Die Texte und die Geschichte der Bibel sind faszinierend: Seit mehr als 2000 Jahren lesen Menschen die Heilige Schrift und richten ihr Leben nach ihr aus. Eines der schönsten Bücher: Die Psalmen. Sie drücken Hoffnung und Verzweiflung aus und können so für jede Lebenssituation etwas bereithalten. Benedikt Bögle über seine Lieblingspsalmen.

Die Psalmen gehören sicherlich zu den außergewöhnlichsten Büchern der Heiligen Schrift. Die Bibel umfasst Texte unterschiedlicher Gattung: Erzählungen, Briefe, Visionen, Prophetien, Rechtstexte. Das Buch der Psalmen aber besteht aus 150 Gebeten, die die Spiritualität von Judentum und Christentum wie nur wenige andere Teile der Bibel beeinflusst haben.
Die Tradition schreibt den größten Teil dieser Gebete König David zu – jenem König, der zu den schillerndsten Personen der Bibel gehört, obwohl er immer wieder gegen den Willen Gottes verstieß. Wann die einzelnen Psalmen tatsächlich entstanden, ist nicht einfach zu klären. Heute geht man davon aus, dass ein großer Teil der Gebete vor rund zweieinhalbtausend Jahren zum ersten Mal gebetet und dann immer wieder verändert wurde.
Das Faszinierende: Seit damals fühlen sich Menschen von diesen Gebeten angezogen. Ein großer Teil des jüdischen Gebetsschatzes besteht bis heute aus Psalmen, das sogenannte „Stundengebet“ der katholischen Kirche ebenso. Tag für Tag beten Juden und Christen diese Psalmen. Die Psalmen sprechen ihre Beter und Leser in unterschiedlichen Lebenssituationen an – ihre Anziehungskraft kommt sicherlich auch daher. Über alle 150 Psalmen zu schreiben, wäre unmöglich. Deshalb hier meine sieben Lieblingspsalmen.
Platz 7: Psalm 104
Psalm 104 liest sich beinahe wie ein biologischer Text. Der Beter lobt Gott und zählt alle Werke Gottes auf dieser Erde auf: Wasser und Sturm, die Tiere, die Nahrung für den Menschen und das Vieh, Sonne, Mond und Sterne. Die funktionierende Ordnung der Welt, in der wir leben, wird als Schöpfungstat Gottes interpretiert: Er ist es, der diese Welt geschaffen hat und das Leben auf ihr erst ermöglicht. Das Schöne daran ist die tiefe Wertschätzung, die der Beter der Natur entgegenbringt. Sie ist nicht einfach eine Spielwiese des Menschen, in der er sich austoben und die er ausnutzen darf. Sie hat einen eigenen Wert, weil sie Schöpfung Gottes ist. Die einzig mögliche Antwort des Menschen darauf: „Lobe den Herrn, meine Seele!“ (Ps 104,35)
Platz 6: Psalm 91
„Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen.“ (Ps 91,11) Dieser Psalm bringt die große Zuversicht zum Ausdruck, die Menschen immer wieder in Gott setzten und bis heute setzen. Gott rettet „aus der Schlinge des Jägers“ (Ps 91,3). Egal, wie schwierig die eigene Situation erscheint – Gott ist da. Das wird in durchaus blutigen Bildern gezeigt, dem Beter wird versprochen, er werde sehen, wie seine Gegner zugrunde gehen. Sehr fromm hört sich das nicht an. Trotzdem: Ist das nicht menschlich? Wünscht sich nicht jeder einmal, die eigenen Feinde und Gegner würden den Kürzeren ziehen?
Platz 5: Psalm 22
Dieser Psalm wird von der Kirche immer wieder auf Jesu Tod bezogen. Das Faszinierende: Die erste Hälfte des Psalms ist geprägt vom Leid des Beters. Er wird von allen verspottet, hat den Tod schon vor Augen. Dann plötzlich ändert sich die Sprache des Psalms, aus Leid wird ein Lobpreis Gottes. Das zeigt: Egal, wie schlimm es im Leben steht – es kann immer wieder aufwärts gehen.
Platz 4: Psalm 23
Möglicherweise wird kein Psalm im Christentum häufiger gebetet als dieser: „Der Herr ist mein Hirte“ (Ps 23,1). Gerade bei Beerdigungsfeiern wählen die Trauernden oft diesen Psalm aus: Er drückt tiefes Vertrauen in Gott aus. In Gott, der sich um jeden einzelnen seiner Menschen sorgt und das Beste für ihn wünscht. Gerade am Ende des Lebens ein sehr tröstlicher Gedanke.
Platz 3: Psalm 130
Der sogenannte „Bußpsalm“. „Aus der Tiefe“ (Ps 130,1) ruft der Beter zu Gott. Wie in vielen Psalmen klagt der Beter sein Leid – dieses Mal jedoch ist er nicht das unschuldige Opfer. Im Gegenteil: Was ihn diesmal plagt, ist das eigene Unvermögen, die eigene Schuld: „Würdest du, Herr, unsere Sünden beachten, Herr, wer könnte bestehen?“ (Ps 130,3) Doch selbst in dieser Situation kann man noch auf Gott und seine Vergebung vertrauen: „Ja, er wird Israel erlösen von all seinen Sünden.“ (Ps 130,8)
Platz 2: Psalm 139
Einer der schönsten Psalmen überhaupt. Gottes Allmacht wird beschrieben, der alles sieht, den Menschen immer beobachtet. Das hört sich jetzt unheimlich und beängstigend an. Ist es aber nicht, es tröstet. Der Mensch kann sich gar nicht so weit von Gott entfernen, dass Gott irgendwann ganz weg wäre. Vom Anfang des Lebens an begleitet Gott den Menschen: „Herr, du hast mich erforscht und du kennst mich. Ob ich sitze oder stehe, du weißt von mir.“ (Ps 139,1-2)
Platz 1: Psalm 8
Psalm 8 ist ein recht kurzer Psalm. Trotzdem fasst er wesentliche Punkte jüdischen und christlichen Glaubens zusammen: Der Mensch als Gottes Schöpfung. Ungläubig, ja unsicher fragt der Beter: „Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst?“ (Ps 8,5). Dass Gott an den Menschen denkt, steht außer Frage. Das aber ist kaum zu glauben: Was ist schon an uns, dass Gott an uns denken sollte? Warum macht er sich die Mühe mit uns? Ganz beantwortet wird die Frage nicht, sie bleibt im Raum stehen. Eine Anregung, sich selbst Gedanken zu machen. Unter den 150 Psalmen der Bibel finden sich unterschiedlichste Texte: Klagen über Leid und Unrecht, Loblieder auf Gott, Texte von philosophischer Tiefe. In die einzelnen Gebete darf sich jeder hineingenommen wissen. Und eines ist sicher: Es gibt kaum eine Lebenssituationen, für die nicht ein Psalm geschaffen wäre.
Zu Psalm 91
Da mir dieser Psalm in großer Not und Bedrängnis, durch die Dunkelheit, geholfen hat.
Getraue ich mir zu sagen, dass es vor allem, nicht nur, die dunklen Mächte sind denen ihr Untergang vorausgesagt wird!
Wer ist wirklich unser Gegner? Der Mensch? Wohl kaum, es ist das böse, dass ihn dazu treibt uns den Gläubigen zu schaden!
Der Versucher, den Satan geht umher und suchet wenn er verschlingen kann.
Wer sind wir ohne Gott, ohne seinen Schutz?
Zu Psalm 23
Auch dieser Psalm hat großes getan in mir. Dieses Vertrauen. Sollte nicht jeder so denken? DU bist mein Hirte, Du weidest mich…. DU…. niemand sonst! Wenn sollte ich fürchten? Wenn man das wirklich fühlt, bis in den letzten Winkel seines seins! Wenn sollte ich fürchten der Herr ist bei mir. Wenn man diese Psalmen zulässt, sich durchdringen lässt von ihnen!
So ist es als ob man emporgehoben werden würde und ist zugleich eins mit allen, die da sind sind.