Corona mag bei vielen Menschen die Weihnachtsstimmung dämpfen. Wie wird das Fest in diesem Jahr aussehen? Gibt es überhaupt etwas zu feiern? Definitiv! In diesem Jahr brauchen wir Weihnachten sogar dringender als zuvor, meint unser Autor Benedikt Bögle.
Es ist das zweite Weihnachtsfest unter den Bedingungen der Corona-Pandemie. Wieder steigen die Zahlen und wieder wissen wir nicht, welche Regelungen zu Weihnachten gelten werden. Sind Feiern im Familienkreis überhaupt möglich? Viele Familien können vielleicht auch deshalb nicht recht in Weihnachtsstimmung kommen, weil sie einen geliebten Angehörigen an die Krankheit verloren haben. Wollen, ja können wir da überhaupt Weihnachten feiern? Ja, das müssen wir sogar! Weihnachten ist ein Fest für die Krisenzeit, für die traurigen und einsamen Menschen.
Das erste Weihnachten
Die vier Evangelisten gehen mit der Geburt Jesu unterschiedlich um. Markus und Johannes berichten nichts vom ersten Weihnachten. Anders die beiden Evangelisten Matthäus und Lukas. Letzterer erzählt die Geschichte von der Geburt Jesu, die allgegenwärtig ist und auch in den Weihnachtsgottesdiensten verkündet wird: Maria und Josef müssen wegen einer Volkszählung von ihrer Heimat Nazaret nach Betlehem gehen. Dort wird Jesus geboren. Weil aber kein Gastwirt mehr Platz für die kleine Familie hat, muss sie in einem Stall unterkommen.
Matthäus dagegen weiß nichts von einer Volkszählung und auch nichts von einer Wanderung von Nazaret nach Betlehem. Für ihn wird Jesus am Wohnort seiner Eltern in Betlehem geboren. Als nun aber der König Herodes davon hört, lässt er alle kleinen Jungen in der Stadt töten. Die heilige Familie schafft die Flucht nach Ägypten. Als sie nach einigen Jahren zurückkehren können, siedeln sie sich aber sicherheitshalber nicht in der alten Heimat Betlehem an, sondern ziehen in das nördlicher gelegene Nazaret.
Geburt unter freiem Himmel
Beide Evangelisten haben – bei all den Unterschieden im Detail – eines gemeinsam: Sie erzählen mitnichten eine romantische und schöne Geschichte. Ganz im Gegenteil. Nach dem Evangelisten Lukas muss die ganze Situation schrecklich gewesen sein. Das beginnt schon mit der Volkszählung. Die ordnet der Kaiser nicht aus reinem Interesse über die Zusammensetzung seines Volkes an. Es handelt sich vielmehr um eine Eintragung in „Steuerlisten“ – deren Ergebnis durchaus existenzbedrohend gewesen sein mag.
Maria muss hochschwanger den Weg nach Betlehem antreten – nicht in einem Auto, sondern zu Fuß, im besten Fall auf einem Esel. In Betlehem angekommen, beginnt direkt die Geburt – in irgendeinem Stall oder in einer kalten Grotte. Das kann, bei nächtlichen Temperaturen, für ein Kind schnell lebensgefährlich werden. Es ist dramatisch, dass niemand in Betlehem ein Zimmer für die Familie mit ihrem Neugeborenen hat. Eine ernste, lebensbedrohliche Situation.
Die heilige Flüchtlingsfamilie
Bei Matthäus sieht das nicht viel anders aus. Bei ihm kommt Jesus zwar ohne weitere Komplikationen auf die Welt; was sich anschließt, ist aber nicht weniger lebensbedrohlich. Knapp nur kann die Familie dem Kindermord von Betlehem entgehen. Die heilige Familie lebt fortan fern der Heimat als Flüchtlingsfamilie. Nicht einmal nach der Rückkehr ins Heilige Land können sie nach Hause – aus Angst müssen sie ihr Leben von vorne im unbekannten Nazareth beginnen.
Beide Evangelisten drücken damit aus, dass Jesus in das Elend dieser Welt geboren wurde. In Jesus Christus ist das Wort Gottes Mensch geworden. Und das ist ganz ernst gemeint: Jesus wird nicht nur zum Schein Mensch; er wählt auch kein Menschsein erster Klasse. Schon in der Geburt nimmt Jesus die menschliche Natur in all ihrer Begrenztheit, Verwundung und Hinfälligkeit an. Wer weiß, an welchem Ort sich in diesem Jahr die Geburt des ewigen Wortes ereignen würde? Auf einer Intensivstation, unter obdachlosen und frierenden Menschen auf der Straße?
Das Fest der Liebe
Weihnachten wird gerne als „Fest der Liebe“ bezeichnet. Vor allem dort, wo mit der christlichen Botschaft von der Menschwerdung keine Verbindung mehr besteht, ist die Redewendung beliebt. Wer hat schon etwas gegen ein „Fest der Liebe“? Und tatsächlich: Weihnachten ist das Fest der Liebe Gottes zu den Menschen. Es ist das Fest der Hoffnung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde. Dieses Fest wird umso strahlender, je dringender diese Hoffnung gebraucht wird – so wie es auch in der aktuellen Corona-Situation der Fall ist.
Schreibe einen Kommentar