„Cenacolo“ heißt „Abendmahlssaal“ aus dem Italienischen übersetzt. Auf diesen hin bewegen sich die jungen Männer der gleichnamigen Gemeinschaft in der Fastenzeit. 40 Tage lang bewusst verzichten und den Glauben intensiv leben – für sich und für die anderen. Wie das genau abläuft, erfahrt ihr von Matthias, der selbst in der Gemeinschaft gelebt hat und mit ihr verbunden ist.
In einigen Teilen habe ich meine Erfahrungen in der Gemeinschaft Cenacolo mit euch geteilt. Nun folgt der vorerst letzte. 40 Tage – so viele Tage hat der Countdown auf Ostern hin. Wenn du dich auf einen Wettkampf vorbereitest, wirst du unter Umständen mehr brauchen. Nichtsdestotrotz möchten wir Jungs aus der Gemeinschaft Cenacolo uns auf das Osterfest vorbereiten.
In den vergangenen Jahren habe ich es so gehandhabt: Kein Alkohol, keine Süßigkeiten, mehr beten – die Fastenklassiker eben, die vielleicht auch viele von euch durchziehen. In der Gemeinschaft gibt es ersteres sowieso nicht und das zweite nur an Hochfesten wie St. Josef am 19. März und Mariä Verkündigung am 25. März. Vom Gebet allerdings bekommen wir nicht genug. Der Rosenkranz bestimmt den Tagesablauf, der außerdem vom gemeinsamen Arbeiten und Sport geprägt ist.
Georg Schwarz: „Gewalt nie mit Gewalt, sondern mit Fasten und Gebet beantworten!“
Georg Schwarz, der Leiter des Cenacolo-Hauses in Österreich, bringt es am Aschermittwoch bereits auf den Punkt und fasst die Zeit vor Ostern in wenigen Worten zusammen: „Wir sollten Gewalt nie mit Gewalt, sondern mit Fasten und Gebet beantworten.“ Zu diesem Zeitpunkt tobt der Ukrainekrieg schon einige Wochen. Fasten heiße Verzicht, aber auch Verzeihung – und um die solle man bitten. Mit diesen beiden Waffen besiege man Verschlossenheit und Oberflächlichkeit. Letzteres bedeutet so viel wie doppeldeutiger Humor und Überdrehtheit.
Damit habe ich auch heute manchmal zu kämpfen, weiß aber gleichzeitig, dass ich im Cenacolo die richtigen Werkzeuge an die Hand bekommen habe, um mich aus dem Tief herauszuholen. Ich verarbeite die Dinge nun anders als früher, als Alkohol noch mein Mittel der Kompensation war. Ich lerne, über die Dinge, die mir schwerfallen, zu sprechen und mich meinen Brüdern anzuvertrauen.
Kreuzweg und ein Heiligenfilm am Freitag prägen die Fastenzeit
„Geh zu Jesus!“, sagt uns Georg immer wieder, wenn uns etwas auf dem Herzen liegt und uns zu schaffen macht. Mit Jesus gehen – das tun wir jeden Freitag beim Kreuzweg über das Gelände in Kleinfrauenhaid. „Danke Jesus“ und „vergib mir Jesus“ sprechen wir bei jeder Station. Das Kreuz trägt jeweils ein Bruder, während der andere einen Impuls zur jeweiligen Station spricht. Jeder lebt den Kreuzweg anders – ich hatte während der ersten Male einfach nur Bärenhunger, weil das Mittagessen am Freitag nicht so üppig ist. Trotzdem habe ich das Gefühl, den Kreuzweg noch nie so intensiv und persönlich gebetet zu haben wie in der Gemeinschaft. Egal, ob Kälte oder Sonnenschein – wer gut arbeiten kann, kann auch gut beten! Das tun wir und freuen uns nach jedem Kreuzweg auf warme Focaccia, Fladenbrot mit Öl, die ein Mitbruder im Pizzaofen gemacht hat.
Am Abend steht dann freitags immer ein Film über einen Heiligen der Kirche an. Auf Italienisch mit italienischen oder englischen Untertiteln – ich überwinde mich, auch weil ich die Filme nicht kenne und sie mich sehr interessieren. Ob Giuseppe Moscati, Josefine Bakhita oder ein anderer Seliger –durch das Leben der Heiligen erkennen wir Gottes Willen in unserem Leben. Ich frage mich – kann ich diesem Willen folgen? Will ich es? Hier, im Cenacolo, ist der Wille Gottes und die Gegenwart des Herrn viel spürbarer als außerhalb der Gemeinschaft. Mein Schwager hat mir gesagt, es sei der „Peak des Guten“, weil auch ich das Beste aus mir herausholen und mein Potential voll ausschöpfen kann – und das fühlt sich gut an!
Mit meinen Eltern kann ich über meine Vergangenheit reden
Bereits in der Fastenzeit werden wir von der Gemeinschaft Cenacolo reich beschenkt: Die Eltern und Familien einiger Jungs kommen ins Haus und leben für mehrere Tage mit uns zusammen. Wie schön ist es, zu sehen, wie die Familie, die früher von der Sucht entzweit und zerstritten war, wieder normal miteinander umgeht! Auch meine Eltern kommen im März nach Österreich und bleiben für einige Tage bei uns – eine gute Gelegenheit, alles auf den Tisch zu bringen, was mich beschäftigt und worüber zu reden wir nie die Zeit hatten.
Aus dem anfänglichen Zögern wurde schnell tiefe Zuneigung – der sprachlichen Barriere tut dies keinen Abbruch, ganz im Gegenteil: Sympathie zeigt sich auch nonverbal. Nicht falsch verstehen – meine Eltern und ich haben ein gutes Verhältnis zueinander. Trotzdem gab es in der Vergangenheit Episoden, auf die ich nicht stolz bin und die ich bei langen Spaziergängen und guten Gesprächen einfach einmal auf den Tisch packen konnte.
In der „giro compromessi“ bringen wir unsere Fehler auf den Tisch
Mit dem Palmsonntag beginnt traditionell die Karwoche oder auch „Heilige Woche“ genannt. Ostern soll man, wie es im Katholischen schön heißt, „im Stande der Gnade und mit reinem Herzen begehen“. Das tun wir in der Gemeinschaft Cenacolo auf besondere Weise: Wir sind eingeladen, aufeinander zuzugehen und uns auszusprechen. Leichter gesagt als getan, zumal diese Aussprache vermehrt auf Italienisch stattfindet und mir gehörig die Pumpe geht, wenn ich daran denke, dem anderen das zu sagen, was mir negativ an ihm auffällt.
Das können offensichtliche Verhaltensweisen oder Dinge sein, die im Verborgenen passiert sind – zum Beispiel heimlich Schokolade genascht oder Kaffee getrunken zu haben. Dabei ist wichtig: Es ist keine Beichte, sondern einfach nur ein Zur-Sprache-bringen von Fehlverhalten. Dazu dient auch die sogenannte „giro compromessi“ in der Hauskapelle. Und das ging so: Im Stuhlkreis sitzend konnten wir uns in großer Runde gegenseitig sagen, was wir in den letzten 40 Tagen falsch gemacht haben.
Ob ich zu nachlässig oder gar nicht geputzt habe oder Zeit für andere Dinge als die Arbeit genutzt habe – alles das kommt auf den Tisch! Was so schwer klingt, ist zugleich unheimlich befreiend und wohltuend! Lügen bringt – wie übrigens im Alltagsleben außerhalb der Gemeinschaft ebenso – nichts, weil ich ja mit den anderen 25 Männern zusammenlebe und sie hautnah mitbekommen, was ich tue und wie es mir geht.
Das intensivste Osterwochenende, das ich erleben durfte
Die heiligen drei Tage, das sogenannte „Triduum“, beginnt mit dem Gründonnerstag. Ich erfahre, dass mir, als einem der Jüngsten im Cenacolo-Haus, die Füße gewaschen werden – was für ein Segen! Pater Matthias Reich von den Kapuzinern feiert mit uns die Messe vom Letzten Abendmahl, die mich sehr bewegt. Wann hatte ich schon die Möglichkeit, Ostern so intensiv mit so vielen Männern zu feiern?
Etwas Besonderes erwartet uns am Karfreitag. Die älteren Jungs, die schon einige Osterfeste in der Gemeinschaft gefeiert haben, wussten es: Wir stehen um kurz vor zwei Uhr in der Früh auf und gehen den Kreuzweg gemeinsam. Klar ist es schmerzhaft, so früh aus dem Bett geholt zu werden und hinaus in die Kälte zu treten, aber für mich war es ein unvergessliches Erlebnis. Mit Fackeln und dem Kreuz ziehen wir durch die Nacht und bereiten uns so ganz intensiv auf das Geschehen am Karfreitag vor. Ich nehme die unterschiedlichen Dienste innerhalb des Hauses war und helfe beim Putzdienst, dem Frühstück und bei der Gartenarbeit.
Da der Karfreitag selbst noch Werktag ist, befreien wir zu fünft den Weg vor dem Haus des Ortspfarrers vom Unkraut. Karfreitag selbst kenne ich von den Jahren zuvor, aber in der Gemeinschaft fühlt er sich intensiver an. Die italienischen Lieder schaffen es einfach besser, die gedrückte Stimmung zu transportieren. Der Film „Die Passion Christi“ rundet diesen Tag ab, den ich als sehr andächtig, still und berührend erfahre und in Erinnerung behalten werde. Ein befreundeter Priester der Gemeinschaft feiert mit uns die Karfreitagsliturgie und bleibt auch über die Feiertage bei uns im Haus. Am Karsamstag schmücken wir das Haus österlich und arbeiten noch im Garten – die Vorfreude steigt!
Der Ostersonntag ist dann nur schön – wir feiern die Auferstehung Jesu ganz klassisch beginnend mit dem Osterfeuer und einer feierlichen Messe in der Kapelle. Die Freude klingt schon beim Singen an, aber in den Tänzen, den „gesti“, wird die Freude dann im wahrsten Sinne des Wortes körperlich: Wir tanzen und freuen uns über dieses Fest und die damit verbundene Hoffnung, dass wir eben nicht verloren und einsam, sondern geliebt und aus Gnade gerettet sind!
Die Osteroktav – jeden Tag ein Hochfest
Die Kirche feiert Ostern 50 Tage lang bis Pfingsten. In der Osteroktav – den acht Tagen nach Ostern – wird jeder Tag wie ein Hochfest begangen. Das heißt für uns: Jeden Tag gibt es eine heilige Messe! Für mich besonders schön, weil es meine letzte Woche in der Gemeinschaft Cenacolo war. Zum Abschluss mache ich am Donnerstag noch Spätzle selbst und bereite einen Nachtisch zu – zwei Brüder helfen mir beim Kochen und Anrichten. Danach kommt der berührende Teil: Ich stehe auf und bedanke mich mit dem wenigen Italienisch, das ich gelernt habe, bei jedem Einzelnen und bei der Gemeinschaft für das vergangene halbe Jahr und das Erlebte. Es war im wahrsten Sinne des Wortes ein Geschenk für mich und ein Impuls für meinen weiteren Lebensweg.
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