Deutschlands Fußballerinnen scheitern knapp mit 2:1 in der Verlängerung an England im Wembley-Stadion.
Traurige Gesichter nach 120 Minuten leidenschaftlichem Kampf auf dem Fußballplatz. Deutschland konnte das Europameisterschafts-Märchen nicht zu Ende schreiben. Wieder mal gab es eine klare Fehlentscheidung des VAR, die es in solch wichtigen Spielen nicht geben darf. Doch daran will sich die DFB-Elf nicht festbeißen. Damit zeigt diese Mannschaft erneut Größe und weshalb sie in Deutschland so eine Euphorie ausgelöst hat. Sie haben das Finale verloren, aber Millionen von Herzen gewonnen!
„hungriGer“ durchs Turnier gegangen
Deutschland galt vor dem Turnier maximal zum erweiterten Favoritenkreis. Das lag neben den vielen Aufs und Abs während der Vorbereitung und den Qualifikationsspielen auch an dem Fehlen der Topstars Dszenifer Marozsán und Melanie Leupolz. Bei einigen war der durchwachsene Auftritt der Weltmeisterschaft 2019 noch im Hinterkopf. Doch die Mannschaft zeigte in den Werbekampagnen nicht nur das Motto hungriGer, sondern setzte es in Taten auf dem Platz um und begeisterte ebenfalls viele Kritiker des Frauenfußballs. Sie besiegten die Top-Favoritinnen Spanien und Frankreich und standen verdient im Finale, womit vorher wohl kaum jemand gerechnet hatte.
„hungriGer“ – ein Motto, was sich nicht nur auf die Europameisterschaft beziehen sollte
Anti-Frauenfußballer wurden in den sozialen Medien immer lauter, je näher das große Fußballturnier rückte. Immer wieder hetzte man gegen den Frauenfußball und das mediale Interesse am Turnier. Mit einer „jetzt-erst-recht“-Mentalität zeigte die Nationalmannschaft, dass es um mehr geht als den Europa-Meistertitel. Es sind viele Themen, die die Fußballerinnen bewegen und nach denen sie hungriGer sind. Es geht um Akzeptanz, Aufmerksamkeit und Respekt gegenüber dem Fußball der Frauen. Mit der Dokumentation „Born for this“ (zu sehen in der ARD-Mediathek, bei Magenta-TV und Sky) gab es Einblicke wie nie zuvor. Sie zeigen deutlich die Relevanz von Sichtbarkeit.
Neben „Born for this“ zeigt die Reportage von Panorama, dass eine große Baustelle im Frauenfußball das Thema „Hass und Sexismus“ ist.
Trotz der vergangenen Erfolge fehlen noch immer Strukturen und Rahmenbedingungen, um in Deutschland vom Profitum im Frauenfußball sprechen zu können.
Endlich hatten sie im Rahmen des Turniers die verdiente Aufmerksamkeit und machten die Probleme sichtbar, aber vor allem begeisterten sie. Teamgeist, Leidenschaft, Spaß und Spielfreude überzeugten Millionen Zuschauende im Stadion und vor den Fernsehern. Zuletzt vermissten Fans diese Werte bei der Nationalmannschaft, die die Frauen ihnen endlich wiedergaben.
Appell an den DFB: Worten Taten folgen lassen
Lieber DFB, unsere Fußballerinnen haben zwar das Finale verloren, aber wahnsinnig viel für den Fußball erreicht. Sie haben für Deutschland in einer Euphorie gespielt, die es schon lange nicht mehr im Fußballdeutschland gab. Sie haben Bälle im Mittelfeld und Herzen im Sturm erobert. Sie haben Deutschland repräsentiert, wie „Die Mannschaft“ zuletzt 2014 und wie die Frauen in Rio 2016. Sie haben uns gezeigt, welche Werte der Fußball vermitteln kann und was wirklich zählt. Nach dem Gewinn der Olympia-Goldmedaille in Rio hat sich nicht viel im Frauenfußball getan. Deshalb bitte, jetzt erst recht!
Die Nationalmannschaft hat euch die Argumente gegen eine Förderung des Frauenfußballs genommen. Sie zeigten, dass gerade sie Frauenfußball auf qualitativ hohem Niveau spielen. Einen Markwert-Anteil des Fernsehens von Spielen mit über 40 Prozent widersprechen dem Argument, dass Frauenfußball niemanden interessiere. So oft wird mit Angebot und Nachfrage argumentiert. Nun ist die Nachfrage stark angestiegen. Jetzt heißt es seitens des DFBs: Angebote zu schaffen, Strukturen zu verbessern und endlich den Frauenfußball zu professionalisieren!
Die Weltspitze des Frauenfußballs wächst. Viele Nationen haben in den Frauenfußball investiert und schienen, Deutschland längst überholt zu haben. Das Turnier hat gezeigt, dass sich die deutschen Fußballerinnen nicht so schnell abschreiben lassen und zur Weltspitze gehören. Nun heißt es von Verbandsseite aus, endlich aufwachen! Der DFB-Präsident Bernd Neuendorf hat den Frauenfußball zur „Chefsache“ erklärt und auch Oliver Bierhoff sprach in großen Tönen von der Förderung des Frauenfußballs.
Frei zitiert nach Tabea Kemme: „Reden können wir alle. Jetzt geht es darum, ins Machen zu kommen!“
Hoffnung an der Basis für die zweit-mitgliedsstärkste Sportart bei Frauen
Die Frauen-Nationalmannschaft spielte nicht nur für die Profis stark auf, sondern auch für alle Fußballmädchen und Amateurinnen an der Basis. Sie machten sich zu Vorbildern. Aus diesem Auftreten unserer Stars schöpfen gerade auch Mädchen neue Kraft, die allein in Jungen-Mannschaften vor allem auch gegen Diskriminierung und Vorurteile zu kämpfen haben. Manch ein Mädchen, was ans Aufhören gedacht hat, wird es sich jetzt bestimmt nochmal überlegen, ob das die richtige Entscheidung ist.
Liebe Landesverbände, unsere Nationalmannschaft hat bei der Europameisterschaft gezeigt, dass Frauen Fußball lieben und sie eine Bereicherung für den Sport sind. Nicht nur die Topspielerinnen bringen all die Leidenschaft und den Teamgeist auf den Platz, sondern auch eure Amateurinnen. Nehmt den Frauenfußball endlich ernst und seht ihn nicht als ein Klotz am Bein an! Schmeißt ihnen keine weiteren Steine in den Weg, sondern unterstützt beim Steine wegräumen. Nur so könnt auch ihr in den nächsten Jahren vom Frauenfußball profitieren! Schafft Anreize für Frauenmannschaften in den Vereinen anstelle mit horrender Bürokratie, Kosten und schlechten Strukturen abzuschrecken.
Der Frauenfußball scheint endlich, in der deutschen Gesellschaft angekommen zu sein. Nun heißt es: am Ball bleiben!
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