Papst Franziskus ermutigt Christen zu einem heiligen Leben. Sein Lehrschreiben „Gaudete et exsultate“ ist ein Plädoyer für eine bessere Welt und die Ermutigung, darum zu kämpfen. Benedikt Bögle hat das Schreiben gelesen.
Heilige kennt auch heute noch beinahe jedes Kind. Den heiligen Nikolaus zum Beispiel, einen großen Bischof, der viele Wunder gewirkt haben soll. Oder den heiligen Franziskus, der seinen ganzen Besitz verschenkte und vollkommen besitzlos lebte. Oder auch die vielen Märtyrer der ersten christlichen Jahrhunderte, die sich mit Freude foltern und töten ließen, um ihren Glauben an Jesus Christus bezeugen zu können. Das sind große Vorbilder – aber letztlich doch unerreichbar. Wer kann schon Wunder wirken, hat die Kraft, freiwillig arm zu sein oder sogar für den Glauben zu sterben? Kaum jemand. Heiligkeit ist ein Ideal, für die meisten Menschen unerreichbar.
Franziskus verzichtet auf Definitionen
Papst Franziskus sieht das ganz anders. Er hat dem Thema „Heiligkeit“ ein ganzes Lehrschreiben gewidmet: „Gaudete et exsultate“, auf Deutsch „Freut euch und jubelt“. In diesem Schreiben „über den Ruf zur Heiligkeit in der Welt von heute“ verzichtet der Papst ganz bewusst auf lange Definitionen von Heiligkeit. Er fragt vielmehr, was und wer heute heilig sei. Und das beginnt für das Oberhaupt der katholischen Kirche im ganz Kleinen. „Es gefällt mir, die Heiligkeit im geduldigen Volk Gottes zu sehen: in den Eltern, die ihre Kinder mit so viel Liebe erziehen, in den Männern und Frauen, die arbeiten, um das tägliche Brot nach Hause zu bringen, in den Kranken, in den älteren Ordensfrauen, die weiter lächeln“, schreibt Franziskus.
Heiligkeit: Das schönste Gesicht der Kirche
Heiligkeit geht alle Christen etwas an, alle seien zu einem heiligen Leben berufen. Denn: „Die Heiligkeit ist das schönste Gesicht der Kirche.“ Da sich dieser Ruf Gottes an jeden Menschen richtet, muss auch jeder seinen Weg zur Heiligkeit finden. Die großen Heiligen könnten dabei Vorbilder sein, schreibt Franziskus – allerdings mit einer Einschränkung: „Es gibt Zeugnisse, die als Anregung und Motivation hilfreich sind, aber nicht als zu kopierendes Modell. Das könnte uns nämlich sogar von dem einzigartigen und besonderen Weg abbringen, den der Herr für uns vorgesehen hat“, so Papst Franziskus. Jeder muss und kann die eigene Berufung zur Heiligkeit entdecken.
Heiligkeit ist nicht nur etwas für Priester
Das schränkt Franziskus ganz bewusst nicht auf die Kleriker und Ordensleute ein. „Oft sind wir versucht zu meinen, dass die Heiligkeit nur denen vorbehalten sei, die die Möglichkeit haben, sich von der gewöhnlichen Beschäftigung fernzuhalten, um viel Zeit dem Gebet zu widmen. Es ist aber nicht so.“ Eine Richtschnur für heiliges Leben könnten die Seligpreisungen Jesu geben: Selig sind die Armen, Sanftmütigen und Trauernden; die, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten. Diese von Jesus seliggepriesenen Eigenschaften legt Papst Franziskus auf die heutige Zeit aus und zeigt damit einmal mehr, dass Heiligkeit nicht großen Personen vergangener Jahrhunderte vorbehalten ist, sondern sich auch heute ereignen kann und soll.
Dabei wird Franziskus gewohnt deutlich: „Heilig sein bedeutet daher nicht, in einer vermeintlichen Ekstase die Augen zu verdrehen.“ Nicht nur gute Werke seien entscheidend, sondern auch der Versuch, einen gesellschaftlichen Wandel anzustreben. Christen sollen sich allen Idealen entgegenstellen, die den Kern des Evangeliums entstellten. Sie sollen gegen Abtreibung kämpfen und gegen Menschenhandel. „Wir können kein Heiligkeitsideal in Erwägung ziehen, das die Ungerechtigkeit dieser Welt nicht sieht.“
Plädoyer für ein gelebtes Christentum
Im Kern zielen die Forderungen des Papstes auf das Handeln ab, „das Christentum ist nämlich vor allem dafür gemacht, gelebt zu werden.“ Gaudete et exsultate ist ein erfrischendes Buch. Das verdankt es den klaren und prägnanten Formulierungen von Papst Franziskus. Dazu kommt die für ihn so typische Einfachheit, die das Christentum als gelebte Liebe verstanden wissen will. Franziskus öffnet die Augen für den Schatz des Christentums und die Chance aller Gläubigen, nach Heiligkeit zu streben. Dadurch wird das Lehrschreiben aber auch zu einem Plädoyer für eine gerechtere Welt. Gaudete et exsultate ist im Patmos-Verlag mit einem Stichwortverzeichnis und einer Einführung von Jürgen Erbacher, Journalist und Vatikan-Experte erschienen.
Papst Franziskus: Freut euch und jubelt. Das Schreiben Gaudete et exsultate über den Ruf zur Heiligkeit in der Welt von heute. Mit Einführung und Register, Patmos 2018, 141 Seiten, 10 EUR
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