Gespannt saß ich in dem vollen Saal des Stadttheaters Ingolstadt. Regionalpolitiker und Bürger, Jung und Alt – die Hörerschaft war bunt gemischt. Da betrat Dr. Auma Obama den Saal. Eine starke Persönlichkeit. Sie erzählte dem Publikum in akzentfreiem Deutsch, wie sie ihre Identität gefunden hatte. In Kenia geboren, musste sie sich als einziges Mädchen der Familie immer gegenüber ihren sechs Brüdern als Mädchen durchsetzen.
Begeistert las sie Wolfgang Borchert und konnte durch ein Stipendium der DAAD mit 19 Jahren ihr Studium in Germanistik an der Universität Heidelberg beginnen. Es war eine Flucht, sie wollte ihre eigene Identität finden und nicht ständig nur als Frau oder Schwester Obamas wahrgenommen werden. Während ihres Studiums in Heidelberg war sie fasziniert davon, dass die Frauen dort frei geredet haben. Sie haben nicht danach gefragt, sie haben es sich genommen. Dr. Auma Obama dagegen musste sich immer wieder für ihre afrikanische Herkunft rechtfertigen und wurde mit vielen Vorteilen konfrontiert. Aber die Frauenrechte und das freie Sprechen der Frauen haben sie inspiriert.
„Afrika ist keine Krankheit“
Wenn in den Medien von Afrika gesprochen wird, vermittelt sie oft den Eindruck, als wäre Afrika ein Land. Mit Afrika werden außerdem immer nur Hungersnöte, Kriege und Krankheiten in Verbindung gebracht. Die Menschen in Europa fürchten sich so sehr davor, sich in Afrika mit Ebola anzustecken. Dabei ist die Gefahr, sich an europäischen Flughäfen anzustecken viel größer, da Flüge von Westafrika nach Ostafrika nur über Europa gehen.
Afrika ist kein Land, sondern ein Kontinent mit verschiedenen Ländern und ganz verschiedenen Kulturen. Dr. Auma Obama erklärte, dass ihr Menschen aus Togo genauso fremd sind wie Menschen aus anderen Teilen der Welt. Menschen müssen auch wieder richtig als Menschen zusammen mit ihrer Kultur gesehen werden. Nur indem man alle Stereotypen beiseitelegt, können die Menschen wieder einander zuhören. Afrika wird immer mit Entwicklungshilfe identifiziert, daran sind afrikanische Länder auch mitschuldig. Die afrikanischen Länder haben sich nicht gefragt: „Wer bin ich?“
„Wer bin ich, wofür stehe ich und was steht mir zu?“
Entwicklung kommt nicht von alleine. Viele afrikanische Länder haben einen hohen Reichtum an Bodenschätzen wie Gold, Diamanten und Platin. Aber der Reichtum wird nicht genutzt. Obama kritisiert Leute von außen, die sich zu „Experten“ erklären, obwohl sie nie in Afrika gelebt haben und nicht mit den Menschen vor Ort sprechen. Der Fokus wird nur auf Spenden, Armut und Slums gelegt. Viele Hilfsorganisationen werben im Fernsehen mit erschreckenden Bildern. Halb verhungerte Kinder mit aufgedunsenen Bäuchen werden gezeigt, um das Mitleid der Zuschauer zu erregen und die Zuschauer zum Spenden zu bewegen. Aber spenden für was? Um den Slumtourismus weiter zu unterstützen?
Philanthropie aus reiner Menschenfreundlichkeit und Mitleid hilft Afrika nicht. Das sind Menschen, die zusammen mit anderen Menschen etwas ändern wollen, aber sie sind nicht beständig. Immer wieder wechseln sie die Themen. Zuerst ein sozialer Schwerpunkt, bei dem eine Schule gebaut wird, dann ein ökologischer Schwerpunkt gegen die Desertifikation der Böden, danach ein wirtschaftlicher Schwerpunkt. Dies hilft nichts, da kein Projekt nachhaltig angelegt ist. Solche Projekte sind nur für Nothilfe sinnvoll. Schulbauprojekte sind ebenfalls nicht nachhaltig, weil damit den Regierungen in den Ländern ihre Pflicht genommen wird, sich um die Bildung in ihrem Land zu kümmern. Es darf keine Abhängigkeit von Regierungsseite entstehen, und insbesondere dürfen sich die afrikanischen Regierungen nicht allein auf die Entwicklungshilfe verlassen, da diese sonst in den Haushalt des Landes miteingerechnet wird und sich nicht die Strukturen im Land ändern.
Ziel von Projekten muss es sein, die Strukturen vor Ort so zu verändern, dass Schulbau von selbst möglich wird. Frau Dr. Obamas Fazit: Afrika muss sich gegen den Slumtourismus wehren, der Kontinent muss sich völlig neu definieren und die Menschen müssen ihre Menschenrechte erkennen und sich diese selbst erkämpfen.
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