„Das bist doch nicht mehr du“, ist wahrscheinlich einer der unangenehmsten Sätze, die einem ein enger Freund sagen kann. Noch viel schlimmer ist es allerdings, wenn ein gut versteckter Teil in einem genau weiß, dass der Andere recht hat. Kann es also sein, dass wir manchmal tatsächlich jemanden verlassen müssen, den wir lieben, um uns selbst nicht zu verlieren, oder gar um uns wieder zu finden?

Wie oft hören wir in unserem Umfeld von Personen, die sich während einer Partnerschaft zum Schlechten verändert haben? Die für nichts und niemanden mehr Zeit haben und nur noch in ihrer rosaroten Blase leben, ohne nach links und rechts zu schauen? Obwohl man dieses Verhalten anfangs noch verstehen kann und belächelt, kann es sich langfristig zu einem handfesten Problem entwickeln.
Teilweise lässt es sich glücklicherweise beheben, indem man die betreffenden Personen darauf anspricht und ihnen die eigene Sichtweise schildert. Welche Reaktion ist allerdings angebracht, wenn man dabei zuschauen muss, wie sich ein guter Freund oder eine gute Freundin vollkommen in eine Situation verrennt? Sollen wir Ihnen noch fröhlich zuwinken, während wir dabei zusehen, wie sie gefühlt lachend in eine Kreissäge rennen?
Ist das noch Abhängigkeit oder Liebe?
Es ist tatsächlich schlimm genug, jemandem, den man liebt, dabei zusehen zu müssen, wie er sich zum Negativen verändert und von allen abschottet. Dabei zuzusehen, wie die Person allerdings nur noch ein Schatten ihrer selbst ist, schockiert mehr, als man es sich vorstellen kann. Wenn dieser selbstbewusste junge Mensch, der immer ein Lächeln auf den Lippen hatte und gerne viel unternommen hat, plötzlich zu einem whatsapp-stalkenden Monster mutiert, welches sich eigentlich nur noch mit Nachrichten und dem Onlinestatus des Freundes beschäftigt, läuft offensichtlich etwas falsch. Wenn zudem plötzlich die eigenen Prinzipien gebrochen werden, nur um dem Anderen zu gefallen, bzw. ihn nicht zu verärgern und man statt Fröhlichkeit nur noch Traurigkeit und Verzweiflung in den Augen des Anderen sieht, ist eindeutig Handlungsbedarf.
Doch was soll man gegen die Aussage „Ich liebe ihn/sie“, erwidern? Dass Liebe manchmal nicht reicht? Dass Liebe auf Gegenseitigkeit beruhen muss und das offensichtlich nicht der Fall ist, wenn einer nur alles für den Anderen tut und sich förmlich zum Sklaven seiner Bedürfnisse macht? Sobald sich der Alltag förmlich nur noch darum dreht, dass der Andere bei einem bleibt, hat man bereits einen Teil seines eigenen Ichs verloren. Beruhigender Weise lassen sich verlorene Dinge bekanntlich wiederfinden, jedenfalls theoretisch.
Ein Schritt weg von ihm, ist ein Schritt zurück zu mir
Am Wichtigsten ist wahrscheinlich tatsächlich die Selbsterkenntnis. Genauso wenig, wie man einen Alkoholiker zu einer Therapie bewegen kann, wenn er nicht einsieht, dass er ein Problem hat, wird eine Person jemanden verlassen, nur weil es andere sagen. Tatsächlich kann man also eigentlich nur darauf hoffen, dass die betreffende Person irgendwann selber erkennt, dass sie ein Fremder im Spiegel anstarrt.
Einige wachen vielleicht niemals auf. Verlieren sich in ihrer Aufopferung und finden sich selbst nicht mehr. Wieder andere aber wachen eines Tages auf. Vielleicht weil ein Freund etwas gesagt hat oder weil sie eindeutig mehr trinken, als es gesund wäre. Eventuell aber reicht auch schlicht die Erkenntnis, dass sie zu viel wert sind, um so zu enden. Der Tag an dem man seinen eigenen Selbstwert erkennt, ist vielleicht genau der entscheidende Tag, an dem man realisiert, dass es keine Option ist, bei Menschen zu bleiben, die dies nicht tun. Es ist oftmals nicht mal eine Entscheidung gegen jemand Anderen. Es ist eine Entscheidung für sich selbst. Die Entscheidung, sich selbst zu lieben und wieder zu dem Menschen zu werden, der man einmal war. Die Entscheidung, sich von dem zu lösen, was zur Gewohnheit geworden ist, um das Leben zu leben, das man verdient hat.
Einen Menschen zu verlassen, den man liebt, heißt nicht, dass die Gefühle nicht mehr da sind. Es heißt auch nicht, dass man nicht mehr jeden Tag an ihn denken muss, oder nicht traurig bei dem Gedanken wird, dass er nicht mehr da ist. Manchmal heißt es schlichtweg, dass man sich selber genug liebt, um einzusehen, dass nicht alle Menschen für ein gemeinsames Leben gemacht sind.
Vielleicht ist es nicht einmal der Partner, mit dem wir nicht mehr auf einer Wellenlänge schwimmen und der uns bewusst oder unbewusst weh tut, sondern ein langjähriger Freund, bei dem wir nicht einsehen wollen, dass uns dessen Verhalten nur noch verletzt, anstatt uns zu stärken. Manchmal ist es wohl besser, alte Zelte abzubrechen, anstatt zuzulassen, dass sie uns zerbrechen lassen und wer weiß, vielleicht ist genau das der Beginn von etwas viel Besserem.
Und auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist, findet man eines Tages vielleicht gestärkt zu dieser Person zurück, aber jetzt gerade ist es besser loszulassen. Loszulassen, um sich selber wieder nahe sein zu können, um wieder der Mensch zu werden, der man mal war.
Joa, bisschen einseitig geschrieben finde ich!
Welcher Aspekt fehlt dir denn? 🙂