Smalltalk ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Wir reden über das Wetter, die Anreise. Doch gerade Menschen, die gerne herausstechen möchten, brüsten sich damit, Smalltalk nicht zu mögen, weil es reine Zeitverschwendung wäre. Gibt es doch oftmals viel wichtigere Themen und Dinge, in die man seine Zeit besser investieren kann, oder?

Ich sehe doch selber, wie das Wetter gerade ist.
Ich erinnere mich noch genau, wie schwierig es für mich früher war, auf Menschen zuzugehen und ein Gespräch anzufangen. Es fing beim Schulwechsel an und setzte sich in jedem neuen Kurs und sogar noch an der Uni fort. Mich selber habe ich nie für den idealen Smalltalker gehalten und habe oft versucht, das Gespräch direkt auf die Dinge zu lenken, die von Interesse und Bedeutung waren. Das hatte zur Folge, dass ich mich oftmals in Gesprächen wiederfand, die ins Leere liefen oder zu sehr auf ein Thema fokussiert waren und dadurch nicht besonders befriedigend waren. Trotzdem habe ich Smalltalk immer gewissermaßen verurteilt. Wer will schon über so viele oberflächliche Dinge sprechen, wie das Wetter? Ich sehe doch selber, wie das Wetter gerade ist.
1. Smalltalk öffnet Türen
Aus meiner Kuriosität entstand der Wunsch, zu verstehen, wieso so viele Menschen scheinbar unbewusst Smalltalk nutzen, ohne die Oberflächlichkeit darin anstößig zu finden. Es stellte sich heraus, dass Smalltalk thematisch an sich eigentlich nicht sehr bedeutsam ist. Vielmehr ist es ein Annäherungsversuch an eine Person, die man noch nicht gut kennt. Wir unterhalten uns im Sinne des Herantastens an die Persönlichkeit des anderen. Man kann es sich vorstellen wie ein Austesten von Grenzen und Interessen und es gibt vielfältige Möglichkeiten, Türen zu öffnen für bestimmte Themen. Wie allgemein bekannt ist, macht die Stimme eines Menschen, seine Haltung und sein gesamtes Auftreten viel mehr aus, als der Inhalt, über den gesprochen wird. Auch das ist das eigentlich wichtige am Smalltalk.
2. Smalltalk ist wie Speed-Dating
Auch das ist ein signifikanter Vorteil von Smalltalk. Bestimmt ist es dir auch schon mal passiert, dass du mit einem Menschen, den du wenig kennst über intimere Dinge, wie Gefühle oder Verletzungen gesprochen hast (oder dieser Mensch mit dir). Danach ist es immer sehr schwierig, wenn du feststellst, dass die Wellenlänge doch nicht so richtig passen will. Andererseits hast du aber schon viel über dich preisgegeben und irgendwie ist es unangenehm, zu wissen, dass dieser Mensch mit all dem Wissen über dich weiter in die Welt ziehen wird. Wenn du jedoch nur Smalltalk Themen angeschnitten hast, seid ihr beide erstmal auf der sicheren Seite, ohne emotional am Anfang schon zu viel zu investieren (interessanterweise ist es den meisten auch unangenehm). Bei den ersten Gesprächen ist es sinnvoll eher unverbindlich zu bleiben.
3. Smalltalk ist unglaublich flexibel
Das Gute dabei ist, dass jedes Gespräch und seine Wendungen unter anderem von dir abhängen. Das bedeutet, du kannst sogar ein belanglos angefangenes Gespräch in eine interessante Richtung lenken und daraus ein bereicherndes Erlebnis machen. Die Königsdisziplin ist, Fragen zu stellen, ohne diese aber wie ein Verhör klingen zu lassen und nicht zu vergessen, auch von sich selber etwas preiszugeben.
Interesse an deinem Gegenüber, interessiertes Zuhören und Folgefragen sind natürlich auch vorausgesetzt. Selbstverständlich sind an einem Gespräch immer zwei beteiligt. Damit wird es noch etwas einfacher, ein Thema auszuloten, das beide interessiert, weil beide versuchen werden, das Gespräch zu lenken. Wenn man gemeinsam herausfindet, dass die Wellenlänge stimmt, fühlt man sich großartig und inspiriert. Solche Momente sind es, die eine wirklich wertvolle Facette von Smalltalk zeigen: die Verbindung, die wir dadurch zu anderen Menschen erlangen.
4. Smalltalk steigert deine Zufriedenheit
Eine Studie aus dem Jahr 2015 hat das sogar wissenschaftlich belegt. Eigentlich liegt diese Erkenntnis auf der Hand, denn wir alle waren bestimmt schon mal auf einer Party eingeladen, auf der wir niemanden kannten. Die Introvertierten unter uns (zu denen auch ich mich zähle), hatten es sicher schwer und waren mit Sicherheit die ersten, die nach langem einsamen Rumstehen in einer Ecke nach Hause gegangen sind.
Mit Sicherheit gibt es auch Introvertierte, die es anders machen können, aber oftmals sieht man dieses Phänomen. Wenn wir jetzt aber daran denken, wie viel entspannter es wäre, wenn wir ein auch nur oberflächliches Gespräch auf dieser Party geführt hätten, fühlen wir uns automatisch viel integrierter und nicht mehr als Außenseiter. Das gibt uns ein besseres Gefühl, denn so fühlen wir uns als Teil der Gesellschaft und haben nicht die Befürchtung zwischenmenschlich total versagt zu haben.
5. Smalltalk ist nicht nur für private Kontakte gut
Tatsächlich ist Smalltalk dafür verantwortlich, dass wir bessere Beziehungen aufbauen können, so stellen wir immer wieder eine Verbindung zwischen uns und dem Gegenüber her, nehmen an seinem Leben teil. Dies gilt aber sowohl für unsere privaten Kontakte, als auch darüber hinaus. Denn wenn die zwischenmenschliche Ebene nicht stimmt, wird sich vermutlich auch eine berufliche Verbindung nicht lange halten können. Gerade deswegen muss es vor allem zwischenmenschlich funken, damit alles weitere darauf aufbauen kann. Dadurch entsteht als Folge dann auch das allseits begehrte „Vitamin B“.
Smalltalk ist unsere Stütze im Alltag
Du siehst, es gibt eigentlich keinen Grund, Smalltalk zu verteufeln und uns vehement dagegen zu wehren. Die auf den ersten Blick oberflächlich erscheinenden Gespräche haben alle einen Sinn und manchmal auch einen Zweck. Smalltalk eröffnet uns viele Möglichkeiten, derer wir uns bewusst sein sollten, um diese überhaupt nutzen zu können. Unsere Aufgabe besteht darin, ein zufriedenes Leben zu führen, wobei uns Smalltalk unterstützen kann. Vor allem ist es alles andere, als Zeitverschwendung; es ist eine großartige Möglichkeit, etwas über sich uns andere herauszufinden, neue Menschen wirklich kennenzulernen und sich zu begeistern.
Smalltalk ist nicht unser Zeiträuber oder Feind – er ist vielmehr eine ständige Begleitung, eine Stütze in unserem Alltag und in unserem gesamten Leben.
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