Ganz in der Nähe des Zeltplatzes in Bologna befindet sich ein großes Messegelände. Eines Tages wurden dort immer mehr Karusselle und ein Riesenrad aufgebaut. Was es wohl damit auf sich hatte?

Volksfest oder Parteitag?
Kurz nachdem meine Eltern wieder nach Deutschland gefahren waren, wurden auf dem Messegelände gegenüber immer mehr Karusselle und ein Riesenrad aufgebaut. Mein erster Gedanke war, dass dort wohl ein Volksfest, wie ich es auch aus Deutschland kenne, vorbereitet wird. Allerdings sah ich überall auf dem Gelände Fahnen der italienischen Partei „Partito Democratio“ hängen. Also doch kein Volksfest?
Zu Beginn meiner letzten Woche an der Sprachschule in Bologna kamen meine Eltern, um mir bei meinem Umzug nach Forlì, der Stadt wo ich studiere, zu helfen. Auch ihnen ist das „Volksfest“ aufgefallen. Schon in Deutschland war ich kein so großer Fan von Volksfesten. Daher wuchs mein Interesse auch nicht, als mein Vater beschloss, sich das einmal näher anzuschauen.
Zurück kam er mit einem Grinsen im Gesicht und leckerem Gebäck. Er erzählte meiner Mutter und mir, dass es dort nicht nur ein klassisches Volksfest gibt, sondern auch Restaurants mit Köstlichkeiten aus aller Welt sowie kulturelle Veranstaltungen wie Lesungen und politische Diskussionsrunden. Beim nächsten Mal gingen wir alle zusammen zu diesem „Fest der Kulturen“, wie ich es ab diesem Zeitpunkt nannte.
Bierzelt versus internationale Küche
Schon beim Betreten des Geländes fiel mir der deutliche Unterschied zu einem typisch deutschem Volksfest auf. Trotz der Abendstunden liefen die jungen Leute nicht betrunken durch die Gegend, sondern vergnügten sich viel lieber mit dem, was auf dem Fest geboten wurde.
Es gab Spezialitäten aus aller Welt: Von argentinischer Paella mit Sangria, libanesischem Huhn mit Couscous, spanische Paella aus Valencia, bis hin zur Küche der Karibik. Es gab auch einen Biergarten, was mich als echte Bayerin sehr zum Schmunzeln brachte. Anders als bei deutschen Volksfesten bestanden die Restaurants nicht aus Bierzelten, sondern aus einem verkleideten Bereich mit Tischen und Stühlen. Für mich als Gehbehinderte sehr erfreulich war vor allem die Barrierefreiheit und Hilfsbereitschaft der Restaurantbetreiber.
Dirndl versus Tänze aus aller Welt
Beim Fest waren viele Tanzschulen vertreten, und so schaute ich einem Paar beim Tango tanzen zu. An anderer Stelle wurde wiederum zu den Klängen der Karibik das Tanzbein geschwungen. Bei so vielen Möglichkeiten Spaß zu haben, wundert es mich nicht, dass kein Besucher auf mich übermäßig betrunken wirkte. Besonders gefreut habe ich mich daran, den vielen Italienerin von Groß bis Klein bei den Volkstänzen zuzuschauen. Am liebsten hätte ich mich selbst in die Kreistänze eingereiht.
Kulturelle Veranstaltungen
An anderer Stelle wurden Bücher ausgestellt und auch verkauft, wobei ich gleich meine neu gewonnenen Italienischkenntnisse unter Beweis stellen konnte. In einem abgetrennten Raum fanden auch Lesungen mit nachfolgender Diskussion statt. Da ich mich sehr für Literatur interessiere, wäre das für mich gerade richtig gewesen. Dazu haben meine Sprachkenntnisse aber dann doch noch nicht ausgereicht. Welche Themen in den politischen Veranstaltungen genau angesprochen wurden, kann ich leider nicht genau sagen. Die Partito Democratio ist eine moderat linke Partei, hatte auf dem ganzen Gelände allerdings nicht den größten Rednerplatz bekommen.
Küche, Tanzen, Kultur und – Messe?
Sehr erstaunt war ich dann doch, als ich die Zelte mit Ausstellungen sah. Da mein Vater Elektromeister von Beruf ist, bin ich als Kind immer wieder einmal auf Fachmessen mit dabei gewesen. Die Ausstellung erinnerte mich sehr daran.
Wir liefen durch die Ausstellung mit den neusten Kücheneinrichtungen, die wirklich sehr viel Stil haben und ließen uns die neueste Technik von Waschmaschinen oder Kaffeemaschinen vorführen. Andere Aussteller verkauften kulinarische Spezialitäten. So kam ich in den Genuss sehr leckeren sizilianischen Gebäcks und konnte den von der Amalfiküste bekannten Likör „Limoncello“ probieren.
Volksfest geht immer
Riesenrad, Geisterbahn und Karusselle – das geht immer. Ich ärgerte den Sensenmann von der Geisterbahn, der mir daraufhin am liebsten den Kopf abgeschlagen hätte und fühlte mich wie auf einem deutschen Volksfest. Eine Attraktion gab es dann doch noch: Für jüngeren Besucher gab es einen großen aufgeblasenen Ball, der wie ein durchsichtiger Wasserball aussah, dort konnten die Kinder hineinkrabbeln und sich mit Händen und Füßen durch ein Wasserbecken fortbewegen.
Brot und Spiele
Signore Danielle vom Zeltplatz erklärte uns dann, dass das „Fest der Kulturen“, tatsächlich eine politische Veranstaltung ist, wie ich zuerst auch gedacht habe. Über die Jahre sprangen viele Sponsoren der Veranstaltung ab, wodurch die Veranstalter gezwungen waren, sich ein neues Konzept zu überlegen: Brot und Spiele, wie im alten Rom.
In meinem nächsten Bericht ziehe ich für mein Studium nach Forlì und erzähle wie meine ersten Tage in meiner Studienstadt waren.
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