Mit ihrem Sieg beim Eurovision Song Contest hat die österreichische Dragqueen Conchita Wurst nicht nur ihre Anhänger begeistert, sondern auch ein Zeichen für ganz Europa gesetzt. Der Erfolg zeigt, dass der Großteil der Europäer für ein offenes und tolerantes Europa ist, in dem niemand wegen seiner Hautfarbe, seinem Akzent oder seiner sexuellen Orientierung diskriminiert wird. Natürlich ist der ESC nur eine Show, die den politischen und gesellschaftlichen Alltag auf dem Kontinent nicht annähernd wiederspiegeln kann.
Trotzdem gibt der Triumph allen Verfechtern eines geeinten Europas wieder frischen Wind für den Endspurt im Wahlkampf. Die wichtige Entscheidung über die Neuverteilung der Sitze im Europäischen Parlament findet am 25. Mai 2014 bereits zum achten Mal statt. Über 64 Millionen Menschen sind allein in Deutschland dazu aufgerufen zur Urne zu gehen und über die Zukunft Europas mitzuentscheiden.
Veränderter Blickwinkel der heutigen Generation
Doch gerade als junger Erstwähler sollte man sich unbedingt vorher über die verschiedenen Programme und Ideen informieren mit denen die 25 deutschen Parteien antreten. Hilfreich ist dabei insbesondere der „Wahl-O-Mat“. Hierbei werden 38 Thesen präsentiert, zu denen man positiv, neutral oder negativ gestimmt sein kann. Zusätzlich ist eine individuelle Gewichtung einzelner Themengebiete möglich. Am Ende wird die Übereinstimmung mit den vorher selektierten Parteien präsentiert. Natürlich kann der „Wahl-O-Mat“ keine ausführliche Recherche ersetzen, nichtsdestotrotz kann er ein wichtiger Wegweiser für politisch unerfahrene und unentschlossene Wähler sein.
Die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger aus den 28 EU-Mitgliedsstaaten kann weitreichende Folgen für die europäische Politik der nächsten Jahre und Jahrzehnte nach sich ziehen. Jedoch ist gerade in der jüngeren Generation das Verständnis für die Bedeutung von Einheit und Frieden in Europa selten geworden. Das mag einerseits daran liegen, dass ein wiedervereintes Deutschland und kontrollfreie Grenzen zum Selbstverständnis der Gesellschaft von heute gehören. Andererseits hat die europäische Politik durch teils sinnfreie Verordnungen, wie die zur Krümmung der Gurken oder dem Verbot bestimmter Glühbirnen, zu vermehrter Politikverdrossenheit geführt. Deswegen ist es bei der Europawahl 2014 umso wichtiger seine Chance zur Mitbestimmung als junger Unionsbürger zu nutzen, denn es geht mehr als je zuvor auch um die Zukunft des Bündnisses an sich. Immer mehr radikale, sowohl links- als auch rechtsgerichtet, und europakritische Parteien wollen wichtige Errungenschaften europäischer Zusammenarbeit auf politischer und wirtschaftlicher Ebene ins Wanken bringen.
Die großen Fragen
Es stehen einige zentrale Fragen im Raum: Sollen die Länderregierungen mehr Rechte an die EU abtreten, damit diese besser, schneller und effektiver arbeiten kann oder sollen nationalistische Prinzipien weiterhin hochgehalten werden? Ist das Fassungsvermögen der Staatengemeinschaft bereits ausgereizt oder können noch weitere Länder aufgenommen werden? Soll Europa zu einem großen Staat, ähnlich der USA, zusammenwachsen oder soll die kulturelle Vielfalt erhalten bleiben?
Neben diesen grundlegenden Themen beschäftigt auch die sogenannte Austeritätspolitik die politischen Größen in Europa. Dabei geht es prinzipiell um den Umgang mit der steigenden Staatsverschuldung in zahlreichen Staaten Europas. Unter Austerität wird ein strikter Sparkurs zur Sanierung eines maroden Haushaltes verstanden. Dem gegenüber steht der keynesianische Ansatz, der gerade in Zeiten der Krise höhere Investitionen vorsieht, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Die neuen Machthaber in Brüssel könnten durch ihre finanzpolitischen Entscheidungen somit auch das Leben junger Deutscher stark beeinflussen.
Wählen statt beschweren
Obwohl die Entscheidungen, die im europäischen Parlament getroffen werden, uns auf den ersten Blick nicht immer betreffen oder interessieren, zeigen die aufgeführten Fragestellungen die enorme Bedeutung des bevorstehenden Urnengangs. Durch die vom Bundesverfassungsgericht abgewiesene 3-Prozent-Sperrklausel ist nur noch ein Prozent der Stimmen notwendig, damit eine Partei ins Europäische Parlament einzieht. Davon können auch radikale Parteien profitieren. Wer also in einem freien, demokratischen, vereinten und toleranten Europa leben will, der sollte seine Wahlmöglichkeit unbedingt wahrnehmen und am 25. Mai sein Kreuzchen machen. Denn nur durch Mitbestimmung kann ein starkes Europa Konflikte lösen und den Weg in eine gemeinsame Zukunft ebnen.
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