Zukünftig soll das interaktive Workshop-Format der Demokratiewerkstatt weiter angeboten werden. Was denkst du: Man kann sich den ganzen Tag über politische Missstände ärgern oder man kann selbst aktiv werden. Bleibst du ein Teil bestehender Probleme oder möchtest du Teil der Lösung werden? In Lichtenberg fand die erste Demokratiewerkstatt der Initiative Demokratie&Wir statt. Gustav und Daniel leiteten gemeinsam den Workshop. Das war ihr Ziel dahinter.

Fähigkeiten und Ressourcen mit.” Foto: Raphael Krämer
Was war Eure Motivation, den Workshop ins Leben zu rufen?
Daniel: Das grundlegende Wissen, wie man sich politisch einbringen kann, wird Erwachsenen selten systematisch vermittelt. Es gibt sehr tolle Angebote von der Bundeszentrale für politische Bildung und von freien Trägern. Das Problem dabei ist, dass meist jene diese Angebote nutzen, die sich bereits gesellschaftlich oder parteipolitisch intensiv engagieren.
Das Grundlegende, gewissermaßen das 1×1 der Demokratie, kann man zwar bei vielen Organisationen lernen, aber nur wenige kennen und nutzen diese Angebote. Das war meine Motivation, Demokratie&Wir zu gründen. Unsere zentrale Botschaft lautet: Beteiligung ist leichter, als man denkt. Und damit das klappt, braucht man gewisse Werkzeuge, die wir Menschen näherbringen wollen.
Könntest du mir ein paar Werkzeuge aus dem Werkzeugkasten der Demokratie nennen?
Daniel: Erstens Kontakt zu den gewählten Volksvertreter*innen auf jeder Ebene zu suchen. Sie sind dafür gewählt, sich um unsere Anliegen zu kümmern. Außerdem ist es wichtig, Gleichgesinnte zu suchen. Denn gemeinsam mit anderen, die für das eigene Thema brennen, steigen die Chancen, tatsächlich etwas zu verändern, stark an.
Entweder schließt man sich einer bestehenden Organisation an oder gründet eine eigene. Besser ist aber im Zweifelsfall erstmal, sich anderen anzuschließen, die das gleiche Anliegen haben. Immer sehr wertvoll ist es, mit anderen Menschen im eigenen Umfeld über das eigene Anliegen zu sprechen – gerade auch mit jenen, die einen anderen Blick auf das Thema haben. So kann man lernen, die eigene Position zu vertreten und bekommt vielleicht Impulse, wie man diese weiterentwickeln kann.
Was sind die Gründe für die fehlende politische Bildung vieler Menschen?
Daniel: Ob und wie viel politische Bildung jemand genießt, hängt leider massiv vom eigenen sozialen Umfeld ab – wer von engagierten und gut informierten Menschen umgeben ist, findet in der Regel selbst auch einen Zugang. Wer keine solchen Personen um sich hat, tut sich viel schwerer, einen entsprechenden Zugang zu finden. Das kann auch die Schule oft nicht ausgleichen, weil dort der Umfang der politischen Bildung stark von Schulart, Bundesland und Lehrkraft abhängig ist. Und nach der Schulzeit nutzen meist nur die ohnehin engagierten Menschen entsprechende Angebote der politischen Erwachsenenbildung.

Foto: Raphael Krämer
Gustav: Schule fördert nicht, dass man sich einbringt. Es ist sehr selten der Fall, dass es eine gut funktionierende Schülervertretung gibt. Man wird aus der Schule entlassen, ohne gelernt zu haben, wie man sich in einem Gremium bewegt. Wenn man dann nicht durch Zufall in ein Gremium hineingerät, dann sind die Chancen sehr gering, es jemals zu lernen.
Mit welchem Gefühl geht ihr aus dem Demokratie-Workshop heraus?
Daniel: Ich würde sagen, dass es sehr deutlich gemacht hat, dass Menschen sich engagieren wollen und in der Regel dafür sehr viele Fähigkeiten und Ressourcen mitbringen. So ein Workshop kann für viele ein Aha-Erlebnis sein. Mein Eindruck heute war, dass die Demokratiewerkstatt für die meisten heute ebenso ein Erlebnis war. Wir haben uns genau das erhofft. Unsere Teilnehmer*innen sollen im besten Fall erkennen, dass ihre Stimme nicht nur am Wahltag Gewicht hat, sondern immer! Sie sollen merken, dass es zahlreiche Möglichkeiten gibt, die man nutzen kann, um ein Anliegen voranzubringen. Wir wollen, dass unsere Teilnehmer*innen mit mehr Zuversicht hinsichtlich unserer Demokratie und einem guten Gefühl aus unseren Veranstaltungen herausgehen. Heute hat das geklappt.
Gustav: Für mich waren es die vielen kleinen Momente. Menschen sprechen miteinander, die sich heute Morgen zum ersten Mal begegnet sind. Der sichtbare, fruchtbare Austausch. Das Austauschen von Nummern am Ende. Genau das habe ich mir gewünscht, dass Menschen sich vernetzen, zusammentun und für die gemeinsame Sache kämpfen, und nicht versuchen, als Einzelkämpfer:innen voranzukommen.
Wo wolltet ihr perspektivisch mit der Demokratiewerkstatt hin und wie soll das konkret aussehen?
Daniel: Ich wünsche mir, dass es selbstverständlich wird, unabhängig vom eigenen Umfeld, Bildungsstand und Geldbeutel Angebote der politischen Bildung zu nutzen und zu wissen, wie man sich einbringen kann. Unser Projekt kann ein Baustein auf dem Weg dahin sein. Wir hoffen, dass wir in der Zukunft immer mehr zivilgesellschaftliche Organisationen und Arbeitgeber*innen auf uns aufmerksam machen können.
Ist es möglich, dass sich alle Bürgerinnen und Bürger einbringen können?
Gustav: Nein. Wir leben in einem System, das einige Menschen benachteiligt und andere Menschen fördert, was auch der Workshop anhand der Teilnehmenden gezeigt hat, die freiwillig am Samstag zu solch einem Workshop kommen. Alle sind gut situiert, mit dem notwendigen Kapital ausgestattet, um sich am Samstag die Zeit für den Workshop zu nehmen und sich über die entsprechende Lohnarbeit hinaus noch zusätzlich zu engagieren. Es gibt viele, aber nicht alle können sich so beteiligen, wie es nötig wäre.
Daniel: Es können nicht alle, aber es sollten alle können. Das sollte das Ziel sein und dies ist auch unser Ansatz: Zeigen, dass politische Bildung etwas für alle ist. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu überlegen, wie wir dafür sorgen können, dass sich mehr Menschen einbringen. Dazu gehört auch, dass zivilgesellschaftliche Organisationen und Arbeitgeber*innen mehr Geld in die Hand nehmen und den Standpunkt vertreten: Wer in politische Bildung investiert, investiert in unsere Demokratie und eine vielfältige Zivilgesellschaft. Gerade in einer Zeit, in der so erhitzt und oft auch überhitzt über Themen diskutiert wird, sollten wir Räume schaffen und Möglichkeiten geben, dass Menschen sich in diesen Diskussionen konstruktiver und effektiver einbringen können.
Was ist die Demokratiewerkstatt in drei Worten mit Ausblick auf potentielle nächste Teilnehmende?
Gustav: Politisches Handwerkszeug, Austausch, Mut machen.
Daniel: Befähigen, ermutigen und begeistern.
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