Eine heile Welt, in der ein jeder ohne Stress aufwachsen kann. Eine Welt, in der ein jeder auch ohne sich anzustrengen, eine Menge Erfolge aufweisen kann. Eine Welt, in der Schüler sorgenfrei, ohne Angst vor Konsequenzen, in ihren Schulalltag hineinleben können. Was für eine schöne, aber auch unrealistische Vorstellung.
Die Möglichkeit Lebenserfahrungen zu sammeln
Wird das Sitzenbleiben abgeschafft, gibt es für die Schüler nur noch wenige Gründe, sich in der Schule weiter oder wieder anzustrengen. Ohne Weiteres ist es dann möglich von Klassenstufe zu Klassenstufe zu „stolzieren“. Die Noten werden kaum noch eine Rolle spielen. Zwar ist plausibel, dass einige Schüler sicher auch unter dem Leistungsdruck leiden und somit durchaus in ihrer Entwicklung behindert werden können, aber mit diesem Leistungsdruck müssen sie auch nach ihrer Schulzeit umgehen können. Schließlich brauchen auch Kinder eine Herausforderung, um so Lebenserfahrung sammeln zu können. Denn es ist auch die Aufgabe der Schulen, die Schüler auf das Leben vorzubereiten. Kinder brauchen Strukturen; Kinder brauchen Grenzen.
Sitzenbleiben ist nicht wünschenswert
Offensichtlich ist, dass alle Menschen über unterschiedliche Fähigkeiten und Begabungen verfügen. Allerdings verhindern diese nicht, dass sich Eltern und deren Kinder vielleicht doch mit der möglichen Wiederholung einer Klassenstufe auseinandersetzen müssen. Oft werden motivationslose Schüler schon heute einfach „mitgeschleift“. Statt dem verdienten „mangelhaft“ gibt es eben doch noch einmal ein „ausreichend minus“. Zwar kann dies auch ein Anreiz sein, aber es zeigt sich, dass die Schulen auf diese Weise mehr und mehr mit motivationslosen Schülern zu kämpfen haben. Dies wiederum behindert die Schüler, die gerne etwas lernen. Zwar ist es niemandem zu wünschen, aufgrund schlechter Zensuren ein Schuljahr wiederholen zu müssen, dennoch ist besonders der Leistungsdruck und ebendiese Erfahrung ein Anlass für eine Verbesserung. Vor allem bietet das Sitzenbleiben aber die Möglichkeiten bestehende Lücken aufzufüllen, immer vorausgesetzt, die Schüler wollen es auch.
Sparen statt fördern?
Zugegeben: Sitzenbleiben kostet den Staat Geld. Viel Geld. Zuletzt etwa eine Milliarde Euro. Diese soll durch das Abschaffen des Sitzenbleibens eingespart werden. Es ist das Geld, welches dennoch nicht in notwendige Maßnahmen, wie zum Beispiel für Kita-Plätze oder Hausaufgabenbetreuungen investiert wird. Wird zudem argumentiert, dass so die Schüler zusätzlich vor physischen Problemen bewahrt würden, wird lediglich eine Seite der Medaille betrachtet. Sicher, mit Fragen wie: „Werde ich versetzt? Kann ich meine schlechte Zensur ausgleichen? Was mache ich, wenn meine Freunde alle eine Klasse weiter sind als ich?“ werden sich die Schüler in Zukunft dann nicht mehr auseinandersetzen müssen. Hingegen lässt sich nun fragen: „Bin ich dem Staat wirklich zu teuer? Warum investiert niemand etwas in mich? Ich kann doch auch etwas, oder?“ Diese Fragen können ähnlich belastend wirken.
Sitzenbleiben ist kein Hindernis einer möglichen Karriere
Wer sitzenbleibt, muss sich nicht schämen. Vielmehr gilt dann der alte Leitsatz: „Fördern und fordern.“ Diesem werden aktuell aber weder die Eltern, noch die Schulen wirklich gerecht. Durch gezielte Maßnahmen können so schwächere Schüler wieder dazu bewegt werden, sich mehr zu bemühen und intensiver am Unterricht teilzunehmen. Schließlich muss auch auf „Spätzünder“ geachtet werden. Hier tut Unterstützung besonders gut. Auch in der Form, dass das Abitur erst ein Jahr später auf einen zukommt. Eine Schande ist dies nicht. Eine mögliche Karriere ist dadurch noch lange nicht gefährdet. Das beweist SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Ebendieser scheint nicht traumatisiert, sondern er demonstriert, dass er eine Chance, die das Sitzenbleiben de facto ist, erfolgreich genutzt hat.
Die „Kuschelpädagogik“ mindert die Zukunftsfähigkeit
Letztendlich zwingt das Leben alle einmal in die Knie. Besonders das Sitzenbleiben ist eine gute Gelegenheit, um schon in jungen Jahren zu beweisen, trotzdem wieder aufstehen zu können. Denn wer etwas will, der muss auch etwas dafür tun. Schlicht die Messlatte tieferzuhängen ist keine Alternative. Und das nur, damit man besser dasteht? Das kann nicht das Ziel sein! So können wir keine Leistungsgesellschaft sein, deren Mitglieder in jedweder Situation wissen, wie sie sich zu verhalten haben und wie mit Druck korrekt umgegangen werden kann. Diese Art von „Kuschelpädagogik“ mindert unsere Zukunftsfähigkeit.
Das Sitzenbleiben abzuschaffen, wird eine bildungspolitische Entscheidung sein, die im Nachhinein – wie könnte es anders sein – zu Lasten der Schüler gehen wird.
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