Fußball, League of Legends, Zeichnen: Einige Hobbys begleiten mich schon mein halbes Leben lang. Manchmal kann das ganz schön ermüdend sein. Warum eigentlich nicht mal etwas Neues lernen?

1, 2, 3 und 4, 5 zusammen, 6, 7, 8 und 9 und 10 zusammen …
Ich starre auf das dunkelrote Wollknäuel, das in meinem Schoß liegt und probiere, mit meinen Fingern die einzelnen Fäden straff zu halten. Mit der Nadel ziehe ich die Fäden durch die winzigen Maschen. Mist. Schon wieder daneben. Ich strecke meinen Zeigefinger und rolle mit der anderen Hand mehr Band ab. 1, 2 und 3 und 4 zusammen. Bald habe ich wieder eine Runde geschafft. Müde schaue ich auf das kleine Stück Stoff, das später ein Plüschtierkopf sein soll. Es sieht bisher eher noch wie ein verkorkstes Stück durcheinander gewirbelte Wolle aus und erinnert mehr an meine Kopfhörer nach einem Tag im Rucksack als an ein Plüschtier. Wer zur Hölle hat mich dazu gebracht, mit dem Häkeln anzufangen? Tapfer ziehe ich die nächsten Maschen und zähle dabei weiter.
Vor einigen Wochen, als ich genervt nach Hause kam und die Haustür hinter mir zuschlug, gab mir meine Mitbewohnerin den Tipp, mal etwas Neues zu lernen. Schließlich sei es offensichtlich, dass ich mit meinen bisherigen Hobbys hin und wieder etwas feststeckte und dann so frustriert war, dass ich gar keine Lust mehr hatte, überhaupt irgendwas zu machen.
„Manchmal kann es furchtbar aufregend sein, mal etwas Neues auszuprobieren“, sagte sie. „Fang doch mal eine neue Sportart an oder koch öfter oder wie wärs mit Häkeln?“
Häkeln? Das hatte ich bisher immer für eine Aktivität gehalten, die nur von Menschen ausgeübt wird, die die ersten 50 Lebensjahre bisher mindestens hinter sich gelassen hatten und deren Leben genug Zeit für so langweiliges Zeug bot. Diesen Gedanken teilte ich meiner Mitbewohnerin natürlich nicht mit. Stattdessen ließ ich mich von ihr mit Häkelnadel und Wolle ausstatten und nahm auf ihrem Sofa Platz, wo sie mir die ersten Grundlagen beibrachte.
Doch warum habe ich mich überhaupt dazu überreden lassen, etwas Neues auszuprobieren?
Mit den Jahren wachsen wir immer stärker in unsere Gewohnheiten hinein. Meist haben wir ein Hobby schon seit einigen Jahren, wenn nicht sogar seit Beginn der Schulzeit. Wir spielen Fußball, Klavier oder Zocken schon immer dasselbe Computerspiel. Diese Dinge sind uns vertraut und machen uns Spaß. Wir wissen, wie wir einen geraden Pass spielen, welche Tasten unser Lieblingslied ergeben oder wie wir ein virtuelles Schloss bauen. Langjährige Hobbys und Interessen sind etwas Schönes und tragen einen wichtigen Teil zu unserer sozialen Identität bei. Sie sind ein fester Teil des Bildes, das wir von uns selbst haben. Trotzdem können die langjährigen Hobbys auch hin und wieder zu Frust führen, nämlich gerade dann, wenn wir bereits ein gutes Niveau erreicht haben. Je mehr wir nämlich können, desto schwerer ist es häufig, noch mehr zu lernen und besser zu werden.
Genau so erging es mir in den letzten Wochen. Wenn auch ich mir wirklich Mühe gab, kam ich nicht wirklich weiter; zumindest nicht so schnell, wie ich es wollte. Mir fehlten Erfolgserlebnisse. Obwohl ich insgeheim schon sehr viel geschafft hatte, konnte ich das nicht anerkennen. Es war schon zu lange her, dass ich das meiste gelernt hatte. Die nun noch kleinen, feinen Fortschritte stimmten mich hin und wieder noch euphorisch, doch immer waren sie hart erkämpft.
Also nahm ich den Rat meiner Mitbewohnerin an und entschied mich, etwas Neues zu lernen. Zuerst war ich natürlich skeptisch. Auf mich machte Häkeln nicht den Eindruck einer simplen Aktivität und ich war mir ziemlich sicher, dass ich keinerlei Talent dafür besaß. Umso mehr überraschte es mich, zu sehen, dass ich doch recht schnell die ersten Griffe lernte und immer schneller vorankam.
Das Gute ist: Wenn wir etwas Neues lernen, können wir gleich zu Beginn große und sichtbare Fortschritte machen. Dabei muss es sich nicht um Häkeln handeln. Auch bei einer neuen Sportart, beim Jonglieren oder beim Erlernen eines Instrumentes tritt dieser Effekt auf. Da wir uns in eine vollkommen neue Situation begeben, die uns bisher völlig unbekannt war, erkennen wir es viel schneller und deutlicher, wenn wir kleine Schritte machen und mehr dazu lernen. Meist sind die ersten Schritte auch anstrengend, allerdings sind sie häufig mit sehr viel Stolz, Freude und Euphorie darüber verbunden, etwas geschafft zu haben. Mit neuen Hobbys und Herausforderungen sind allerdings noch viel mehr Vorteile verbunden, als nur schnelle Fortschritte. Hier habe ich noch ein paar weitere Gründe herausgesucht, warum du unbedingt mal wieder etwas Neues ausprobieren solltest.
1. Kontakt mit neuen Menschen
Will man etwas erlernen und möchte sich nicht gerade nur Youtube-Videos anschauen, braucht es jemandem, der es einem beibringen kann. Daher wirst du unweigerlich in Kontakt mit Menschen kommen. Häufig handelt es sich dabei um Fremde oder Menschen, denen du bisher nur flüchtig begegnet bist. Trittst du einer Gruppe bei oder gehst zu einem Workshop, so wirst du wahrscheinlich auf viele neue Menschen treffen. Ein neues Hobby ist eine tolle Möglichkeit, um neue Kontakte zu knüpfen und seinen Horizont zu erweitern. Besonders wenn du dir etwas aussuchst, mit dem du bisher noch gar nicht in Berührung gekommen bist, wirst du neue Persönlichkeiten kennenlernen und vielleicht wiederum auf ganz andere interessante Themen stoßen.
2. Neue Rolle, neue Perspektive
Während wir früher andauernd in der Rolle des „lernenden Anfängers“ gesteckt haben, tun wir es im Laufe unseres Lebens immer weniger. Mit den Jahren hat jeder von uns seine Rolle gefunden und sich mit diesen in seinem gewohnten Umfeld meistens Respekt und Toleranz verschafft. Eine neue Aktivität bedeutet, dass du nun wieder einen Schritt zurückgehen musst. Du musst die Perspektive wechseln und vielleicht wieder der Schüler werden, der hin und wieder ziemlich schwer von Begriff ist.
Das Gefühl, nicht alles unter Kontrolle zu haben und von dem Rat anderer abhängig zu sein, kann dabei sehr herausfordernd sein. Viele Menschen geben dann schnell wieder auf und täuschen Desinteresse vor, da sie das Gefühl einfach nicht aushalten. Es erfordert Mut, sich selbst freiwillig in eine solche Rolle zu geben und trotzdem nicht mit seinem Selbstwertgefühl zu hadern. Mache dir immer wieder klar, dass dies nur eine von vielen Aktivitäten ist, die du ausübst und genieß es, einmal nicht alles bereits können zu müssen.
3. Gut für psychische Gesundheit
Dieser Punkt bezieht sich nicht nur auf die älteren Generationen. Allgemein kann es jedem psychisch guttun, hin und wieder etwas Neues zu erlernen. Schließlich werden dabei in unserem Gehirn neue Verbindungen geknüpft. Dabei ist es völlig egal, ob du dich entscheidest, ein Instrument zu lernen, eine neue Sprache oder eine Sportart. Letzteres wäre sogar auch noch ein Plus für deine physische Gesundheit.
Fazit
Wie du siehst, hat es genügend Vorteile, etwas Neues zu lernen. Neue Herausforderungen machen uns immer Angst. Willst du etwas Neues lernen, musst du mutig sein und dich aus deiner Komfortzone heraus bewegen.
Genau das werde ich jetzt auch tun. Nur noch die letzten Fäden, die letzten Maschen, dann ist meine Plüschtierkatze nämlich fertig. Ich hoffe, es sieht keiner, dass sie ein Anfänger gehäkelt hat.
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