In der angeblich zweitkältesten Großstadt der Welt beherrschen Schneeberge und zweistellige Minusgrade die Straßen. Diese Stadt mitten in der kanadischen Prärie hatten sich Freunde von mir für ihren Freiwilligendienst ausgesucht und ich durfte sie besuchen.
Umverteilung für die Hungrigen
Gemüsekisten, 5-Tonnen LKW und eine Menge hochmotivierter Menschen – das ist die tägliche Welt von Daniel, der für ein Jahr in einer deutschen Freiwilligen WG in Winnipeg, Kanada, lebt. Er arbeitet bei Winnipeg Harvest. Die Kanadierin Lee Newton gründete die Initative 1984, um überschüssige Lebensmitteln von Supermärkten und Privathaushalten an die Bedürftigen der Stadt zu verteilen. Mittlerweile werden mit einer aufwändigen Logistik jährlich über 6000 Tonnen Nahrung an die Tafeln der Stadt und des Bundeslandes Manitoba verteilt. In großen Lagerhallen sind die Lebensmittel auf Paletten sortiert – Freiwillige aus Winnipeg und aus aller Welt, darunter Behinderte, Schulklassen, Gelegenheitshelfer und Vollzeitbeschäftigte, sind damit beschäftigt, die Produkte mit großen Lastwagen einzusammeln, zu sortieren und auszufahren. Jede Tafel bekommt dabei immer die gleiche Grundausstattung plus spezielle Lebensmitteln, die an dem Tag im Überfluss sind. Ein Knochenjob mit Köpfchen – wie ich beim Mithelfen feststellte. Ein Highlight war es, einmal einen der großen 5-Tonnen Trucks bewegen zu dürfen – keine Angst, ich durfte nur ein paar Meter auf dem Parkplatz fahren.
Friedensarbeit und Kamele im Schnee
Daniels Mitbewohnerin Tabea teilt ihre Zeit zwischen mehreren Projekten auf. Zum einen arbeitet sie für das Project Peacemakers. Diese Initiative organisierte eine Bibliothek, Begegnungscafes, Aktionen und Vorträge zum Thema Frieden, nach dem Motto: “One little person, giving all of her time to peace, makes news. Many people, giving some of their time, can make history.” In der anderen Hälfte ihrer Zeit engagiert sie sich in der mennonitischen Kirchengemeinde Winnipegs und organisiert zum Beispiel eine kostenlose Kinderbetreuung in den Ferien. Zusammen geht es ins Freibad genauso wie zur Kleiderkammer, wo die Kinder einen Nachmittag Kleidung für Bedürftige sortierten, einen Film sahen und darüber diskutierten. An einem anderen Tag wurde über Klimawandel, Armut und das Nord-Süd Gefälle gesprochen und bunte Decken für Kinder in fernen Ländern genäht. Bei dem anschließenden Ausflug in den Zoo sah ich zum ersten Mal in meinem Leben Kamele im Schneetreiben.
Plattdeutsch und Vollkornbrot
Ich war froh über meine geliehene dicke Winterjacke. Die über 600 000 Einwohner große Stadt Winnipeg war noch vor einigen Jahren die kälteste Stadt ihrer Größe bis das noch kältere Ulan Bator in der Mongolei größer als Winnipeg wurde. In der kanadischen Stadt wird es im Winter bis zu minus fünfzig Grad kalt und im Sommer bis zu über vierzig Grad warm. Winnipeg ist zwar gefühlt eine Stadt mitten im Nirgendwo – doch in der Unistadt ist einiges los. Neue, junge, kleine Cafes, Feste für Familien, Studentenkonzerte, Seniorenaktionen und natürlich Eishockey. Im Sommer soll es hier eines der bekanntesten kanadischen Musikfestivals geben. Es gibt einige große Alleen mit wunderschönen alten kanadischen Villen.
Interessant war, dass hier viele mennonitische Menschen leben. Die Mennoniten sind eine christliche Glaubensgemeinschaft, in Winnipeg vor allem vertreten von ehemaligen Einwanderern aus der Ukraine, deren Vorfahren ursprünglich aus Deutschland kamen. Deshalb sprechen gerade die älteren Leute noch eine Form des Plattdeutschen. Auch eine Bäckerei fand ich, in der es zu meiner großen Freude “German Style Wholemeal Bread” gab – nach drei Monaten unterwegs vermisste ich das Vollkornbrot.
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