Nikodemus spricht in der Nacht mit Jesus. Er versteht nicht, was Jesus ihm sagen will: Jeder Mensch muss neu geboren werden, um in das Reich Gottes zu kommen. Was bedeutet das? Glauben Christen an eine Wiedergeburt? Von Benedikt Bögle.
Nikodemus besucht Jesus mitten in der Nacht (Johannesevangelium 3,1-21). Er war ein führender Mann in Jerusalem. Möglicherweise hatte er Angst, mit Jesus gesehen zu werden – und nutzt den Deckmantel der Nacht. Er kommt ins Gespräch mit Jesus und will wissen, wer dieser Mann ist, der allerhand wundersame Dinge tun kann – so zum Beispiel Kranke heilen oder Wasser in Wein verwandeln. Und Jesus sagt etwas kryptisch: „Wenn jemand nicht von oben geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen.“ Nikodemus versteht nicht, was Jesus meint. Kann denn ein Mensch einfach nochmal, „von oben“ geboren werden? Wie soll das funktionieren? Und Jesus versucht, es ihm anders zu sagen: „Wenn jemand nicht aus dem Wasser und dem Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“ Nikodemus begegnet in dieser Nacht und in diesem Gespräch Jesus – und genau darum geht es in der Fastenzeit.
Fastenzeit: Umkehr zu Gott
Aus christlicher Perspektive geht es in der Fastenzeit nicht nur um den reinen Verzicht. „Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider, und kehrt um zum HERRN, eurem Gott“, schreibt etwa der Prophet Joel (Joel 2,13). Nicht der reine Verzicht – etwa auf Alkohol oder Fleisch, Netflix-Serien oder Zigaretten – steht im Mittelpunkt, sondern die Hinwendung zu Gott. Die Fastenzeit will wieder freie Zeit schaffen, in der Menschen ihrem Gott begegnen können. Diese Begegnung kann ganz unterschiedlich aussehen. „Es gibt so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt“, sagte Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., einmal in einem Interview mit dem Journalisten Peter Seewald. Und das gilt auch für die Begegnung mit Gott – und für die ganze Fastenzeit. Und trotzdem gibt es gerade in der Heiligen Schrift immer wieder Vorbilder, die zeigen, wie einzelne Menschen in Jesus Christus ihrem Gott begegnen konnten.
Ein neues Leben als Christ
Die Begegnung mit Nikodemus scheint irgendwie misslungen zu sein. Am Ende bleibt das Unverständnis. Jesus sagt dem Nikodemus sogar: „Du bist der Lehrer Israels und verstehst das nicht?“ Jesus will nicht sagen, dass Menschen wiedergeboren werden, ein zweites Mal auf die Welt kommen müssen sozusagen. Er will ausdrücken: Der Mensch, der in das Reich Gottes kommen will, muss eine ganz neue Existenz sein. Die Kirche sieht die Taufe als diese Geburt „aus dem Wasser und dem Geist“. Damit verbunden ist die Aufforderung, ein neues Leben zu führen. „Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen“, schreibt der Apostel Paulus (Galaterbrief 3,27). Wie ein neues Gewand soll der Christ nach der Taufe „Christus anziehen“, sich die Lebensweise Jesu zu eigen machen.
Auf den Weg machen
Die Begegnung ist also irgendwie misslungen, weil Nikodemus das eigentliche Anliegen Jesu nicht versteht. Andererseits zeigt es aber auch, wie Begegnung mit Jesus gelingen kann: Nikodemus macht sich auf den Weg zu Jesus, mitten in der Nacht, obwohl er vielleicht Angst hat, dabei gesehen zu werden. Er wagt es, Jesus zu treffen. Und er versteht nicht gleich alles, worum es geht. Aber auch das gehört zur Begegnung mit Gott: Sie bleibt manchmal mehrdeutig, sie kann manchmal erst im Nachhinein wirklich gedeutet werden. Das Entscheidende ist aber, sich überhaupt auf den Weg zu machen.
Das kann sich im Alltag ganz unterschiedlich zeigen. Gerade in der Fastenzeit ist es wichtig, sich überhaupt auf den Weg zu machen und die wichtigen Fragen in meinem Leben zu stellen: Was will Gott von mir? Was ist für mich der richtige Weg? Wo kann ich in meinem Leben Jesus begegnen? Dabei darf man auch in der Fastenzeit einmal scheitern. Das Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus endet nicht mit Verständnis. Die beiden scheinen eher aneinander vorbeizureden. Und dennoch: Ein erster Kontakt ist geknüpft – und genau darum sollte es in der Fastenzeit gehen: Wieder neu einen Kontakt zu Gott zu knüpfen.
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