Wer bin ich? Ich habe weder einen Anfang noch ein Ende. Obwohl ich ganz schön nervig bin und die Menschen mich gerne loshätten, behalten sie mich doch. Gestatten, ich bin ein Gedankenkarussell oder auch Grübelspirale genannt. Und wie dir nicht völlig schlecht vom ständigen Kreisen wird, erfährst du in diesem Artikel.
„Wenn Sie Depressionen verstärken wollen…“,
begann mein Arzt zu erläutern, „dann grübeln Sie am besten tagsüber und vor allem in der Nacht. Das wird Ihre Regeneration richtig schön behindern und Sie werden sich immer schlechter fühlen.“ „Na, klasse!“, dachte ich und begann zu überlegen, wie ich mein Grübeln abstellen könnte. Aber was bedeutet grübeln eigentlich? Duden klärt uns auf: „seinen oft quälenden, unnützen oder fruchtlosen Gedanken nachhängen; über eine Sache nachsinnen, um zu einer Lösung oder Klärung zu kommen.“
Ich muss doch aber…
Gedankenverloren saß ich am Küchentisch und brütete über meinen Problemen. „Wie schaffe ich nur diese Prüfung?“ „Warum habe ich mich so blöd in der Situation verhalten?“ „Was ist, wenn alles noch schlimmer wird?“ „Liebt mein Partner mich überhaupt?“ Plötzlich lachte ich laut auf und gestand: „Grübeln ist wirklich wie ein dauerhaftes Schwirren um einen Kackhaufen.“ Somit drang die Sinnlosigkeit des Grübelns in mein Bewusstsein und ich wollte andere Wege finden, um meine Probleme zu lösen.
Der erste Schritt…
Wenn ich erkenne, dass ich im Moment grüble oder darauf hingewiesen werde, kann ich mich bewusst ein paar Schritte von meinem Problem distanzieren. Grübelte ich über die Frage „Liebt mein Partner mich überhaupt?“ schrieb ich folgende Fragen auf mein „Anti-Grübel-Arbeitsblatt“: „Wie wichtig ist mir im Moment, auf diese Frage eine Antwort zu bekommen? – Sehr wichtig.“ „Wie könnte ich herausfinden, ob er mich liebt?“ „Ich frage ihn.“ „Was ist, wenn er JA sagt, aber ich ihm das nicht glauben kann?“ Ich erkannte in diesem Moment, dass ich im Grunde genommen Angst habe. Angst, verlassen zu werden, Angst, verloren zu sein, Angst, nicht geliebt zu werden…All diese Ängste bringen ein Gedankenkarussell so richtig in Fahrt.
Sich seinen Ängsten stellen…
…soll wohl eine gute Strategie sein, hörte ich schon öfters. Aber wie konfrontiere ich mich mit meinen Ängsten? Nachdem ich mehrfach über mein unpassendes Verhalten grübelte, fasste ich mir ein Herz und ging zu der betroffenen Person und entschuldigte mich. Doch obwohl die Person mir verzog, grübelte ich weiter. „Die Person ist bestimmt enttäuscht von mir. Ob alles wieder wie früher wird?“ Daraufhin hörte ich mich selbst sagen: „Ja, es kann sein, dass es zu Rissen in der Freundschaft gekommen ist. Und ich werde einen Umgang damit finden.“ Ich notierte auf meinem Anti-Grübel-Arbeitsblatt: „Ich darf und werde andere Menschen enttäuschen. Ich bin stark, meine Probleme zu lösen oder mir Hilfe dafür zu suchen. Ich stelle mich mutig meinen Ängsten.“
Black Box – gute Idee?
Meine Freundin liebt ihre Black Box. Alles, was sie im Moment nicht verarbeiten kann, verschiebt sie dorthin. Sie spricht von Verdrängung. Doch ich denke, dass nicht jedes Problem sofort gelöst werden muss und kann. Manche Probleme dürfen geparkt werden. Vielleicht passt die innere Vorstellung einer Schatzkiste, Insel oder eines massiven Holzschrankes.
Fokus behalten
Auf die Bitte einer Freundin mit ihr ein „Problem-Krisen-Gespräch“ zu führen, lud ich sie zunächst ein, ihr Anliegen vorab zu formulieren. Später berichtete sie mir, dass sie dadurch ins Überlegen kam, was denn ihr eigentliches Problem sei. So konnten wir gezielt über ihr Anliegen sprechen und entwickelten konkrete Maßnahmen. Davor hing sie in Gedankenschlaufen fest. Mein Anti-Grübel-Tipp an dieser Stelle: Suche dir eine vertraute Person, mit der du deine Probleme aufschreibst und konkrete Schritte zur Bewältigung festhältst.
Karteikarten
Ich nutze Karteikarten und schreibe meine Probleme und Nöte darauf. So kann ich sie auf dem Tisch sortieren und Zusammenhänge herstellen. Öfters erkenne ich ähnliche Gedanken- und Verhaltensmuster. Wenn ich in der nächsten Grübelecke sitze, erkenne ich viel schneller, was bei mir los ist und kann dementsprechend handeln.
Nimm´s leichter
Ich finde, dass jeder Mensch eine Art von Humor in sich hat. Vielleicht ist manchmal der Zugang verstopft, vor allem beim Grübeln. Ich schreibe mir in guten Zeiten Witze auf oder speichere humorvolle Videos ab. Damit kann ich so manches Gedankenkarussell stoppen.
Fünf Schritte zurück
Wenn wir grübeln, stehen wir manchmal so nah an einem Problem, sodass wir daran festkleben und keine Weitsicht mehr einnehmen können. Wie können wir wieder Distanz gewinnen? Die Methode „Was würde ich meiner besten Freundin raten, wenn sie dieses Problem hätte?“ könnte dabei helfen. Oder das Problem auf einen Zettel schreiben und ihn sicher verstauen, um ihn ein paar Tage später erneut zu betrachten.
Die Ohnmacht überwinden
In einer Grübelspirale sind wir nicht wirklich handlungsfähig. Wir gewinnen keinen Mehrwert durch das Nachdenken. Manchmal kann an die frische Luft gehen helfen, ein Ortswechsel vornehmen, eine Dusche genießen, Kälte oder Wärme spüren, Fitness, Meditation, künstlerische Aktivitäten, musizieren, Gebet, jonglieren, Konzentrationsspiele, Balancierübungen, Gewürze riechen oder schmecken – Hauptsache, in Bewegung kommen und die Tätigkeit des Grübelns beenden.
Input suchen
Ich habe einen großen Smiley aufgehängt. Sein Lächeln steckt an und ich spüre ein wenig mehr Fröhlichkeit. Lächelnde Menschen sind so wohltuend und helfen ebenfalls eine Gedankenspirale zu unterbrechen. Lebensbejahende Glaubenssätze schreibe ich auf Notizzettel und hänge sie auf. Mein Arzt empfahl mir täglich in den Spiegel zu schauen und zu lächeln. „Na, wer lächelt da wohl zurück?“, grinste er schief. Außerdem gab er mir die Empfehlung, eine Zeit festzulegen, in der gegrübelt werden darf. „Am besten vor 8 Uhr.“
Werkzeugkiste einrichten
Ich habe mir eine Art Therapiekiste zusammengestellt, in der ich Anti-Grübel-Werkzeuge beherberge. Das hat sich aus der Erfahrung ergeben, dass Grübeln ein Symptom für meine psychische Erkrankung ist und ich weiß, dass ich nicht allzu lange darin verharren sollte.
Erfolge sehen
Sich selbst die Anerkennung zu geben und ein wenig stolz zu sein, eine Grübelspirale erfolgreich gestoppt zu haben, helfen mir ebenfalls. Meister und Gestalter meines Lebens sein, Selbstwirksamkeit erfahren, Höhen und Tiefen durchwandern, Ziele erreichen…all das macht doch unseren Lebensweg aus.
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