Es ist uns allen schon einmal passiert: eine Freundschaft, die scheinbar unerwartet in die Brüche geht. Vielleicht, weil es einen Streit oder eine Meinungsverschiedenheit gab, oder aber auch, weil einer von beiden sich plötzlich nicht mehr gemeldet hat. Aber wie kommt es dazu, dass wir eine Freundschaft beenden oder uns sogar bewusst dafür entscheiden, Menschen aus unserem Leben zu streichen?

Manche Freundschaften sind einfach nicht dafür gemacht, eine Ewigkeit zu halten. Die Gründe dafür sind so vielfältig und zahlreich, dass es gar nicht so einfach ist, durchzublicken. Was unterscheidet sie von Freundschaften, die scheinbar wie von alleine am Leben bleiben? Seien wir mal ehrlich, jeder wünscht sich eine Freundschaft, die von beiden Seiten Anklang findet. Es macht überhaupt keinen Sinn, einer Person hinterherzulaufen oder eine Nähe zu erzwingen, die gar nicht da ist. Und doch kommt es viel öfter vor, als man auf den ersten Blick meinen könnte.
Ein unterbewusstes Kräftezerren
Viele Freundschaften fangen zwar nicht damit an, dass man jemandem hinterherläuft, und doch sind sie immer ein unterbewusstes Kräftezerren. Oft fängt es schon beim Gesprächsanteil an: Ihr kennt bestimmt diese eine Freundin, die immer etwas zu erzählen hat und auch erwartet, dass du zuhörst (was in einer Freundschaft, nebenbei gesagt, selbstverständlich sein sollte). So weit, so gut. Doch sobald du auch nur ein bisschen anfängst, von dir zu erzählen oder von Dingen, die dich gerade beschäftigen, grätscht sie mit einer ihrer spannenden Geschichten dazwischen, ohne dich ausreden zu lassen. In der Sprachwissenschaft nennt es sich auch, the conversational floor und idealerweise ist es immer ein Austausch zwischen zwei Personen und nicht das oben beschriebene Ungleichgewicht des Redeanteils.
Zugegeben, manchmal sind wir auch selber nicht besser, wenn uns ein bestimmtes Thema stark beschäftigt, dann wollen wir oft viel und auch möglichst nur darüber sprechen. Aber da sollten wir immer offen für Kritik und vor allem auch reflektiert vorgehen. Eine Freundschaft ist nie statisch. Sie verändert sich immer ein bisschen, mit jedem Treffen, mit jeder Erzählung und mit jedem gemeinsamen Erlebnis lernen wir uns ein Stückchen besser kennen und entdecken selbst bei sehr langen Freundschaften immer etwas Neues, was wir noch nicht wussten. Dann offen gesagt, werden wir weder unsere Freunde, noch unseren Partner jemals zu 100% kennen, aber wir können uns zumindest um die möglichen 90% bemühen.
Wenn Introverts auf die Extroverts treffen
Es gibt auf dieser Welt so unendlich viele Charaktere, wie Sandkörner am Meer und das macht es so schwierig, den perfekten besten Freund oder Freundin zu finden. Zu allem Überfluss ziehen wir auch noch oft genau das Gegenteil von dem an, wie wir eigentlich sind. Es ist nicht zu unterschätzen, wie schwierig es sein kann, wenn du introvertiert bist und deine beste Freundin total extrovertiert. Ihr nehmt die Dinge unterschiedlich wahr und findet auch unterschiedliche Dinge kräftzerrend. Als Introvert braucht man meistens viel Zeit für sich und Ruhe, da soziale Events schnell mal zu viel werden. Danach braucht es einige Zeit, bis man sich wieder davon erholt hat.
Es hat weniger mit den Menschen zu tun, sondern mehr mit dem sozialen Druck, den man empfindet und von dem man sich zurückzuziehen sucht. Als Extrovert lebt man förmlich von den sozialen Events und der Kommunikation mit anderen. Man empfindet eher das Alleinsein un die „Langeweile zu Hause“ als anstrengend und kräfteraubend. Daraus resultiert aber auch eine subtile Ungleichheit in der Freundschaft. Wenn du introvertiert bist und viel Zeit für dich brauchst, nimmst du dir vermutlich viel Zeit für deine Freundin, aber eben nicht für viele andere Menschen in deinem Leben. Deine Kapazitäten sind schnell mal erschöpft und manchmal fragst du dich, ob es normal ist. Deine Freundin hingegen kann von Party zu Party springen und ist danach total vital und fröhlich, während du dich in dein Bett verkriechen und schlafen könntest. Diese Ungleichheit kann tolle Früchte tragen, wenn beide Freundinnen sensibel sind und aufeinander Rücksicht nehmen. Oft passiert es jedoch, dass eine von beiden das Handtuch wirft, weil sich gleich und gleich doch lieber gesellen.
Freundschaft darf nicht einfach ersetzbar werden
Ungleichheit muss nicht negativ sein, aber sie erfordert sehr viel Reflektion und Empathie für die andere Seite, die nur sehr wenige Menschen aufbringen können. Und gerade in der heutigen Zeit, in der es fast selbstverständlich geworden ist, Dinge zu ersetzen, macht dieses Prinzip nicht von den zwischenmenschlichen Beziehungen halt. Auch sie sind Opfer dieser allgegenwärtigen Ersetzbarkeit geworden. Wenn wir uns umschauen, entscheiden sich Menschen auch viel häufiger für die einfacheren Dinge: lieber Fastfood, statt selber zu Hause kochen; lieber Klamotten von der Stange, als selbstgeschneidert; lieber eine unkomplizierte Freundschaft, als eine, die manchmal schwierig ist.
Aus diesem Grund wird es immer schwieriger, innige und verständnisvolle Freundschaften zu führen und sie auch zu halten. Die Bereitschaft dafür muss von beiden Seiten kommen und man muss kompromissbereit sein, um die vielen Hürden wie Zeitmangel, Job und Familie zu überwinden und sich nicht auseinanderzuleben. Wir müssen uns anstrengen, damit eine Freundschaft wachsen und funktionieren kann. Und das funktioniert nicht, wenn wir immer den einfachen Weg wählen und uns für die Problemlosigkeit entscheiden. Es funktioniert nur, wenn wir Wertschätzung, Zeit und Empathie haben, um die Person vor uns als Ganzes wahrzunehmen und zu akzeptieren, ihr zu verzeihen, wenn sie Fehler macht (aber diese auch einsieht und sich entschuldigt).
Aber sehr oft reicht nur eine Entschuldigung nicht aus; sie muss von Herzen kommen und die Gewissheit mit sich bringen, dass der Freund begriffen hat, wieso das Verhalten nicht richtig war. Nur so bleibt man als Freunde auf derselben Wellenlänge. Eine Entschuldigung sollte auch eine Korrektur des Fehlverhaltens mit sich bringen, denn eine Entschuldigung nur der Form halber ist nichts wert, es bleibt eine leere Worthülse ohne Inhalt. Es war noch nie so schwer, Freundschaften aufzubauen, die bleiben und die wertvoll sind, deswegen liegt es in unserer Hand, uns dafür einzusetzen. Es liegt in unserer Hand, die Wichtigkeit zu erkennen, die wahre Freundschaften mit sich bringen und unsere Werte zu bewahren.
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