwitzt haben in Baracken, die für 200 Leute Platz haben, in die sie sich aber mit 2.000 Menschen quetschen mussten. Wie die Menschen erniedrigt wurden, als sie sich beim Ankommen ausziehen mussten, jedes einzelne Haar abrasiert wurde, ihre Haut teilweise abgerissen wurde. Wie Experimente an Kindern erfolgten, wie Babys getötet wurden. Wie Taten ausgeübt wurden, die unvorstellbar grausam waren. Gaskammern als Duschen getarnt wurden. Hunderttausende Menschen starben.
Die Taten, die in Auschwitz passiert sind, sind grausam. So grausam, dass man sie kaum in Worte fassen kann. „Das Schlimmste aber ist das Vergessen“, sagt Leon Weintraub, ein Zeitzeuge, der seit einigen Jahren zum Gedenktag der Befreiung nach Auschwitz zurückkehrt. Er selbst sieht sich nicht als Opfer, sondern als Sieger. „Ich habe gesiegt, weil ich überlebt habe“, sagt er. Das Wichtigste für ihn ist, dass wir nicht vergessen. Dass die Menschen wissen, was passiert ist. Damit so etwas nie wieder passiert. Nie wieder.
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