Zu den Grundnahrungsmitteln des Menschen gehören neben tierischen Produkten vor allem Brot, Reis, Mais und Kartoffeln – doch das war nicht immer so! Warum beendeten die Menschen ihren nomadischen Lebensstil als Jäger und Sammler, um sich als Bauern dem Säen, Bewässern und Ernten ihrer Pflanzen zu widmen? Ein Blick in die Vergangenheit.

In einem Tal, umgeben von Wäldern und sanften Hügeln, siedelte sich einst eine Gruppe von Menschen an. Sie lebten von allem, was ihnen die Natur gab: Sie jagten die großen Tiere des Waldes, fingen kleine Fische mit Speeren im Fluss, pflückten die reifen Früchte der Sträucher und gruben nach essbaren Wurzeln. Wenn einmal genügend Nahrung vorhanden war, häkelten sie Kleidung aus dem Fell erlegter Tiere, bauten kleine Werkzeuge aus den Knochen und größere mithilfe von Feuersteinen. Anschließend ruhten sie sich aus oder widmeten sich in aller Ruhe ihrer Familie zu, denn sie hatten genügend Freizeit. Sollte ein Ort nicht mehr den Vorstellungen genügen, wurde einfach ein neuer Lagerplatz gesucht.
Diese romantische Vorstellung des vormodernen Lebens prägten vor allem aufklärerische Philosophen, wie Jean-Jacques Rousseau, der den vormodernen Menschen als „edlen Wilden“ betrachtete. Ganz anders sah dies der britische Theoretiker Thomas Hobbes, denn er urteilte über den Naturzustand des Menschen als „Krieg aller gegen alle“, da für ihn feststand: „homo homini lupus“ („der Mensch ist dem Mitmenschen ein Wolf“). Egal, für welche Vorstellung wir uns letztlich entscheiden, außer Zweifel steht, dass diese Zeit und damit der überwiegende Teil der Menschheitsgeschichte um 10.000 v. Chr. endete.
Eine wahre Revolution
Die Menschen fingen an, ihren seither gehegten Lebensstil als Jäger und Sammler gegen das Leben als Landwirte auszutauschen. Das Überraschende: Diese sogenannte „Neolithische Revolution“ fand auf mehreren Kontinenten nahezu gleichzeitig statt. Im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris (im heutigen Irak) bauten die Menschen Weizen an, während um 7000 v. Chr. der erste Reis im heutigen China wuchs. Auch in Afrika (Hirse), Nordamerika (Kartoffeln), Südamerika (Mais) sowie in weiteren Regionen kam es in den darauffolgenden Jahrhunderten zur landwirtschaftlichen Revolution.
In der Fachwelt kursieren mannigfaltige Theorien, was den Ausschlag für die neolithische Revolution gab. Manche Theorien gehen davon aus, dass externe Veränderungen, wie etwa eine lange Dürreperiode, die Menschen global vor das Problem einer zunehmenden Nahrungsmittelknappheit stellte. Andere sehen die Menschen selbst als Verursacher, denn der Homo Sapiens stelle mit seinen kognitiven Fähigkeiten, dem Agieren in einer Gruppe und seinem Erfindungsreichtum eine tödliche Mischung dar. Dies wird in Australien deutlich, wo nach der Ankunft des Menschen vor 15.000 Jahren der größte Teil der Makrofauna ausgerottet wurde.
Die Landwirtschaft stellte die Menschen vor unbekannte Probleme, auf die sie mithilfe ihres unglaublichen kognitiven Potenzials antworteten. Nach der Ernte mussten die Keramiken geordnet, sortiert und gelagert werden. Außerdem wurde errechnet, wie lange der Vorrat reichen wird. So wurden die Schrift und die Mathematik erfunden. Aber auch die Natur selbst wurde nun kräftig verändert: Deiche wurden gegen Fluten errichtet, Felder angelegt, Dämme zur Bewässerung errichtet, Wälder abgeholzt und die ersten Städte gebaut.

Und die Falle schnappt zu…
Durch Landwirtschaft konnten die Menschen deutlich mehr erwirtschaften, als sie tatsächlich verbrauchten. Während in der vormodernen Zeit nur etwa so viel erjagt, gepflückt oder gefischt wurde, wie man es benötigte , maximierten die neolithischen Menschen ihre Ernten, um so viel wie möglich zu bekommen. Dies führte zu einer deutlichen Steigerung der Geburtenrate, um mehr Kinder innerhalb einer Gruppe ernähren zu können . Allerdings mussten in der Folgeperiode mehr Münder als zuvor gestopft und damit mehr geerntet werden. Der britische Ökonom Thomas Malthus beschrieb diesen Prozess als Erster, sodass man heute von der „Malthusischen Falle“ spricht.
Um auf das romantische Tal zu Beginn zurückzukommen, kann man annehmen, dass sich die Menschen mit der Zeit dazu entschlossen, hauptsächlich Weizen anzubauen. Bei einer Gruppe von 100 Menschen konnten diese einen Überschuss erzielen und etwa zehn Kinder mehr hinzubekommen, als alte Gruppenmitglieder starben. Nun musste aber noch mehr Weizen angebaut werden, damit alle satt wurden. Mit jeder technischen Entwicklung, die die Produktion von Weizen, Mais oder Reis verbesserte, stellte sich somit kein langfristiges Wachstum oder eine Verbesserung der Lebensqualität ein, sondern lediglich eine Zunahme der Geburtenrate.
Zudem fordern Mais, Kartoffeln und Co. sehr viel Aufmerksamkeit und Fürsorge. Man muss sie nicht nur säen, wässern und ernten , sondern auch vor großen Fressfeinden sowie vor Käfern, Pilzen und Krankheiten schützen. Sie sind auch anfällig gegen jede Form von klimatischen Veränderungen – schon ein Sommersturm mit Blitz und Hagel kann den Erfolg eines ganzen Jahres gefährden. Während die vormodernen Menschen den größten Teil ihres Tages mit Faulenzen, Spielen, Werkeln und Sozialisieren verbrachten, wurde die Landwirtschaft für die Menschen ein Fulltime-Job. Obwohl die Menschen durch die Landwirtschaft ihre Nahrungsversorgung unabhängig und planbar machen wollten, wurden sie von ihrer eigenen Erfindung über Jahrtausende versklavt. Denn die durchschnittliche Ausstattung eines Bauern in Mesopotamien unterschied sich nur minimal von einem englischen Farmer im 18. Jahrhundert. So kann man durchaus, laut verschiedenen Autoren wie etwa Yuval Harari, vom „größten Betrug der Geschichte“ sprechen.

Mit Dampf, Eisen und Ideen
Die Menschheit schaffte es erst vor 200 Jahren, der Malthusischen Falle zu entfliehen. In der nächsten Revolution, nämlich der industriellen, wurden derart große Sprünge in der technologischen Entwicklung möglich, dass das Wachstum nicht sofort von der Geburtenrate eingeholt werden konnte. Durch die Erfindung von Dampfmaschine, Eisenbahn und Spinning Jenny konnten die Menschen ein nie dagewesenes Wachstum generieren, welches sich sogar bis heute auswirkt. Obwohl innerhalb der letzten zwei Jahrhunderte viele Staaten aus der Malthusischen Falle fanden, befinden sich heutzutage noch viele Entwicklungsländer in einer ähnlichen vorindustriellen Situation. Ohne exakt zu wissen, welche Gründe den Menschen zur Neolithischen Revolution führten, ist uns heute klar, dass es mehrere tausend Jahre dauerte, bis die Menschen davon tatsächlich profitierten.
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