Am liebsten wären wir perfekt, aber in der Realität stoßen wir immer wieder an unsere Grenzen. Wie können wir mit unseren Schwächen so umgehen, dass sie uns nicht zu sehr einschränken – oder dass wir sogar unsere Grenzen erweitern können?

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Wir leben in einer Gesellschaft, die den Schein mehr liebt als das Sein. Schau dir nur mal die Fotos deiner Freunde auf Instagram an. Gestylte und geschminkte Mädels (die du im Alltag ganz anders kennst). Echte Kerle vor den tollsten Autos (die zwar nicht ihnen gehören, aber das muss ja niemand wissen). Internetfotos gaukeln uns oft eine ideale Welt vor, die in Wahrheit nicht existiert. Alles nur Fake, um andere zu beeindrucken. Niemand zeigt gerne, was in seinem Leben gerade schlecht läuft.
Leben unter der Maske
Aber nicht nur im Internet tragen wir oft eine Maske. Wenn wir ehrlich sind, gibt es in unserem Leben eine ganze Menge an Dingen, die wir vor anderen verstecken. Schlechte Eigenschaften, die wir lieber nicht hätten. Das ist normal. Problematisch ist, dass wir diese Eigenschaften häufig nicht nur vor fremden Menschen verleugnen, sondern auch vor unseren engsten Vertrauten – und vor uns selbst.
Es gibt an mir Eigenschaften, mit denen ich hadere. Ich habe Schwächen, Grenzen, Blockaden, die mich immer wieder ausbremsen. Ich würde so gerne dieses oder jenes tun – aber scheitere immer wieder. Manches andere würde ich lieber nicht tun – und ertappe mich doch immer wieder dabei.
Ideal versus Realität
Wir alle haben ein Ideal im Kopf, wie wir gerne wären und leben würden. Leider haben wir dieses Ideal noch längst nicht erreicht, streben aber unbedingt danach und reden uns gerne ein, wir wären eigentlich so, wie wir uns das vorstellen – bis wir einmal mehr an unserem eigenen Anspruch scheitern, total frustriert sind, uns mit einer Tafel Schokolade trösten und uns dann vornehmen, dass wir ab jetzt nach unserem Ideal leben. So geht das Ganze immer wieder von vorne los und funktioniert auch beim 100. Mal noch nicht.
Muss das immer so weitergehen? Oder gibt es einen Weg, so mit unseren Grenzen umzugehen, dass wir sie erweitern können?
Drei wichtige Erkenntnisse
Ich habe zu dieser Frage sehr viel von den Menschen gelernt, mit denen ich arbeite. Es sind Menschen mit einer chronischen psychischen Erkrankung. Die Krankheit bleibt ihr Begleiter; es ist nicht zu erwarten, dass sie bald auskuriert ist wie eine Grippe. Diese Menschen sind dauerhaft eingeschränkt in ihrer Lebensführung und können Ziele, die sie einmal hatten, nicht mehr erreichen.
Ich habe von ihnen gelernt: Es hat keinen Sinn, die Krankheit zu leugnen. Es hat auch keinen Sinn, gesund sein zu wollen. Denn die Krankheit ist und bleibt Realität. Wenn aber das Ziel nicht ist, gesund zu werden, was ist es dann? Es ist: Lebensqualität – das heißt, mit der Erkrankung so zu leben, dass sie sagen können: „Ich bin krank, aber mein Leben ist trotzdem wertvoll.“
Ich möchte mit dir drei Erkenntnisse teilen, die ich daraus für mich gewonnen habe:
1. Nicht perfekt sein wollen
Ich muss nicht perfekt sein. Das ist sowieso ein unerreichbares Ziel. „Nobody is perfect“ – jeder kennt diesen Satz, aber erstaunlich viele Menschen glauben nicht, dass er wahr ist, und streben nach Perfektion. Lass es! Damit machst du dich nur unglücklich. Perfektion ist kein realistisches Ziel, auch wenn die schöne neue Welt des Internets dir das vorgaukelt.
2. Den Schwächen ins Gesicht sehen
In mir gibt es Gutes und Schlechtes. Das Schlechte zu ignorieren, bewirkt nicht, dass es weg ist. Im Gegenteil: Es arbeitet in mir und beeinflusst mich umso mehr, je weniger ich es anschaue. Wenn ich aber meine Realität annehme, kann ich konstruktiv mit meinen Schwächen umgehen! Ich kann mir überlegen: Wer kann mich in diesem Punkt unterstützen? Was tut mir gut und fördert mich in dieser Sache? Vielleicht kann ich in meiner Alltagsroutine etwas verändern, damit mir dieser Punkt leichter fällt. So kann ich Schritt für Schritt wachsen.
3. Fokus auf den Stärken
Ich weiß, dass ich manche Schwächen nicht (in absehbarer Zeit) ablegen kann. Aber meine Mitmenschen schätzen mich nicht für die Schwächen, die ich nicht habe, sondern für die Stärken, die ich habe. Wieso sollte mein Fokus also ständig darauf liegen, meine Schwächen zu verstecken oder mühsam an ihnen zu arbeiten? Natürlich ist es gut, an mir zu arbeiten. Aber es ist wichtig, dass ich auch meine Stärken sehe und ausbaue. Denn sie sind es, durch die ich die Welt positiv verändern kann. Weißt du, was deine Stärken sind? Wenn nicht: Frag deine Freunde, sie können sie dir nennen. Und dann nutze sie! Warte nicht darauf, bis du fehlerlos bist, um deine Stärken zu entfalten. Du kannst irgendwo Großes leisten, während daheim deine Küche ungeputzt ist. Das heißt nicht, dass du deine Küche nicht putzen musst – aber du musst dich auch nicht verdammen dafür, dass du es heute schon wieder nicht geschafft hast.
Wenn du deine Schwächen akzeptieren kannst, hast du eine echte Chance, dich positiv weiterzuentwickeln.
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