In der Osternacht feiert die ganze Christenheit die Auferstehung Jesu von den Toten. Das hat mit der ganzen Geschichte, aber auch mit jedem Menschen zu tun, berichtet unser Autor Benedikt Bögle.
„Am ersten Tag der Woche kamen sie in aller Frühe zum Grab, als eben die Sonne aufging.“ (Markus 16,2) Früh am Morgen kommen Frauen zum Grab Jesu und sehen, dass sein Leichnam weg ist – weil er von den Toten auferstanden ist, wie sich später herausstellt. Deswegen feiert die Kirche Ostern auch früh am Morgen, um vier oder fünf Uhr am Ostersonntag treffen sich die Christen, um die Auferstehung Jesu zu feiern. Zu Beginn des Gottesdienstes wird die Osterkerze entzündet, Sinnbild für das Licht, das Jesus in die Welt gebracht hat. Darauf folgen neun Lesungen aus dem Alten und Neuen Testament.
Gott hat die Welt geschaffen
Diese Lesungen erzählen von der kompletten Geschichte Gottes mit den Menschen. Das beginnt mit der ersten Lesung (Genesis 1,1-2,2), die von der Erschaffung der Welt spricht. Gott ist es, der das Leben erschafft. Auch wenn heute klar ist, dass ein wortwörtliches Verständnis der Schöpfungsgeschichte unangemessen ist, muss das ja nicht bedeuten, dass die grundlegende Aussage falsch ist: Gott hat das Leben ins Sein gerufen. Er wollte, dass es Leben gibt und er wollte, dass es den Menschen gibt.
Darauf folgt die Lesung, die von der Beinahe-Opferung Isaaks erzählt (Genesis 22,1-18). Abraham wird von Gott auf die Probe gestellt. Er soll Isaak, seinen geliebten Sohn opfern. Grausam! Im letzten Augenblick greift Gott ein, er verhindert den Tod des Sohnes. Irgendwie erinnert das schon auch an das Geschehen am Kreuz: Auch dort gibt ein Vater – Gott selbst – seinen Sohn hin. Gleichzeitig ist das eine starke Botschaft für das Leben, denn Gott verheißt Abraham: „Weil du das getan hast und deinen einzigen Sohn mir nicht vorenthalten hast, will ich dir Segen schenken in Fülle und deine Nachkommen zahlreich machen wie die Sterne am Himmel und den Sand am Meeresstrand“ (Genesis 22,16-17).
Warum greift Gott nicht ein?
Die dritte Lesung (Exodus 14,15-15,1) erzählt vom Auszug Israels aus Ägypten. Gott befreit sein Volk. Er erbarmt sich, er hat das Flehen und die Not seines Volkes wirklich gehört. Er hat Mitleid und greift in den Lauf der Geschichte ein. Das würde man sich doch öfters wünschen! Man würde sich wünschen, dass Gott handelt, auf das Unrecht in aller Welt reagiert. Obwohl die schwierige Frage bleibt, weshalb Gott das gerade nicht tut – die Hoffnung von Juden und Christen ist, dass Gott eines Tages eingreifen wird. Der Tag wird kommen, an dem das Unrecht besiegt wird, an dem die Liebe Gottes triumphiert, an dem die Welt gerettet wird.
Ist Gott am Ende gerecht?
Auf diese Perspektive reagieren die folgenden Lesungen. Sie sind „eschatologisch“, das heißt, sie handeln von den letzten Dingen, von dem, was am Ende der Welt geschehen wird. Die Hoffnung: Gott wird sich am Ende als der Gerechte erweisen, der im Überfluss beschenken wird: „Auf, ihr Durstigen, kommt alle zum Wasser! Auch wer kein Geld hat, soll kommen. Kauft Getreide, und esst, kommt und kauft ohne Geld, kauft Wein und Milch ohne Bezahlung!“ (Jesaja 55,1) Es sind starke Worte, die in der Osternacht verlesen werden. Worte, die die Beziehung Gottes zur Menschheit besingen: „Ihr werdet mein Volk sein und ich werde euer Gott sein“ (Ezechiel 36,28).
Es bleibt: Angst
Dies gipfelt im Evangelium, das von der Auferstehung Jesu erzählt (Markus 16,1-7): Frauen kommen zum Grab und sehen, dass der Leichnam Jesu weg ist. Ein „junger Mann“, wohl ein Engel, verkündet: „Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier.“ (Markus 16,6) Diese Worte sind der Kern der christlichen Botschaft: Er ist auferstanden! Die Frauen am Grab haben auch jetzt noch Angst.
Ursprünglich endet das Markusevangelium mit den wenig tröstenden Worten: „Und sie sagten niemandem etwas davon; denn sie fürchteten sich“ (Markus 16,8). Nun, sie sagten dann wohl doch jemandem etwas davon, denn die Botschaft von der Auferstehung Jesu lebt bis heute. Sie hat das Leben vieler Menschen revolutioniert. Und sie soll auch heute noch das Leben ändern, umkrempeln. Es ist vermutlich Absicht, dass das Markusevangelium in Angst und Trauer endet. Denn das nimmt den Leser in die Pflicht. Er muss sich selbst mit Jesus beschäftigen. Er bekommt kein vorgefertigtes Ende geliefert.
Auferstehung für Jeden
Diese Auferstehung Jesu ist Zeichen dafür, dass einst alle Menschen auferstehen werden – das war schon für die ersten Christen Gewissheit. Der Apostel Paulus mahnt (Römerbrief 6,3-11): „Wenn wir nämlich ihm gleich geworden sind in seinem Tod, dann werden wir mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt sein“ (Römerbrief 6,5). Die große Botschaft des Christentums ist die unzerbrechliche Liebe Gottes. Alle Lesungen der Osternacht sprechen von der Liebe Gottes zu den Menschen. Man könnte diese Geschichte auch anders erzählen, als große Erzählung des Versagens der Menschheit: Statt Schöpfung Sündenfall, statt dem Auszug aus Ägypten die ständigen Gesetzesübertretungen Israels, statt der tröstenden Worte der Propheten die drohenden Gerichtsreden.
So denkt Gott aber nicht. Er trägt die Schuld nicht nach, sondern vergibt. Er verlässt die Menschheit nicht, obwohl das wohl mehr als berechtigt wäre. Er stirbt für die Menschheit am Kreuz und ermöglicht ewiges Leben. Deswegen ist die Osternacht der Mittelpunkt des christlichen Glaubens. Es ist die Nacht, in der immer wieder aufs Neue die Welt neu geschaffen wird.
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