In der Fastenzeit geht es um Verzicht. Das aber soll kein Selbstzweck werden, sondern einer Umkehr des ganzen Menschen dienen. Ein Impuls von Benedikt Bögle.
Wer fastet, sieht sich in den kommenden vierzig Tagen zahlreichen Herausforderungen ausgesetzt: Mehr als sechs Wochen auf liebgewonnene Angewohnheiten zu verzichten, fällt den wenigsten leicht. Manchmal muss es ja gar nichts so bedeutendes sein, auf das man verzichtet – und gleichwohl merkt man, wie sehr einem etwas ans Herz gewachsen ist: die abendliche Serienfolge, Alkohol oder Zigaretten, Süßigkeiten oder das Smartphone.
„Kehrt um“
Es wirkt manchmal so, als ginge es im Christentum um den reinen Verzicht – wer die vierzig Tage übersteht, hat den Job gemeistert, die Prüfung bestanden. Das aber ist nicht der Kern der christlichen Botschaft. In der Fastenzeit soll es vielmehr um eine Umkehr des ganzen Menschen gehen. Wer am Aschermittwoch einen christlichen Gottesdienst besucht, hört eine Lesung aus dem alttestamentlichen Buch Joel (2,12-18). Schon die Anfangsworte zeigen, dass die Fastenzeit endgültig begonnen hat: „Spruch des HERRN: Kehrt um zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, Weinen und Klagen!“
Fasten ist kein Selbstzweck
Das zeigt: Fasten hat eine große Bedeutung in der Vorbereitung auf Ostern – aber nicht als Selbstzweck. Vielmehr geht es um die Umkehr zu Gott. Wer fastet, wird regelmäßig einen mehr oder weniger ehrlichen Blick auf sein Leben werfen: Wovon gibt es zu viel in meinem Leben? Wo ist ein Verzicht wirklich sinnvoll? Das aber sollte dazu dienen, den Blick wieder neu auf Gott zu richten, von ganzem Herzen zu ihm umzukehren. Manchmal merken wir erst, wie wichtig etwas für unser Leben geworden ist, wenn wir es nicht mehr haben, wenn wir darauf verzichten, wenn wir uns danach sehnen. Das kann das Leben wieder geraderücken, kann helfen, Nebensächlichkeiten nicht zur eigentlichen Triebfeder des Lebens zu machen.
„Denkt um“
Im Neuen Testament verkündet Jesus die Botschaft vom Reich Gottes. Und auch er sagt: „Kehrt um!“ (Matthäus 4,17). Im griechischen Original tritt die Botschaft noch deutlicher hervor. Dort heißt es in Altgriechisch: „Metanoiete“ – „denkt um“. In der Fastenzeit geht es darum, gewohnte Wege einmal zu überdenken. Ist es sinnvoll, wohin ich mich bewege? Sind all die kleinen und etwas größeren Angewohnheiten wirklich gut? Wage ich in meinem Leben einen Blick auf Gott, lass ich mich von ihm lenken? Weiß ich, was ich im Leben erreichen will? Auch für diesen Prozess des Umdenkens ist der Verzicht sinnvoll. Denn er zeigt erst, was mir im Leben eigentlich wichtig geworden ist, wo meine Schwerpunkte liegen.
Wer einen katholischen Gottesdienst am Aschermittwoch besucht, wird mit einem Kreuz aus Asche bezeichnet. Die Asche ist ein Zeichen der Vergänglichkeit. Dabei können zwei verschiedene Worte gesprochen werden. „Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst.“ Dieser Satz führt in aller Radikalität vor Augen, dass dieses Leben irgendwann enden wird – heute, morgen oder vielleicht auch erst in fünfzig Jahren. Was aber wird am Ende dieses Lebens stehen? Was wird mir dann wichtig sein, was werde ich in der Rückschau über mich denken?
Neue Angewohnheiten
Der zweite mögliche Satz lautet: „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium.“ Da ist sie wieder, die Umkehr. Um sich in der Fastenzeit wirklich bekehren zu können, sollte man nicht nur verzichten. Wer wirklich „umdenken“ will, wird vielleicht alte Gewohnheiten hinter sich lassen – er muss aber auch neue etablieren. Dem reinen Verzicht sollte also auch etwas Aktives gegenüberstehen: Die Fastenzeit kann ein guter Auslöser sein, in der Bibel zu lesen. Oder ein ehrenamtliches Engagement zu suchen, einsame Menschen zu besuchen, bewusster anderen Menschen zuzuhören. Dann kann die Fastenzeit eine bereichernde Zeit sein, vierzig Tage voller neuer Chancen und Aufbrüche.
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