Jahrhundertelang haben die Menschen in den Wundern der Natur eine Spur Gottes entdeckt. Die Zierlichkeit einer Blume, das Rauschen der Blätter im Wind, atemberaubende Berge – das alles hat dem Menschen den Schöpfer gezeigt. Aber wie sieht es aus im 21. Jahrhundert zwischen Straßenbahnen und Reklametafeln? Steckt Gott in einer Coladose?

Am Anfang war alles gut
In der Bibel steht, dass am Anfang, das heißt bei der Erschaffung der Welt, alles gut war. Und auch heute gibt es Momente – ein Sonnenuntergang, ein Spaziergang im Wald, das Geräusch von prasselndem Regen auf dem Dach – in dem man einen ganz kurzen Augenblick das Gefühl hat, dass alles gut ist. Die Natur bringt uns zum Staunen. Wie oft aber hast du schon über eine zerquetschte Coladose auf dem Boden gestaunt? Wahrscheinlich ziemlich selten. Meistens kommen uns eher Gedanken in den Sinn wie: „Wer lässt denn den Müll hier einfach so liegen? Das geht doch nicht!“ Der Mensch hat die Natur nicht gemacht, die Coladose schon. Kann man daraus also schließen, dass am Anfang alles gut war, bis der „böse Mensch“ kam und die Natur zerstört hat? Und kann man deswegen auch Gott in einem Sonnenuntergang erkennen und in einer Coladose eben nicht?
Die Welt der Litfaßsäulen und Straßenbahnen
Dieser Gedanke bringt ein großes Problem mit sich: Wenn man Gott nur in dem erkennt, was schön ist, wird man Ihn nur selten sehen – denn unsere Welt besteht zum großen Teil aus Litfaßsäulen und Straßenbahnen, zumindest wenn man nicht gerade auf dem Land wohnt. Gerade in der Innenstadt reihen sich die Geschäfte aneinander und versuchen mit ihrer Werbung, die Kunden davon zu überzeugen, bei ihnen einzukaufen, davor sitzen Bettler mit ihrem Hund auf dem gepflasterten Boden und bitten in einem Pappbecher um etwas Kleingeld. Am Hauptbahnhof wird man durch den frischen Duft der WCs begrüßt, die man für sensationelle 50 Cent benutzen darf; am Haupteingang stehen Taxifahrer und rauchen. Gott im Sonnenuntergang? – Kein Problem! Gott hier? – Ähm…
Das Ghettokind aus Nazareth
Wir haben Gott in die Stille der Kirchen und die Schönheit der Natur verbannt – und dabei ganz vergessen, dass Er selbst in einem Ghetto lebte. Jesus ist in Nazareth aufgewachsen, der Stadt, in der man sich fragen musste, ob aus ihr denn überhaupt irgendetwas Gutes kommen kann (vgl. Joh 1,46). Jesus hat gesagt, dass das, was wir einem unserer geringsten Brüder getan haben, dass wir das ihm getan haben (vgl. Mt 25,40). Damit sagt er, dass Er gerade dort zu finden ist, wo wir es am wenigsten erwarten – in dem Schwachen, Hässlichen, Kaputten. Wenn du dich fragst, wo Gott ist, dann brauchst du gar nicht einmal so weit weg zu suchen. Du kannst in dein eigenes Herz schauen, auf den Müll, der sich da angesammelt hat, auf die Wunden, die das Leben geschlagen hat und sagen: „Genau dort ist Gott!“.
Du kannst nach draußen auf die Straße gehen, den nach Alkohol riechenden Bettler auf dem Boden sehen und sagen: „Genau dort ist Gott!“. Gott ist nicht weit weg. Er ist in dir und Er schläft manchmal auch vor deiner Haustür. Er ist Teil deines Lebens, du musst Ihn nicht weit weg suchen. Ob Gott nun auch in der Coladose steckt…? Wahrscheinlich eher nicht. Aber vielleicht wird dich eine Coladose von jetzt an daran erinnern, dass es jemanden gibt, der sagt: „Ich liebe alles an Dir! Auch die Stellen, die vielleicht nicht so schön erscheinen!“ und dass Gott diese Welt liebt – alles an ihr!
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