Weißt du noch, wie toll es früher war, nach der Schule am PC bei ICQ zu chatten? Ein ganz neues Lebensgefühl für Erreichbarkeit und Kommunikation. Heute ist das anders. Heute sehnen sich viele Jugendlichen wieder nach mehr Entschleunigung, mehr Zeit für das wirklich Wichtige. Ein Perspektivwechsel.

Hier kannst Du ihn außerdem anhören. Ein Service unseres Kooperationspartners Articly:
Es hat sich viel verändert in den letzten 20 oder 30 Jahren. Ich fühle mich ein bisschen alt, während ich diese Zeilen schreibe. Denn es kommt mit so vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass ich mein erstes Smartphone bekommen habe und die ersten endlosen Messages bei Facebook eintippte. Dann, plötzlich, war es möglich, mit einer Internetflat unbegrenzt zu surfen, ohne einen Herzinfarkt mehr zu bekommen, wenn man versehentlich den Internet-Knopf auf dem Tastenhandy betätigt hatte. Die größten Dramen haben sich auch immer öfter in Chatverläufen abgespielt. Nachrichten wurden missverstanden und führten zu noch größeren Missverständnissen.
Diese Zeit war nicht schlechter und nicht besser, nur anders. Sie hat sich schleichend aber kontinuierlich breit gemacht in unserem Leben. Denn wisst Ihr noch: Wann Ihr angefangen habt, das Smartphone neben Euer Bett zu legen? Es als Erstes in die Hand zu nehmen, sobald ihr wach seid? Ständig darauf zu blicken, sonst dann, wenn man mit Freunden unterwegs ist. Seit wann sind Tablet-PCs die neuen kompetenten Babysitter geworden? Stopp: Wie wäre es, würden wir uns einfach mal von dieser Dynamik kurz etwas ausklinken – und dabei erkennen, dass es ohne eben auch gut, manchmal sogar entspannter als vorher.
Power Off: Die neue Quality-Time auf Abruf
Wir leben in einer Zeit, die extrem von Schnelllebigkeit und zunehmender Geschwindigkeit geprägt ist, in jeglicher Hinsicht. Die Autos werden immer schneller, Apple bringt alle paar Monate ein neues Produkt auf den Markt, das wir unbedingt haben müssen und die Nachrichten in den Online-Zeitungen müssen am besten schon fertig sein, bevor sie passiert sind. Wir fühlen uns unfrei unter dem Deckmantel der Freiheit, die aber nur auf dem Papier besteht, denn Alexa und Apple wissen schon längst, wer wir sind und was wir am liebsten kaufen würden.
Was können wir tun, um nicht wahnsinnig zu werden? Es gibt keine andere Welt, in die wir eintauchen können. Es gibt manchmal Tage oder Wochen, an denen wir detoxen können und in den Urlaub fahren. Aber das macht es auch nicht viel besser, denn in der Zwischenzeit dreht sich das Hamsterrad ja weiter. Auswandern wäre zwar eine Möglichkeit, doch fehlt es uns oft an Mut oder finanziellen Mitteln und Unabhängigkeit. Was wir tun können, ist leider sehr begrenzt aber doch effektiv.
Wir können zum einen den Stecker ziehen und abschalten oder unseren Anspruch an Quality-Time und Work-Life-Balance schärfen. Wir müssen ein universelles Verständnis dafür schaffen, dass das Leben mehr ist, als nur 9 to 5 oder permanente Erreichbarkeit. Wir müssen anfangen, unser Umfeld und die Gesellschaft dafür zu sensibilisieren, dass ein Umdenken stattfinden muss. Wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Ein Stückchen Nostalgie zurückbringen, in eine Zeit hinein, die sich immer noch gleich schnell dreht. Doch wir drehen uns nun bewusster darin.
Schneller ist nicht automatisch besser
Während wir früher noch entgegengefiebert haben, dass es schneller geht, treten wir heute vielleicht privat eher auf die Bremse, um der schnellen Beschleunigung und der ständigen Erreichbarkeit draußen entgegenzutreten. Manchmal fühlt es sich so an, als würde sich auch die Welt schneller drehen und der Tag hätte schnellere Sekunden. Unsere Großeltern sind in den meisten Fällen schon voller Unverständnis über den Lifestyle, unseren vielen Weltreisen und der Tatsache, dass wir remote an jedem Ort flexibel arbeiten können.
Daraus ergibt sich aber auch die Problematik der permanenten Erreichbarkeit bis hin zum Burnout. Während die Technik, Medizin etc. schnelle Fortschritte gemacht haben, humpelt der Mensch oftmals immer noch mit seinem jahrtausend-alten Biorhythmus hinterher und versucht, nicht wahnsinnig zu werden ob der Rasanz. Unser Körper ist überfordert und dass es keiner ausspricht, macht es nicht weniger zu einer besorgniserregenden Tatsache. Und genau so, wie die Globalisierung immer weiter fortgeschritten ist, haben sich auch unsere Probleme potenziert und miteinander verbunden. Sie sind miteinander vernetzt und oftmals als eigenständiges Problem nicht lösbar. Nur im Gesamtzusammenhang können sie bewältigt werden.
Einmal kurz nicht erreichbar sein und das Leben bewusst wahrnehmen, wie es ist
Zuallererst müssen wir uns zu einem lebenden Beispiel werden lassen. Einem Beispiel dafür, dass Arbeit unser Leben nicht komplett ausfüllen sollte, dass das Leben mehr ist, als nur das. Einem Beispiel dafür, dass wir nichts verpassen, wenn wir mal nicht erreichbar sind. Einem Beispiel dafür, dass man nicht auf möglichst vielen Hochzeiten tanzen muss, um glücklich zu sein.
Dafür, dass wir uns nicht immer verbiegen müssen, um anderen zu gefallen und dafür, dass Me-Time nicht verachtenswert, sondern eine Notwendigkeit ist. Wir müssen erst in unserem kleinen Rahmen agieren, um Größeres zu bewegen. Wir müssen erst uns verändern, um die Welt verändern zu können. Wir müssen Nachhaltigkeit schaffen, um weiter bestehen zu können. Wir müssen uns den Problemen stellen, die andere vor uns verursacht haben, aber auch denen, die wir vielleicht nicht wahrhaben wollten. Wir müssen achtsam leben und aufeinander Acht geben. Denn nur wenn wir für uns selbst stark sind, können wir gemeinsam stark sein.
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