Im vergangenen Jahr fällte Marcell Jansen eine scheinbar schwere Entscheidung. Er beschloss, mit 29 Jahren dem Zirkus Fußball-Bundesliga ein Ende zu setzen und seine Karriere zu beenden. Er wollte raus aus der Rolle des Fußballprofis und im Gegenzug neue Wege gehen. Mit 23 Jahren gründete Jansen seine eigene GmbH, welche ihm den Sprung aus dem Fußball sicher erleichterte. Zugleich arbeitet er als Experte bei Sky, wo er seiner Liebe dem Fußball die Treue halten kann. Wir sprachen mit einem Menschen, der reflektiert, hinterfragt und außergewöhnliche Wege geht.
Herr Jansen, wie fühlt sich das Leben nach der aktiven Sportlerkarriere an?
Unter der Berücksichtigung, dass ich meine Karriere nicht notgedrungen beenden musste, sondern meiner Profikarriere eigenständig ein Ende setzen konnte, fühlt es sich gut an.
Wie geht es Ihnen mit Ihrer neuen zusätzlichen Aufgabe als Sky-Experte?
Die Arbeit bei Sky empfinde ich als sehr spannend und herausfordernd. Es ist beeindruckend zu beobachten, mit welcher Professionalität dort gearbeitet wird. Im Vorfeld des Engagements war es für mich wichtig, dass ich meine eigenen Ideen, dazu zählt die Sendung „Heimspiel“, einbringen und mit ihr experimentieren darf. Sky hat mir diese Chance gegeben, dafür bin ich dankbar. Des Weiteren ist es gerade für mich ein schöner Nebeneffekt, immer wieder im Rahmen der Übertragungen Stadionluft schnuppern zu dürfen.
Meinen Eltern ist ein Stein vom Herzen gefallen
Sie haben sich den Schritt, des Karriereendes gut überlegt, und mit zahlreichen Menschen darüber gesprochen. Wie wichtig war die Meinung Ihres damaligen Trainers, in dem Fall Bruno Labbadia, und der Mannschaftskollegen?
Sowohl der Trainer als auch meine Mannschaftskollegen habe ich in diesen Entscheidungsprozess nicht eingebunden. Das liegt zum einen daran, dass jeder einzelne Mensch im Teamgebilde selber auf sich fokussiert ist, zum anderen habe ich meine Entscheidung primär mit meiner Familie und Freunden kommuniziert.
Ihr Vater galt als Ihr größter Förderer aber auch Kritiker. Wie fiel seine Reaktion auf den Entschluss des Karriereendes aus?
Entgegen meiner Erwartung ist meinen Eltern sinnbildlich ein Stein vom Herzen gefallen. Und zwar, weil sie das Fußballgeschäft immer mit sehr kritischen Augen betrachtet haben. Denn es war für sie natürlich auch menschlich schwierig, mitanzusehen, wie der kleine Sohn in das große Haifischbecken Bundesliga geworfen wird. Generell ist es immer etwas skurril zu sehen, wenn der doch so junge Mensch schon als vermeintlicher Star gehuldigt wird. Insofern, war es für sie ein schöner Moment, als ich ihnen meine Entscheidung verkündete.
Der Profi, der auch neben dem Platz Regeln bricht
Zu Ihren Lieblingsbüchern zählt „Rule Breaker“ von Gabor Jansky. Inwiefern half Ihnen dieses Buch bei Ihrer Entscheidungsfindung?
Ich denke nicht, dass es mir bei meiner Entscheidung die wichtigsten Impulse gegeben hat. Schon als Junge bin ich immer ein Rebell gewesen. Weil ich die Dinge differenzierter reflektierte. Deshalb verhalf mir dieses Buch primär dazu, mein Verhalten zu verstehen. Wenn du etwas bewegen möchtest, musst du bereit sein, Regeln zu brechen. Das hat mir dieses Buch noch einmal verdeutlicht.
Wer hat Sie bei Ihrer Entscheidung am meisten unterstützt?
Bei meiner Entscheidungsfindung halfen mir selbstverständlich meine engsten Freunde, indem sie mich auf diesem Weg begleitet und gestützt haben. Man muss immer abwägen: Natürlich gab es den bequemeren Weg, nämlich noch ein paar Millionen mitzunehmen, doch die Erfahrung lehrt, dass es oftmals effizienter ist, den schwierigen Weg zu wählen.
Einer hat Sie in Ihrer Entscheidung ganz sicher nicht unterstützt, Rudi Völler. Wie bewerten Sie seinen Satz: „Wer so früh aufhört, der hat den Fußball nie geliebt“ mit ein wenig Abstand?
Natürlich ist es schon ein bisschen merkwürdig, einen Menschen, der seit seinem vierten Lebensjahr Fußball spielt und außerdem für Traditionsvereine wie dem HSV im Dienst war, mit dem Vorwurf zu konfrontieren, er habe den Fußball nie geliebt. Allerdings haben wir alle Differenzen geklärt und insofern ist für mich auch alles wieder gut. Des Weiteren möchte ich noch mal klarstellen, dass ich mich nicht gegen den Fußball, sondern gegen die Seifenblase Bundesliga entschieden habe.
Sie haben schon mit 23 Jahren die Marcell Jansen GmbH gegründet. Nicht jeder macht das. Weshalb so früh einen Plan B, mit welcher Intention?
Der Fußball ist zwar ein schöner und intensiver Sport, doch diese Intensität kann sich im Zuge einer schweren Verletzung rächen. Deshalb bin ich diesbezüglich immer sehr realistisch gewesen. Des Weiteren hat mich die Seifenblase Fußball, in der man alles abgenommen bekommt, kreativ nicht ausgefüllt. Dieser Eindruck hat sich manifestiert, als ich beim FC Bayern München meinen Vertrag unterschrieben habe. Ich wusste, dass ich noch ein zweites Standbein benötige, welches mich fordert. Deshalb entschloss ich mich dazu, ein Start-up zu gründen.
Wie lautet Ihre Einschätzung: Beschäftigen sich viele Fußballer mit dem sogenannten Plan B? Spricht man in der Kabine über die Zeit danach, oder darüber, was geschieht, wenn es nicht klappt?
Vor allem in meinem letzten Jahr konnte ich schon beobachten, dass sich viele Profis, vor allem jedoch auch die zukünftigen Stars, mit Ihrer Zukunft auseinandersetzen. Denn schlussendlich ist die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Fußballkarriere gering. Soll heißen, die Profis spielen Fußball, weil sie ihn mit all seinen Risiken lieben. Es ist zu beobachten, dass immer mehr Akteure sich ein zweites Standbein aufbauen, aufgrund dessen, dass sie der Fußball aufgabentechnisch nicht erfüllt. Zudem möchten sie eine Perspektive für die Zeit nach der Karriere schaffen.
Der Bundesliga fehlt die Zwischenmenschlichkeit
Viele jungen Sportler schaffen es langfristig nicht zum Erfolg. Viele werden durch Verletzungen zurückgeworfen oder schaffen es nie. Was könnten die Vereine konkret tun, damit sich junge Leistungssportler intensiver mit ihrer Zukunft beschäftigen?
Diese Frage wird seit langer Zeit fortwährend impulsiv und konträr diskutiert. Hierbei sehe ich jedoch nicht den Verein, sondern vielmehr den Berater des jeweiligen Spielers in der Pflicht, seinem Klienten die nötigen Tipps, gerade für die Zeit nach der Karriere, mit auf den Weg zu geben. Derzeit fehlt mir dort absolut die zwischenmenschliche Ebene. Denn merkt ein Berater, dass er seinen Schützling nicht mehr gewinnbringend transferieren kann, wird der Kontrakt niedergelegt. Hier muss sich etwas gewaltig ändern.
Für zahlreiche Jugendliche sind gerade Fußballer oftmals Idole und auch Vorbilder. Welche Vorbilder besaßen Sie auf Ihrem Weg in die Bundesliga?
Als Vorbilder dienten immer meine Eltern. Zu ihnen habe ich immer aufgeschaut, weil sie mir meine wichtigsten menschlichen Werte und Kompetenzen mit auf den Weg gegeben haben. Da mein Vater ein guter Spieler war, diente er in fußballerischer Hinsicht ebenfalls als Vorbild. Generell betrachtet habe ich jedoch nie einzelne Profis als Vorbild besessen, sondern eher Mannschaften, welche als Team funktionierten.
Was war der beste Rat, den Ihnen mal jemand gegeben hat und gibt es diesen besten Rat überhaupt?
Ich glaube nicht, dass es diesen einen Satz, jenen einen entscheidenden Rat gibt. Vielmehr besteht dieser entscheidende Rat aus vielen Aspekten, die letztendlich ein Konstrukt bilden. Von meinen Eltern habe ich die sozialen Werte wie Bodenständigkeit, Respekt, Wertschätzung eines jeden Menschen vorgelebt bekommen. Mein Standpunkt ist, dass der Erfolg immer nur temporär ist. Somit ist es für einen Fußballer, der es an die Weltspitze geschafft hat, viel schwieriger, in der Folge wieder in das „normale Leben“ zurückzukehren. Ich habe das große Glück gehabt, in einem Elternhaus aufzuwachsen, in welchem Bodenständigkeit und Disziplin zu den Grundtugenden gehört. Meine Eltern sind jeden Morgen um vier Uhr aufgestanden; wer diese Disziplin mitbekommt, lernt die wahren Werte des Lebens zu schätzen.
Sie sprechen immer wieder von dieser „Seifenblase“ Bundesliga. Was sollte sich aus Ihrer Sicht ändern, was würden Sie verändern, wenn es Ihre Position zulässt?
Meiner Ansicht zufolge fehlt dem Geschäft zurzeit die nötige Transparenz und Zwischenmenschlichkeit. Die Berater, Spieler und der Verein sind zu sehr vom Kommerz getrieben. Wichtig ist jedoch, dass der Profi ehrlich beraten wird und das nicht nur in der Frage „Freiburg oder Ingolstadt?“ Vielmehr ist es die Aufgabe des Beraters, den Spieler auch auf seinem persönlichen, alltäglichen Weg zu begleiten, zu beraten. Hierfür benötige ich keine Berateranwälte, sondern Menschen, die ihren wahren Charakter gegen die Seifenblase Bundesliga noch nicht getauscht haben.
Freunde
In einem Interview mit der Abendzeitung gaben Sie zu Protokoll, dass man als Profi keine echten Freunde hat. Erstaunlich, denn Ottmar Hitzfeld hat in einer Doku genau das Gleiche gesagt. Weshalb ist das so, vor allem, da man im Normalfall nur ein oder zwei Konkurrenten auf einer Position hat?
Diese Frage ist vor allem unter der Voraussetzung, dass man eigentlich nur einen Konkurrenten auf der jeweiligen Position hat, nur sehr schwer zu beantworten und stellt mich vor ein Rätsel. Ich selber habe jedoch tatsächlich Freunde im Fußball gefunden. Zum Beispiel René Adler oder Per Mertesacker, um nur zwei zu nennen. Aufgrund der Tatsache, dass beide jedoch noch unter diesem enormen Druck stehen, kommen Treffen nur sehr selten zustande.
Ein Ausblick: Bestehen aktuelle Planungen und weitere Projekte?
Natürlich plane ich ständig neue Projekte und lasse meiner kreativen Ader freien Lauf. Somit hoffe ich, dass ich noch in diesem Jahr meine größte Vision endlich finalisieren und auf den Markt bringen kann. Auch werde ich weiterhin an der Entwicklung vom GymJunky mitwirken.
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