An Ostern feiern die Christen das Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu Christi. Sie glauben, dass Jesus dadurch die Macht des Todes gebrochen und den Weg zur Auferstehung eröffnet hat. Dieser Glauben zeigt sich in den Texten vom Karfreitag und der Osternacht, wie unser Autor Benedikt Bögle erklärt.
Es scheint, als wäre alles verloren. Drei Jahre lang war Jesus in Israel unterwegs, um die Menschen mit seiner Predigt zu erreichen. Er verkündete die Liebe Gottes und heilte Kranke. Er vergab Sünden und erzählte den Menschen von Gott. Für ihn haben seine Jünger alles aufgegeben. Weil er sie berufen hatte, sind sie losgegangen, ihm hinterher. Und jetzt hängt dieser Jesus am Kreuz. Geschunden, geschlagen, gebrochen. Sein großes Leid berichtet der Evangelist Johannes in seinem Passionsbericht (Johannesevangelium 18,1-19,42), der in den katholischen Gottesdiensten am Karfreitag vorgelesen wird.
Von den Freunden verlassen
Jesus weiß genau, was ihm blüht: Die Machthaber in Jerusalem wollen ihn am Kreuz hängen sehen. Er ist ihnen mit seiner Predigt zu einer Bedrohung geworden. Dennoch flieht er nicht aus Jerusalem, obwohl das noch gut möglich wäre. Im Gegenteil: Er wartet direkt auf die Soldaten, die ihn festnehmen möchten. Einer seiner Apostel, einer seiner Freunde hat ihn verraten. Anschließend kommt Jesus zum Hohepriester Kajaphas, der führt ein erstes Verhör durch. Während Jesus dort über seine Lehre ausgefragt wird, wartet sein Jünger Petrus vor dem Haus. Dort wird er erkannt und mit Jesus in Verbindung gebracht. Dreimal leugnet Petrus das, er behauptet, Jesus nicht zu kennen. Der nächste seiner Freunde hat ihn verlassen.
Jesus, der König
Jesus kommt zu Pilatus, dem Statthalter der Römer in Jerusalem. Dort wird er angeklagt, Pilatus soll ihn zum Tod verurteilen. Lange will Pilatus dieses Urteil verhindern, er sieht bei Jesus keine Schuld. Am Ende aber beugt er sich dem Pöbel, der laut schreiend die Hinrichtung Jesu fordert. Das Urteil ist gefallen, Jesus muss das Kreuz auf seine Schultern nehmen und auf den Hügel Golgota tragen, auf dem diese Hinrichtungen stattfanden. Über das Kreuz Jesu befestigte Pilatus ein Schild, auf dem stand: „Jesus von Nazareth, der König der Juden.“ Das war die Anklageschrift, es gab die Schuld an, wegen der Jesus ans Kreuz geschlagen wurde. Auf Latein, Griechisch und Hebräisch standen diese Buchstaben über dem Kopf Jesu.
Stärke im Tod
Das ist zugleich das theologische Programm dieser Stunde. Denn der Evangelist Johannes ist überzeugt: Das ist eigentlich keine Anklageschrift. Es ist die Wahrheit. Indem dieser Zettel in der Sprache Israels, aber auch in den beiden großen Weltsprachen der damaligen Zeit verfasst war, wird diese Aussage zugleich von innen her aufgesprengt. Jesus ist der König der Juden, aber eigentlich ist er der König der ganzen Welt. Das ist das große Paradoxon des christlichen Glaubens: Nie ist Jesus stärker als in diesem schwachen Augenblick. Denn durch sein Leiden und durch seinen Tod hat er den Tod besiegt. Durch seinen Tod hat er sich ganz auf die Seite der Menschen gestellt, ihr Schicksal ganz geteilt.
Auferstehung am Morgen
Und trotz dieser frohen Botschaft ist der Karfreitag für Christen ein Trauertag. Das gilt auch noch für den folgenden Karsamstag, der ganz in Stille, ohne besondere Gottesdienste gefeiert wird. Erst in der Osternacht ändert sich das. Nach uralter Tradition versammeln sich die Christen in der Nacht, am Übergang zum frühen Morgen. Der Grund liegt im Bericht von der Auferstehung Jesu, der in dieser Messfeier auch vorgetragen wird (Matthäusevangelium 28,1-10). Am frühen Sonntagmorgen kommen zwei Frauen zum Grab Jesu. Sie wollen seinen Leichnam mit Balsam salben. Dazu war am Karfreitag keine Zeit mehr. Der Sabbat, an dem alle Arbeit ruhen muss, war schon zu nahe. Das wollen sie jetzt nachholen. Als sie jedoch zum Grab kommen, bebt die Erde, ein Engel Gottes kommt und wälzt den Stein, mit dem im alten Orient oft Gräber verschlossen waren, zur Seite. Die Botschaft des Engels: „Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat.“ Jesus hat den Tod besiegt. Die große Macht des Todes konnte ihn nicht festhalten. Dem großen Gott musste selbst das unausweichliche Sterben nachgeben.
Der Tod hat nicht das letzte Wort
Zugleich drücken die Christen an Ostern ihren Glauben aus, dass durch diese Auferstehung nicht nur der Tod Jesu überwunden ist. Was Christus durch das Kreuz und die Auferstehung getan hat, betrifft jeden Menschen. Das zeigt auch der in der Osternacht gelesene Text aus dem Römerbrief des Apostels Paulus (Römerbrief 6,3-11): „Wenn wir nämlich Jesus gleich geworden sind in seinem Tod, dann werden wir mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt sein.“ Jesus ist den Weg aller Menschen gegangen. Er wurde geboren, lebte und starb. So sehr er lebte wie alle Menschen, so hat er das ganze Schicksal der Welt doch auch gewendet: Durch ihn hat der Tod nicht das letzte Wort, sondern die Auferstehung.
Gott handelt in der Geschichte
Damit wird Ostern zum Wendepunkt der ganzen Geschichte. Deshalb denken die Christen in der Osternacht auch an das ganze Heilshandeln Gottes, also an alle seine Taten, die er wegen der Menschen vollbracht hat. In insgesamt sieben Lesungen aus dem Alten Testament wird von der Erschaffung der Welt berichtet, die Gott ganz auf den Menschen ausgerichtet hat. Es ist die Rede von Abraham, der zum Schein seinen Sohn Isaak opfern soll, von Gott aber im letzten Augenblick noch abgehalten wird. Die Gläubigen hören auch die Erzählung vom Auszug aus Ägypten, als Gott sein versklavtes Volk befreite und durch das gespaltene Meer führte. All diese große Taten Gottes münden dem Glauben der Christen nach in die Auferstehung. Jetzt hat Gott den Tod besiegt und das Leben errungen. Das ist die Mitte des christlichen Glaubens. Was am Karfreitag so aussieht, als sei alles vorbei, als gäbe es keine Zukunft mehr, hat sich jetzt gewandelt: Es ist nicht alles vorbei. Es geht erst richtig los, dem Leben entgegen.
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