Das Leben in Taizé ist geprägt durch die Bescheidenheit. Wer nach Taizé kommt, ist eingeladen, die Gemeinschaft mit Gott zu suchen: im gemeinsamen Gebet, in der Stille, im persönlichen Nachdenken und in Gesprächen. Unser Autor Jonas war selbst eine Woche vor Ort.
Gastgeber in Taizé ist eine Gemeinschaft von Brüdern, die ihr ganzes Leben lang Christus in Gemeinschaft, Einfachheit und Ehelosigkeit nachfolgen. Schwestern mehrerer Ordensgemeinschaften und Freiwillige aus verschiedenen Ländern tragen die Jugendtreffen mit.
Jeder bekommt bei der Ankunft in Taizé – je nach Alter – eine Gruppe zugeteilt, die sich zu den Bibeleinführungen, Gesprächen in kleinen Gruppen und Zeiten der Stille trifft. Jeder bekommt außerdem eine praktische Arbeit. Daneben besteht die Möglichkeit, die Woche oder das Wochenende in Stille zu verbringen.
Montag: Einkaufen im „Oyak“
Für Zusammenkünfte außerhalb der Arbeitszeiten oder der Gesprächsgruppen gibt es in Taizé das Oyak. Darunter verbirgt sich ein kleiner Kiosk, in dem Dinge des täglichen Bedarfs, Lebensmittel, Getränke oder Süßigkeiten zum Selbstkostenpreis erworben werden können.
Hier war es meine Aufgabe, gemeinsam mit anderen, die Zubereitung von Crêpes zu organisieren sowie diese zu verkaufen. Hier wurden wir zunächst eingewiesen. In den kommenden Tagen mussten wir diesen Aufgabenbereich selbstständig übernehmen.
Barrierefreiheit – eine große Herausforderung für die Gemeinschaft in Taizé
Ich habe mich sehr schnell in meine Arbeitsgruppe eingefunden. Ich bin von den anderen Teilnehmern und den Volontären gut integriert worden. Dennoch wurde mir gesagt, dass ich am Abend nicht zu kommen bräuchte. Erst nach einem Gespräch mit unserer Reiseleitung, wurde der Grund für diese Handlungsweise offenbart. Offensichtlich handelte die Gemeinschaft in dem Glauben, sie könne hierdurch entstehenden Stress für mich vermeiden.
Das Gegenteil trat ein. Ich empfand dies als sehr ausgrenzend. Ich bin sehr dankbar, dass dieser Fehler nach einem klärenden Gespräch behoben werden konnte. Ich bin auch sehr dankbar, für meine Arbeitsgruppe, die mich trotz meiner Auffälligkeiten in der gesamten Woche unterstützt hat. Dieser Zusammenhalt, den ich hier erlebt habe, sollte auch ein gutes Vorbild für die Gemeinschaft von Taizé sein. In Zukunft sollten die Bedürfnisse Betroffener im Vorfeld erörtert werden.
Dienstag: Morgendliches Treffen in Bibelgruppen
Heute wurden wir in Gesprächsgruppen aufgeteilt. Es ist vorgesehen, dass alle Gesprächsteilnehmer eine unterschiedliche Herkunft haben. In dieser Woche jedoch waren die meisten Teilnehmer deutscher Herkunft. Der Bibeltext handelte von der Berufung des Levi zum Apostel (Lukas 5,27-32). Dies gab uns Anlass, über die Unterschiede zwischen einem blinden Gehorsam und einer christlichen Nachfolge zu diskutieren. Die Nachfolge ist eine Entscheidung aus Vernunft und der blinde Gehorsam ist blind gegenüber jeder Wahrheit.
Mittwoch: Lukas 10,38-42 im Fokus der Bibelgruppe
Heute wurde in der Gesprächsgruppe die Thematik des „gegenseitigen Zuhörens“ fortgesetzt. Wir sprachen über die Begegnung von Maria und Marta mit Jesus. Es ist Marta, die ihre Berufung im aktiven Dienst erkennt und es ist Maria, die ihre Berufung im aktiven Zuhören erkennt. Hieraus hat der Heilige Benedikt von Nursia seine Ordensregel formuliert: „Beten und Arbeiten.“ Maria erfüllt ihren Dienst im Beten, sie hört das Wort des Herrn. Marta erfüllt ihren Dienst in der Arbeit, sie befolgt das Wort des Herrn.
Für unser Handeln ist es wichtig, einen Gleichklang zu finden. Wer nur betet, gilt schnell als faul. Wer dagegen nur arbeitet, findet kein Gehör für die Belange des Nächsten. Dennoch ist der Mensch oftmals einem von beidem deutlich zugeneigter. Wir können weder im Beten noch in der Arbeit die gleichen Stärken und Schwächen entwickeln. Hier ist es wichtig, dass wir Menschen uns in unserem Dienst am Herrn gegenseitig ergänzen. Hier geben uns Maria, Marta und ganz gewiss der Heilige Benedikt ein gutes Vorbild.
Donnerstag: Auslegung des Psalms 126
In der Gesprächsgruppe wurde heute der „Dank“ thematisiert. Wir sprachen über die Dinge, für die wir sehr dankbar sein dürfen. Ich bin sehr dankbar für unseren Hund. Ich bin dankbar dafür, dass er fast 15 Jahre ein treuer Lebensbegleiter gewesen ist. Auch sprachen wir über große Ereignisse, die uns sehr viel bedeutet haben. Mir hat im vergangenen Jahr die Teilnahme am Weltjugendtag in Portugal sehr viel bedeutet.
Mich hat das hohe Maß an Gastfreundschaft, welches uns die Portugiesen entgegenbrachten, nachhaltig beeindruckt. Als Pilger in Taizé hat mich außerdem die Frage bezüglich des Unterschiedes zwischen Tourismus und Pilgerschaft sehr bewegt. Für uns Pilger ist Gott der Mittelpunkt einer Reise, für Touristen ist es dagegen eine Sehenswürdigkeit.
Freitag: Das Gebet vor dem Kreuz
Jeden Freitag wird in Taizé an den Tod Jesu gedacht. Hierzu befindet sich zur Verehrung ein schlichtes Holzkreuz in der Mitte der Kirche. Jeder Pilger hat die Möglichkeit, seine Stirn darauf zu legen. Es gibt mir die Gelegenheit, hier meine Sorgen und Nöte abzulegen. Es sind die Ängste vor einer ungewissen Zukunft. Ich bin, als Asperger-Autist, immer noch arbeitslos.
Ich bin bemüht, einen Job zu finden, von dem ich leben kann. Jede Bewerbung war bisher erfolglos. Ich habe keine Rückmeldungen erhalten. Ich wurde vertröstet. Ich wurde ignoriert. Diese Erfahrung ist für mich sehr frustrierend. Die Möglichkeit der Kreuzverehrung bietet sich die ganze Nacht bis zum Morgengebet am kommenden Morgen an.
Samstag: Die Nacht der Lichter
Das Abendgebet am Samstag wird dazu genutzt, um sich über die Auferstehung Christi zu freuen. Jeder Teilnehmer erhält zu diesem Zwecke eine Kerze, die während des Gebetes entzündet wird. Die Nacht der Lichter erinnert mich daran, dass Gott nicht tot ist. Gott lebt. ER gibt mir Hoffnung, weiterzukämpfen. Sie verleiht mir die Kraft, nicht aufzugeben. Dem Licht weicht die Dunkelheit der Kreuzigung. Christus ist auferstanden. Halleluja.
Daniel
Das ist ein schönes Zeugnis und es gehört auch Mut dazu über persönliche Dinge zu schreiben. Gottes Segen, Jonas, für deine berufliche Zukunft und insgesamt! 🙂
Jonas
Lieber Daniel,
vielen Dank.
Viele Grüße Jonas
Kilian Bödeker
Hallo Jonas!
Ich finde Deinen Bericht Klasse hast Du super geschrieben.
Gruß Kilian
Jonas
Danke
Katja
Lieber Jonas, vielen Dank für das Teilen deiner Erlebnisse. Diese vorauseilende Fürsorge, wie du es im Oyak erlebt hat, kenne ich aus eigener Erfahrung in kirchlichen Kontexten in Deutschland. Das ist sehr ausgrenzend. Gut, dass ihr es in einem Gespräch klären konntet.
Ich wünsche dir so sehr, dass du einen Arbeitsplatz findest, wo du mit deinen Begabungen aufblühen kannst. Ich bin im Bereich “inklusive Church” ein bisschen unterwegs in der Englischen/anglikanischen Kirche.
Bei Fragen melde dich gern.
Gruß aus Osnabrück , Katja
Jonas
Liebe Katja,
tatsächlich ist genannte Problematik keine Problematik, die ausschließlich die Kirche betrifft.
Ich erlebe solche Dinge tatsächlich zumeist außerhalb der Kirche.
Ich denke, dass jeder Mensch Begabungen hat. Warum sollte sich das nur auf Menschen wie mich begrenzen?
Liebe Grüße
Jonas
Olli
Lieber Jonas,
es freut mich sehr, dass du so eine schöne Zeit in Taizé hattest. Du hast einen tollen Bericht geschrieben und ich danke dir für deine Offenheit. Auf ein baldiges Wiedersehen und Gottes Segen.
Viele Grüße
Olli
Jonas
Lieber Olli,
Danke.
Schön von dir zu hören übrigens.
LG Jonas