Die enormen Mengen an Plastik in den Meeren sind kein neues Problem. Es ist schon lange weltweit bekannt. Eine mutige junge Dame nahm sich dieses Problems an und fand eine innovative Lösung.
Als gebürtige Sauerländerin liebte Marcella Hansch schon immer die Berge und die Natur. Sie liest viel ist klug und ein richtiger Sturkopf. Eine Sache machte ihr jedoch Angst. Fische. Ja genau, sie hat panische Angst vor Fischen. Da sie dies aber nicht für immer so sein lassen wollte, entschied sie sich vor ein paar Jahren eine Schocktherapie zu machen und flog zu den Kapverden, einem Inselstaat an der Westküste Afrikas, um dort zu tauchen. Es dauerte nicht lange, da berührte sie etwas am Bein. Panik breitete sich in ihr aus, es musste ein Fisch gewesen sein. Wild trampelnd beruhigte sie sich irgendwann und entschied sich, ihrer Angst entgegen zu blicken. Doch statt des erwarteten Fischs war es eine Plastiktüte, die ihr Bein gestreift hatte.
Bei genauerem Umschauen entdeckte sie keinen einzigen Fisch in ihrer Umgebung, aber alles war voll mit Plastikmüll. Das brachte sie zum Nachdenken. Sie dachte, dass es eventuell nur hier Probleme mit Plastikmüll gab, doch noch auf dem Rückflug im Flieger las sie zufällig einen Artikel, der genau das widerlegte. Dort stand das globale Problem des Plastikmülls genau erklärt und dass es dafür keine Lösung gibt. Das konnte doch nicht sein!
Aus Tänzerin wird Meeresretterin
Es ließ sie nicht mehr los. Die nächste Zeit beschäftigte Marcella sich näher mit dem Thema Plastik, wie es ins Meer gelangt, dort zu Mikro-Plastik wird und welche gravierenden Folgen daraus heute schon resultieren. Kleine Seiteninfo: Plastik gibt es erst seit 70 Jahren und schon heute bedeckt es einen Großteil unserer Erde. Also wurde ihr klar, dass da schleunigst eine große Veränderung geschehen muss.
Marcella studierte Architektur und 2013 stand ihre Masterarbeit an. Da lag es doch auf der Hand, dass sie diese ihrem Herzensthema widmete: der Meeresrettung. Natürlich gehörte noch viel mehr als ihr vorhandenes Wissen dazu. So informierte sie sich über Strömungstechnik, Kunststoffherstellung, Konsumverhalten, Recyclingverfahren und weitere Themen, die weit über das Repertoire eines Architekten reichten. Ein Jahr lang bereitete sie sich auf ihre Arbeit vor, bis letztendlich „Pacific Garbage Screening“ (PGS) dabei rauskam.
Sie selbst sagt nur, wenn sie gewusst hätte wie groß ihre Idee werden würde, hätte sie dem ganzen einen einfacheren Namen gegeben. Es handelt sich um eine Plattform, deren bestimmte Bauweise die Strömungen, in denen das Plastik und Mikroplastik schwimmt, beruhigen kann und es so an die Oberfläche treiben lässt. Dort kann es dann einfach abgeschöpft werden. Das ganze passiert, ohne dass Fische und andere Meeresbewohner verletzt werden. Sie können einfach zwischen den Lamellen der Plattform durch und ganz einfach wieder raus schwimmen. Der Clou: Das ganze Plastik wird natürlich nicht verbrannt oder weggeschmissen, sondern wird als Rohstoff für Bioplastik genutzt. Die Umwandlung findet direkt vor Ort auf der schwimmenden Plattform statt. So hat der Müll am Ende dann doch auch einen Sinn gefunden.
Bewusstseinsstärkung
Vor knapp über einem Jahr gründete sie den gemeinnützigen Verein „Pacific Garbage Screening“, mit dem sie sich einerseits für die Umsetzung ihres Plans beschäftigt und andererseits das Bewusstsein der Menschen stärken möchte, was den großen Plastikkonsum und seine Folgen betrifft. Pacific Garbage Screening zählt heute, im Juni 2018, 40 aktive und 400 passive Mitglieder.
Inzwischen wurden weitere Masterarbeiten zu dem Thema ausgeschrieben, um an dem Projekt weiter zu forschen. Die Strömungen wurden genau berechnet und das mit der Rohstoffumwandlung durch Pyrolyse genauer beschaut. Das Ergebnis? Es funktioniert! Pacific Garbage Screening kann unsere Meere tatsächlich vom gefährlichem Mikroplastik befreien. Neben ihrem Job widmet sich Marcella komplett dem PGS. Sie ist unterwegs, um weiteres Wissen zu sammeln, arbeitet mit ihrem Team an der Plattform und vor allem der Verbreitung ihrer Botschaft.
Denn selbst wenn man das Plastik aus dem Wasser rausbekommen kann, ist es trotzdem viel wichtiger, dass es erst gar nicht reinkommt. Darum spricht PGS über Social Media jeden direkt persönlich an und hat schon den einen oder anderen zum Umdenken hinsichtlich seines Plastikkonsums bringen können. Für ihre Arbeit wurde sie mit dem Bundespreis Ecodesign ausgezeichnet und zahlreiche Artikel, Interviews und einer Präsentation, die Marcella im Europaparlament hielt, zeigen, dass es schon lange keine kleine Idee mehr ist.
Ihr Traum
Als nächsten Schritt will sie kleine Prototypen bauen um diese in Flussmündungen und Seen einzusetzen und so das Plastik daran hindern überhaupt erst ins Meer zu gelangen. Um genug Geld für den Bau und die Schaffung von Stellen zu bekommen, macht PGS zur Zeit eine Crowdfunding-Aktion. Später, wenn mit den Prototypen alles geklappt hat, will sie dann je eine Plattform fest in jede der fünf größten Müll-Strömungen verankern. Aber bis dahin wird es wohl noch ein bisschen dauern.
Als Marcella eine Präsentation in ihrem Geburtsort dem kleinen Städtchen Hüsten hielt, hatte ihre Oma genau an diesem Tag Geburtstag und war auch dabei. Und als sie ihre Präsentation beendete, ließ Marcella zum Schluss das Bild eines tiefblauen sauberen Meeres stehen mit den Worten: „Und wenn ich so alt bin wie meine Oma heute und die Meere sehen so aus, dann bin ich glücklich, denn dann habe ich mein Lebensziel erreicht.“
PGS könnte zukünftig unsere Meere vom Plastikmüll befreien und so der Umwelt, den Meeresbewohnern und letztendlich auch uns Menschen, die den Plastikmüll durch Nahrung aufnehmen, zu einem gesunden Leben verhelfen. Auch wenn Marcella heute immer noch Angst vor Fischen hat, taucht sie inzwischen gerne. Und wer weiß, vielleicht muss sie in Zukunft doppelt aufpassen, denn dann möchte bestimmt jeder Fisch gerne einmal mit ihr schwimmen.
Helena Renz
Sehr interessanter Artikel und wahnsinnig gut geschrieben!
Hartmut Benthin
Marcella Hansch
Tolle Frau, die Plastikmüll im Meer abfischen und verwerten will.
Tolle Aktion, mindestens genau so gut wie: Friday for Future. Wenn nicht noch wichtiger!