Der libysche Bürgerkrieg tobt seit nunmehr fünf Jahren. Die Nähe des Konflikts zum europäischen Kontinent macht ihn zu einer Sicherheitsbedrohung für die Union. Ein Überblick.

besetzte Gebiet. Blau ist die offiziell anerkannte Regierung. Grün
markiert ist die Hauptstadt Tripolis. An der roten Stelle wurde am 02 Juli
ein Flüchtlingslager bombardiert. Die gelben Punkte zeigen Luftschläge
der letzten anderthalb Wochen vonseiten Haftars gegen die Regierung.
Nach der außergerichtlichen Tötung des Machthabers Muʿammar al-Gaddafi 2011 im Zuge des „Arabischen Frühlings“ rutschte das zur MENA-Region („Middle East & North Africa“) gehörende Land in eine nationale Krise. Die Intervention durch westliche Staaten und die Arabische Liga endete im Oktober 2011 ohne folgendes Mandat für eine Friedensmission und hinterließ ein Machtvakuum. Dieses wuchs 2014 zu einem bis heute anhaltenden Bürgerkrieg. Regionale Kriegsunternehmer, sogenannte „Warlords“, stellen seitdem ihre Machtansprüche, die mit militärischer Gewalt und der Kontrolle über die Ressourcen konsolidiert werden sollen.
Fraktionen
Die Westküste wird von der offiziell anerkannten Regierung unter Fayez as-Sarradsch kontrolliert. Die Ostküste und das Inland hält der ehemalige Offizier und selbsternannter General Chalifa Haftar mit seiner Libyan National Army (LNA). Seit April 2019 entbrennen Kämpfe um die Hauptstadt Tripolis, deren Umland von der Regierung verteidigt wird. Jüngst nahm die Zahl der Luftschläge auf beiden Seiten zu.
Im Osten des Landes konnten sich zudem islamistisch-dschihadistische Milizen, namentlich der „Islamische Staat“ und Ansar asch-Scharia, als eine Allianz namens Fadschr Libya (Libysche Morgendämmerung) formieren. Wenngleich das Bündnis Ende 2015 zerfiel, verbleibt ein großer Teil der dschihadistischen Kämpfer im Land; lediglich unter anderen Flaggen.
Konflikt auf allen Ebenen
Der Bürgerkrieg wird durch die engen Bindungen der Mitstreiter zu ihren Stämmen verkompliziert. So kommt es zu wechselnden Bündnissen und Feindschaften zwischen Stämmen, unabhängig von ihrer politischen Gesinnung. Im Februar 2019 gingen beispielsweise die verfeindeten Tuareg und Tebu erstmals eine militärische Allianz gegen den Vormarsch der LNA im Süden des Landes ein.
Kriegsökonomie
Strategisch wichtige Punkte stellen vor allem die Erdölfelder des Landes dar. Durch den Verkauf von Ressourcen wird die Weiterführung des Konflikts von allen Kriegsparteien ermöglicht. Hierdurch, wie auch mit Blick auf den Menschenhandel von Geflüchteten, kann von einer in sich geschlossenen Kriegsökonomie gesprochen werden. Daher bleibt der Anreiz zum Erhalt des Konflikts bei einigen Kriegsparteien hoch.
Flüchtlingsströme
UNHCR schätzt, dass rund 1,3 Millionen Menschen in Libyen von humanitärer Hilfe abhängig sind. Durch die im Frühjahr neu entfachten Kämpfe zwischen LNA und Regierung nahe der Hauptstadt Tripolis nahm die Zahl intern Vertriebener im ersten Halbjahr um mehrere zehntausend zu. Zu den Binnenflüchtlingen kommen Menschen unterschiedlicher Nationalitäten aus Afrika, für die Libyen ein Transitland zum Mittelmeer und nach Europa darstellt. Die meisten werden in Auffanglagern festgehalten. Menschenrechtsgruppen kritisieren die katastrophalen Lebensbedingungen in den sogenannten Haftlagern. Diese geraten in Kampfhandlungen der Kriegsparteien und werden gezielt durch Milizen drangsaliert.
Fazit
Der nordafrikanische Staat Libyen befindet sich seit fünf Jahren in einem Bürgerkrieg. Die offiziell anerkannte Regierung sieht sich vornehmlich in der Defensive. Es besteht die beständige Gefahr des wachsenden Einflusses durch islamistische Gruppen. Seit Anfang diesen Jahres verschärfen zunehmende Kampfhandlungen die Situation für Binnenflüchtlinge und eingereiste Flüchtlinge. Eine friedliche Einigung im Bürgerkrieg ist derzeit nicht absehbar.
Dieser Beitrag erscheint als Briefing-Reihe zum Nahen Osten. Hier kannst Du die weiteren Beiträge lesen.
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