Vom schwülen, tropischen Indonesien führte meine Weltreise weiter ins kühlere, frühlingshafte China. Verwunschene Villen, steppende Rentner und der schnellste Zug der Welt waren nur ein paar überraschende Entdeckungen in Shanghai

Ein Dschungel aus Stahl
Wenn ich nicht aus Jakarta gekommen wäre, hätte ich aufgrund der Fahrweise auf chinesischen Straßen einen Schock bekommen – so aber erschien mir die Situation regelrecht geordnet. Hier gab es wenigstens durchgezogene weiße Linien, die jedoch eher eine dekorative Funktion hatten… Der Verkehr schlängelt sich wie ein unaufhaltsamer Ameisenstrom durch die Stadt, deren Grenzen man selbst von den hohen Wolkenkratzern aus nicht erkennen kann. Diese Türme ragen heute an Plätzen in die Höhe, wo vor zehn Jahren noch alte chinesische Häuser standen oder Bauern ihre Felder bestellten. Traditionelle Tempel und Gebäude gibt es noch im touristischen Kern der Innenstadt. Doch auch hier ist hinter jedem alten Giebel der glänzende Stahl der Hochhäuser und Baukräne zu sehen.
Zwischen Autobahnen, Einkaufszentren und Plattenbauten mit Wohnungen stehen an manchen Stellen auch einsame Überbleibsel der Kolonialzeit. Diese alten verwunschenen Villen haben fast etwas Surreales im alltäglichen Treiben Shanghais. Gehäuft ist die Kolonialarchitektur nur am “Bund”, einem Teil des Flussufers direkt gegenüber den neuesten Wolkenkratzern, zu finden. Der Hangpu-Fluss selbst steht den Straßen hinsichtlich des Verkehrsaufkommens in nichts nach. Überladene Containerschiffe, die sich teilweise gerade noch schief über Wasser halten, schwimmen in Richtung Ozean.
Staunende Augen und ein trockener Hals
Die Handelsstadt Shanghai ist auch bekannt für ihren „Fake Market“, ein unterirdischer, labyrinthischer Schwarzmarkt, auf dem sogar maßgeschneiderte Kostüme in lediglich ein paar Stunden angefertigt werden können. Nur wenige Minuten weilt man in einer anderen Attraktion Shanghais. Die über 430 Stundenkilometer schnellen Magnetschwebebahn, die ursprünglich auch mal im Emsland in Deutschland getestet wurde, versetzte mich in rasendes Staunen. Deutsche Küche überraschte mich beim Besuch eines Wolkenkratzers mit einer Bar, die nur deutsches Bier und Brezeln verkaufte. In Shanghai besuchte ich auch den schönsten Park, in dem ich je war. Damit meine ich nicht den großen, pittoresken Yuyuan Garten im Zentrum, mit seinen ausladenden Kirschblütenbäumen, den verwunschenen Wegen, Tempeln und Brücken.
Mein Lieblingspark in Shanghai heißt Fuxing Park. Hier kommen die Rentner der Stadt jeden Tag zusammen. Sie singen in Chören, tanzen, jonglieren, malen mit Wasser Kalligrafie auf die Steine oder spielen Karten und Schach. Eine ehemalige Krankenschwester hatte eine Blutspendenstation aufgebaut, ein Pärchen sang Karaoke. Überall wurde man eingeladen, mitzumachen, sodass ich mich erst bei einer chinesischen Form von Diabolo, dann beim Line Dance und später bei bestimmten Kung Fu-Posititionen mit Schwert in der Hand blamieren konnte. Auch das Viertel um den Park herum, mit unzähligen kleinen Geschäften und Ständen, ist etwas Besonderes. Auf den labyrinthähnlichen Wegen ist es leicht, sich zu verlaufen und an jeder Ecke gibt es chinesische Spezialitäten zu bewundern oder zu probieren.
In diesen lebendigen Gässchen mit den roten Lampions vergisst man sogar fast den Smog, der ein ständiger Begleiter der Bewohner Shanghais ist. Wie ein diesiger Nebel hängt er an den meisten Tagen über den Gebäuden und der Hals ist abends vom Atmen ganz trocken und rau. Auf ihren Smartphones haben die Bewohner der Stadt eine App, die den aktuellen Gehalt der Feinstaubpartikel in Mikrogramm pro Kubikmeter Luft anzeigt. In Europa ist ein Wert von 50 µg/m³ festgelegt worden, der nur an 30 Tagen im Jahr überschritten werden darf. Dagegen ist in Shanghai ein Wert um die 100 µg/m³ nicht ungewöhnlich, an einem Tag lag er sogar bei über 200 µg/m³.
Koikarpfen, Kirschblüten, Kommunismus
Um der grauen Luft einmal zu entfliehen und um das traditionelle China zu entdecken, nahmen mich meine Freunde für einen Tag mit in eine 800-Jahre alte Wasserstadt. Hier reihten sich niedrige Gebäude mit altem Kunsthandwerk, wie Glaskugelmalerei und Baumbusschnitzerei, aneinander und an den Wasserläufen fingen die Kirschblütenbäume an zu blühen. Die Geschichte Chinaswird hier lebendiger. Zwischen mittelalterlich anmutenden Steinhäuschen, die eine perfekte Kulisse für einen Kung-Fu-Film abgegeben hätten, tauchten mal eine rot-goldene Tempelanlage mit großen Koikarpfenteichen, mal ein kleiner Innenhof mit chinesischen Opernsängern auf. Etwas irritierend fand ich eine kleine, sehr touristisch aufgemachte Ausstellung mit kommunistischen Symbolen, in der die Leute sich unter anderem eine Uniform anziehen und ein Foto machen konnten. Chinas Regierungssystem wird selbst in einer Wirtschaftsmetropole wie Shanghai deutlich. Im Alltag liest und hört möglicherweise nicht nur die NSA mit. Auch wenn ich hier nur kurz blieb, war die Erlangung des Visums für China sehr aufwendig.
Doch der Aufwand hatte sich gelohnt und nach fünf Tagen blieb mir nur noch übrig, 再见 Tsai Jian (Auf Wiedersehen) und 謝謝 Xie Xie (Danke) zu sagen, für all die spannenden Eindrücke aus Shanghai. Diese Erlebnisse haben mich neugierig darauf gemacht, irgendwann einmal mehr zu entdecken vom großen Reich der Mitte.
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