Flüchtlinge, ein Thema was uns nun schon seit Längerem überallhin verfolgt. Tausende Berichte, tausende Gespräche. Und trotzdem wird noch immer nur vermutet, niemand weiß genaues. Ein Beitrag, der mit falschen Hoffnungen und Vorstellungen aufräumt.
Mustafa ist sechs Jahre alt. Pechschwarze Locken rahmen ein Gesicht ein, das in zu jungen Jahren schon zu viel miterleben musste. Die eingefallenen umränderten Augen zeugen von schlaflosen Nächten; die trockene, rissige Haut von mangelnder Verpflegung. Er trägt eine ausgewaschene Jeans und ein zu großes Shirt mit dem Aufdruck: „Danke für Nix.“ Das Shirt wurde gespendet. Jede Spende ist im Grunde eine gute Tat. Zu oft scheint sie aber auch nur ein schlechtes Gewissen zu beschwichtigen.
Meinung ist nicht gleich Meinung
In Deutschland ist spätestens mit den großen Flüchtlingszahlen eine Zeit angebrochen, in der jeder überlegen muss, was und wie etwas gesagt wird. Zu oft werden Meinungen aus ihrem Kontext gerissen oder unreflektiert übernommen. Positionen zu Ende denken, sollte die Devise sein. Wenigstens ein Gedanke sollte dafür investiert werden, in welche Situation der sechs jährige Mustafa mit diesem T-Shirt gebracht wird. Denn bei aller Komplexität im Umgang mit der eigenen Sprache und den eigenen Meinungen ist es nicht zu viel verlangt, über die Bedeutung des eigenen Handelns nachzudenken – den Blick über den Tellerrand zu wagen.
Mustafa ist seit einem halben Jahr in Deutschland. Seine Eltern sind mit ihm geflohen, als die Hoffnung auf ein Leben in Damaskus endgültig gestorben war. Die Kraft des Meeres trennte die Familie – Mustafas Mutter überlebte die Überfahrt nicht. Es ist fast schon ein trauriges Glück, dass er noch so jung ist. Denn umso älter die Migranten werden, desto schwerer wird es für sie, in Deutschland einen Beruf zu erlernen.
Mustafas Vater wird es, laut dem OECD Schulbildungsvergleich, am schwersten haben. 81 Länder wurden verglichen, davon schafften 65 Prozent nicht den Sprung über das, was von der OECD als „Grundkompetenzen“ definiert wurde. Das bedeutet in Zahlen, dass ein Fünftel der Syrer Analphabeten sind. Auch bedeutet es, dass ihnen grundlegende Kompetenzen, beispielsweise in der Mathematik oder den Naturwissenschaften, fehlen. Laut dem Geschäftsführer der Handwerkskammer in München brechen Flüchtlinge in rund zwei Dritteln der Fälle ihre Ausbildung ab. Anstatt dieses Bild voreilig und falsch zu interpretieren und von faulen und desinteressierten Flüchtlingen zu sprechen, sollten die Wurzeln der Probleme analysiert werden.
Verkehrte Vorstellung
Das oft benutzte Argument der „fehlenden Fachkräfte“ in Deutschland wird durch die Flüchtlinge vorerst nicht gelöst, wie soll es auch? Zu viele Deutsche gehen davon aus, dass Flüchtlinge mit einer akademischen oder überhaupt einer Ausbildung nach Europa kommen. Wie aber soll in den Ländern, in denen der Bürgerkrieg wütet, Extremisten an der Macht sind oder Diskriminierung und Hass Alltag sind, ein Bildungssystem funktionieren?
Kann es nicht, weswegen die deutsche Bundesregierung den Flüchtlingen die Perspektivlosigkeit nehmen muss. Um das umzusetzen muss der deutsche Bürger aber erst einmal verstehen, warum und vor allen Dingen wie die Flüchtenden nach Europa kommen.
„Diesem Pack wird viel zu viel in den Rachen geschoben“, hieß es anlässlich einer Falschmeldung über die finanzielle Unterstützung der Flüchtlinge. „Jammerschade, dass nur 70 von den Schmarotzern verreckt sind“ war eine Reaktion auf verstorbene Flüchtlinge im Mittelmeer. Das sind nur zwei von unzähligen Beispielen für die Art von Kommentaren, auf die sich Mustafa vorbereiten muss. Die Hilfeleistungen in Asylheimen zeigen das schöne Gesicht der Deutschen – Facebook das hässliche.
Die Kommunikation mit Mustafa ist der Schlüssel zum Erfolg. Erst durch den Austausch mit vermeintlich Fremden kann sich jeder eine Meinung von seinem Gegenüber bilden. Eine eigene, selbstgeschaffene Meinung, fern von den Einflüssen der Medien, Politik oder Gesellschaft.
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